Der andere Sangiovese in der Romagna

Sangiovese ist die in Italien am häufigsten angebaute Rotweintraube, die man auch nördlich des Apennins findet, für manche die ursprüngliche Heimat des Sangiovese.

Romagna – da denkt man an blaues Meer und endlos lange Sandstrände. Die Küs­te zwischen Ravenna und Rimini wurde in den Siebziger- und Achtzigerjahren auch als Teutonengrill bezeichnet – nicht zu Unrecht. In der Zwischenzeit wurden die Deutschen zwar von Urlaubern aus osteuropäischen Staaten abgelöst, die Adriaküste der Romagna zählt aber immer noch zu den beliebtesten Feriendestinationen Italiens. Nur wenige der Hunderttausenden, die sich am Sandstrand von Rimini in der Sonne ­aalen, aber wissen, dass nur ein paar Kilometer entfernt im Hinterland ein hochklassiges Weinbaugebiet beginnt. Genau genommen ist die Emilia-Romagna eine Doppelregion: Die Emilia liegt im Landesinneren und erstreckt sich von ­Piacenza bis Bologna. Die Romagna reicht von Bologna nach Südosten bis ans Meer und hat ­einen ausgeprägt mediterranen Charakter.

Neben den unterschiedlichen kulturellen Traditionen sind die beiden Teil­regionen auch in weinbaulicher Hinsicht sehr verschieden. Während in der Emilia der Lambrusco dominiert, ist die Romagna das Reich des Sangiovese. Auf 36.000 Hektar findet in der Romagna Weinbau statt, gut 60 Prozent davon sind mit Sangiovese bestockt. Rund die Hälfte der Weinbaufläche befindet sich in der Ebene, die andere Hälfte in Hügellage. Durch die differierenden Böden und das anders geartete Klima – die Temperaturen in der Romagna sind milder als im Chianti – unterscheiden sich die Sangiovese-Weine der Romagna merklich von ihren berühmten Verwandten in der Toskana. Sie besitzen in der Regel etwas weniger Säure und weisen ein milderes Tannin auf. Während alle Welt von der Toskana spricht, steht die Romagna im Schatten. Das hat für den Weinliebhaber aber auch einen beachtlichen Vorteil: Sangio­vese di Romagna ist preislich deutlich günstiger.

Neben Sangiovese gibt es noch einen zweiten wichtigen Wein in dieser Region, den Albana. Erzeugt aus der gleichnamigen Sorte war Albana di Romagna 1987 der erste Weißwein Italiens, der zu DOCG-Ehren kam. Seine Bekanntheit außerhalb der Region hat aber auch das nicht gefördert. Ihre dicke Schale prädestiniert die Albana-Traube zur Erzeugung von Strohweinen und Beerenauslesen. Einige süße Albana-Passitos sind grandios, bei vielen trocken ausgebauten Albana hingegen sind die doch recht ausgeprägten phenolischen Noten gewöhnungsbedürftig.

Im Keller der Fattoria ­Zerbina setzt man auf ­edles französisches Holz./Foto: Othmar Kiem

Cristina Geminiani leitet gemeinsam mit ihrem Bruder Vincenzo die Fattoria Zerbina im Hinterland von ­Faenza. Gegründet wurde das Weingut, das heute über 32 Hektar Weinberge verfügt, einst von Großvater Vincenzo. Als Cristina, die eine solide Ausbildung in einer Weinbauschule hinter sich hat, 1987 in den Betrieb einstieg, kam es zu einer kleinen Kulturrevolution. Wie so viele in der Romagna hatte auch der Großvater mehr auf Quantität denn auf Qualität gesetzt. Cristina hatte andere Vor­stellungen und verfolgte einen rigiden Qualitätskurs. Ab 1990 wurden alle Weinberge neu ­angelegt. Einen Weinberg pflanzte sie nicht wie üblich mit Drahtrahmen, sondern in Einzelstockerzie­hung, wie sie bis in die Fünf­zigerjahre auch in exponierten Lagen in den Hügeln der Romagna gebräuchlich war. Durch diese Erziehungsform wird eine Dichte von 10.000 Rebstöcken pro Hektar erreicht. »Für die Qualität ist die Einzelstockerziehung absolut förderlich«, sagt Cristina Geminiani, »das Laubwerk wird rundum von der Sonne erfasst und ermöglicht eine optimale Fotosynthese.« Aus diesem Weinberg entsteht der Pietramora, der Top-Sangiovese von Zerbina. Maßstäbe setzt die Fattoria Zerbina nicht nur bei Sangio­vese, sondern auch bei Albana. Es ist in erster Linie die süße Variante, die es Cristina Gemi­niani angetan hat. Seit Beginn der Neunziger­jahre erzeugt sie aus von Botrytis befallenen Trauben den Scaccomatto, einen feinen Süßwein im Stil eines Sauternes. In besonderen Jahren gibt es auch den AR, den Albana Passito Riserva. Sorgsam ausgewählte edelfaule Beeren ergeben einen hochkonzentrierten Nektar. Pro Jahrgang werden rare 300 Fläschchen von diesem köstlichen Stoff erzeugt. Mit dem Marzieno schließlich, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Sangiovese, belegt die Fattoria Zerbina, dass auf den Hügeln von Faenza nicht nur Sangiovese und Albana hervorragende Weine erbringen können.

Spannendes in Weiß und Rot: Vittorio Navacchia von Tre Monti./Foto: Othmar Kiem

Das Weingut Tre Monti hat seinen Sitz bei Imola. 30 Hektar liegen direkt um den Gutshof. Hier werden vor allem Weißweine, stoffige Albana und ein duftiger Sauvignon, erzeugt. Die Rotweine gedeihen auf dem Weingut Petrignone, das weiter östlich bei Castrocaro liegt. Auf den 28 Hektar stehen fast ausschließlich Sangiovese-Reben. Der Weinfreund kann bei Tre Monti gleich zwischen zwei Spitzen-Sangiovese wählen. Kerniger und direkter ist Petrignone, geschliffener und weltläufiger gibt sich der Thea Rosso, der einen Vergleich mit den berühmten Vettern aus der Toskana nicht zu scheuen braucht. Ein besonderes Anliegen ist Vittorio Navacchia, der gemeinsam mit seinem Bruder Davide das Weingut leitet, sein NOSO. Dabei handelt es sich um einen Sangiovese, bei dem durch den Einsatz von Stickstoff eine Oxidation verhindert wird. Navacchia gelingt es so, diesen überaus saftigen Wein ohne die Zugabe von Schwefeliger Säure abzufüllen.

Über allem wacht der Löwe: Blick von der Villa Bagnolo/Foto: Othmar Kiem

Vito Ballarati ist als Unternehmer in der Chemiebranche tätig. Mitte der Neunzigerjahre kaufte er bei Castrocaro im Hinterland von Forli das Anwesen Villa Bagnolo. Ballarati interessiert sich für Wein, und so begann er allmählich, ein Stück Land nach dem anderen zu kaufen und darauf Reben zu pflanzen. 15 Hektar Weinberge gehören heute zu Villa Bagnolo, hauptsächlich mit Sangiovese bestockt, aber auch mit Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Interessant sind vor allem zwei Weine, der Sassetta und der Bagnolo, beide sortenreine Sangiovese. Während der Sassetta im Stahltank ausgebaut wird und die frischen, fruchtigen Noten betont, reift der Bagnolo ein Jahr lang im Barrique.

Romagna für Gourmets & Genießer

Zu den Verkostungsnotizen

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Falstaff Nr. 03/2011

Text von Othmar Kiem

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien