Der Alpenlachs: Sushi aus den Bergen

Das Interesse an Fisch steigt, doch die Bestände sinken. In diesem Dilemma wird der heimische Süßwasserfisch zum entscheidenen Faktor.

Reinhard Mitterbäck beobachtet, wie ein Schwarm eleganter Saiblinge im klaren Wasser des Fischbeckens seine Runden zieht. Die Maisonne wärmt, doch das quellfrische Wasser hat nur wenige Grad – so, wie es die ­Fische mögen. Und Mitterbäck freut sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Ende des ­Monats wird er seinen ersten selbst gezüchteten Xeis ­Alpenlachs fangen. »Wahrscheinlich werden wir ihn gleich als Sushi verspeisen«, sagt der sympathische Steirer lachend. Er ist einer von zehn Lizenzpartnern, die unter der Marke ­Alpenlachs in modernen Aquakulturen Fische höchster Qualität züchten und vertreiben.

Der Alpenlachs - Eine Erfolgsgeschichte
Der Erfolg von Alpenlachs und anderen heimischen Fischzüchtern hat mehrere Perfekte Wasserqualität ist die wichtigste Voraussetzung für guten Fisch. Österreichs Seen und Flüsse bieten die optimalen Bedingungen für wertvollen frischen FangGründe: Die Weltmeere sind bald leer gefischt. Berichte aus der Massenfischzucht schrecken mit hohem Einsatz von Antibiotika und der Schädigung des Ökosystems. Und lange Transportwege ­lassen die Frage aufkommen, wie frisch ein etwa im Pazifik gefangener Fisch überhaupt noch sein kann, wenn er bei uns auf dem Teller landet. Gleichzeitig schmeckt Fisch nicht nur köstlich, sondern ist aufgrund seiner Eigenschaften – cholesterinarm, eiweißreich und voll von gesunden Omega-3-Fettsäuren – für die menschliche Ernährung ausgesprochen sinnvoll.

Das Entwicklungspotenzial für den heimischen Fischmarkt ist also enorm. Derzeit werden in Österreich pro Jahr rund 3300 Tonnen Fisch produziert. Der Schwerpunkt der ­heimischen Fischzucht liegt auf der Produktion von Karpfen- und Forellenfischen, zu Letzteren gehören etwa auch Saibling und Reinanke. Doch es stammen nur fünf Prozent der in ­Österreich verspeisten Fische tatsächlich aus heimischen Gewässern. Und das, obwohl die Österreicher durchschnittlich ohnehin nur 7,7 Kilo Fisch pro Jahr essen – im Vergleich: Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch liegt bei 66 Kilo.

Naturnahe Aquakultur und umweltschonende Fischzucht etablieren sich
Der Fischexperte Peter Brauchl arbeitet schon seit drei Jahrzehnten daran, die Die Aquakulturanlage im Gesäuse (Steiermark) ist einer von zehn Lizenzbetrieben von Alpenlachs. Das System der runden Becken gilt weltweit als InnovationVorzüge von Saibling, Forelle und Co. bekannt zu machen. 1982 hat er die Marke Alpenlachs gegründet, die heute dem Kärntner Unternehmer Hanno Soravia gehört. Alpenlachs hatte von Beginn an zwei Ziele: den wertvollsten Fisch zu züchten und dabei die Umwelt zu schonen. Den passenden Fisch hat Brauchl in den eisigen Gewässern der Region um Spitzbergen gefunden: ein Seesaibling mit einem besonders hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren und hervorragendem Geschmack. »Es ist also an sich ein exotischer Fisch, aber er ist sehr nahe verwandt mit ­unserem Saibling und für die heimische Um­gebung sehr gut geeignet«, sagt Alpenlachs-­Geschäftsführer Lukas Werner und ergänzt: »Und aus ernährungsphysiologischer Sicht ist er einfach perfekt.«

Der Alpenlachs wird in Österreich in Aquakulturen gezüchtet. So ist gesichert, dass er sich nicht in den Gewässern verbreitet und heimische Arten zurückdrängt. Nachdem er ein Jahr lang im Bruthaus vom Ei weg aufgezogen wurde, wächst er ein weiteres Jahr in speziell entwickelten Anlagen heran, die mit ihren runden, nach unten hin keilförmigen Fischbecken eine Innovation darstellen. »Österreich ist heute Vorbild bei der naturnahen Aquakultur«, sagt Brauchl, »es gelingt uns erstmals in Europa, kleine bäuerliche Aquakulturen so zu bauen, dass der ökologische Zustand des Freige­wässers, also des Bachs, aus dem wir das ­Wasser nehmen, oberhalb wie unterhalb ­unserer Anlage gleich gut ist.« Damit ist ­bewiesen, dass nachhaltige Fischzucht ohne Umweltbelastung durchaus möglich ist. Die runde Form des Beckens sorgt nicht nur für eine Fließgeschwindigkeit des Wassers, die die Fische in Bewegung bleiben lässt, sondern auch dafür, dass durch die Zentrifugalkraft die ­Fäkalien in die Mitte des Beckenbodens transportiert werden. Von dort kommen sie in ein Absetzbecken, das restliche Wasser fließt durch eine Pflanzenkläranlage, wo Mikroorganismen Schadstoffe wie Stickstoff, Phosphor und ­Nitrat abbauen, und gelangt so gereinigt ­wieder in den Bach.

Auch der Fisch soll nachhaltig speisen
Neben der Art der Anlagen ist insbesondere das Fischfutter für die Nachhaltigkeit Alexander Quester ist Fischzüchter aus Leidenschaft. Seinen ersten Fisch hat er mit drei Jahren gefangen, 2006 machte er sein liebstes Hobby zum Berufder Fischzucht entscheidend. Dabei stehen Fischzüchter vor der Herausforderung, Futterpellets zu finden, die dem Fisch schmecken, seine für den Menschen positiven Lebensmittelkriterien erhalten, das Gewässer nicht belasten und selbst aus umweltschonender Produktion stammen. »Der Trend zum Süßwasserfisch ist erfreulich, aber es nützt nichts, wenn Teile des Fischfutters nach wie vor aus marinen Bereichen stammen. Es muss eine Möglichkeit gefunden werden, das Fischfutter so zusammenzusetzen, dass die Meere geschont werden«, sagt Elisabeth Licek, Fischsachverständige von der Veterinärmedizinischen ­Universität Wien. Bei Alpenlachs wird in ­allen Betrieben Biofutter verwendet. Darin ist zwar auch Fischmehl von Salzwasserfischen enthalten, dieser Anteil hat jedoch das MSC-Siegel für nachhaltigen Fischfang.

Auch der bekannte Fischzüchter Alexander Quester ist mit der Situation auf dem Futtermittelmarkt nicht glücklich: »Das biozertifizierte Futter wird offiziell freigegeben, aber es gibt noch keine 100-prozentig zufriedenstellende Lösung. Zumindest werden aber nicht mehr extra Fische gefangen, um Fischmehl zu produzieren, sondern es sind hochwertige Abschnitte aus der Speisefischerei.« Für Quester ist die Fischzucht eine Herzensangelegenheit. Er sorgt dafür, dass seine Fische neben dem besten Futter auch eine optimale Umgebung haben – und genug Zeit zum Wachsen: »Je kälter das Wasser ist, desto langsamer wächst der Fisch. Das schnelle Wachstum ist nie gesund und gut – egal ob im Geschäftsleben oder bei Lebensmitteln.«

Frische bei Fang und Fisch
Ist der Fisch nach zwei bis drei Jahren ausgewachsen, ist vor allem eines wichtig: dass er so schnell wie möglich beim Konsumenten landet. »In Österreich wird Fisch, der fünf Tage alt ist, leider immer noch als frisch angeboten«, sagt Brauchl, »da hat er die hohe Qualität, um die wir uns zwei Jahre bemühen, dreimal verloren.« Drei Tage lang ist Fisch wirklich frisch – und riecht in diesem Zeitraum angenehm, etwa nach frisch gemähtem jungem Gras wie der Saibling oder nach würzigem Thymian wie die Äsche.

Effiziente Vertriebssysteme sorgen dafür, dass österreichischer Fisch nicht nur ab Hof, sondern auch im Lebensmitteleinzelhandel frisch zu ­bekommen ist. »Wir fischen in der Nacht, sehr zeitig in der Früh wird der Fisch ausgenommen, und die meisten sind noch am gleichen Tag im Handel, beispielsweise bei Merkur«, erzählt Quester. Im Angebot von Merkur findet man ­neben den Fischen von Quester auch jene der Soravia-Firmen Alpenlachs und Wilder Fisch ­sowie Produkte der Teichwirtschaften Radlberg, Gut Dornau und Piringsdorfer. Auch Interspar und Billa führen Fisch aus Österreich – der Blick aufs Herkunftsetikett zahlt sich für den Konsumenten aus, in geschmacklicher und ­ökologischer Hinsicht.

Wer Sushi liebt, muss auf österreichischen Fisch nicht verzichten. Der Seesaibling ist auch roh eine Delikatesse
Wer Sushi liebt, muss auf österreichischen Fisch nicht verzichten. Der Seesaibling schmeckt auch roh

Fisch aus Österreich - oder doch nicht?
Wer jedoch davon ausgeht, dass jeder Fisch mit Ursprungsangabe Österreich auch wirklich sein ganzes Leben in heimischen Gewässern verbracht hat, irrt. »Die Gesetzeslage besagt, dass derjenige Staat auszuweisen ist, in dem der Fisch seine letzte Lebensphase verbracht hat«, sagt ­Lukas Werner, »ich kann aus der Branche sagen, dass diese letzte Lebensphase sehr unterschiedlich ausgelegt wird – von der Hälfte des Lebens bis zu drei Wochen.« In einer wissenschaftlichen Pilotstudie von Fischökologen und analytischen Chemikern ist es nun aber gelungen, einen Herkunftsnachweis zu erbringen. »Fische lagern ihr ganzes Leben lang chemische Umgebungsinformationen in ihrem Gehörstein ein, der dazu dient, im Wasser die Balance zu halten. Durch die Analyse dieses Gehörsteins konnten wir mit 100-prozentiger Sicherheit die Fische unterscheiden und sie eindeutig bestimmten Fischzuchten zuordnen«, erklärt Andreas Zitel, ­Experte für Fischökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Dieses Verfahren ­ermöglicht es nun, kurzfristig »eingebürgerte« Fische zu entlarven.

Um mehr Fischarten aus Österreich im Handel anbieten zu können, ohne die heimischen Gewässer leer zu fischen, ist es sinnvoll, das nachhaltige Aquakulturangebot auszubauen. »Der Meeresfisch dürfte schon nicht mehr ­gefangen werden, der Süßwasserfisch vielfach ebenso wenig. Niederösterreich hat im Vergleich zur Landesfläche die größte Fischvielfalt in ganz Europa. Dort haben wir 74 Fischarten, doch 53 davon stehen auf der roten Liste«, erklärt Brauchl. Damit der Reichtum an Fischarten auch zur kulinarischen Abwechslung wird, hat sich Brauchl mit seinem Projekt »Vielfalt Fisch« das Ziel gesetzt, heimische Fische zu Speisefischen aus nachhaltiger Zucht zu machen. Das ist durchaus nicht immer einfach: »Man braucht drei Generationen, bis man die Fische daran gewöhnt hat, dass sie Pellets fressen. Einem Huchen zu erklären, dass er nicht mehr Fische fressen soll, sondern Fischpellets, ist nicht so einfach. Aber er soll irgendwann ein ordentlicher Speisefisch sein, der in der Aquakultur einfach gezogen werden kann.« Und der damit hoffentlich bald öfter auf dem Speiseplan der Österreicher stehen wird.

Dirk Stermanns und Christiane Kadas Kochbuch »Fische Fische«Buchtipp zum Thema: Fisch-Kochschule
Der Autor, Moderator und Kabarettist Dirk Stermann hat sich zum großen Abfischen in die Bio-Fischzucht Gut Hornegg in der Weststeiermark begeben. Dort hat er Hechte von Zandern, Barsche von Brassen und Welsen getrennt – und sie alle zubereitet. Gemeinsam mit der auf Gut Hornegg aufgewachsenen Kunsthistorikerin Christiane Kada hat er daraufhin ein Kochbuch geschrieben, das einen erfrischend unkomplizierten Einblick in die Zubereitung heimischer Teichfische gibt.
Christian Brandstätter Verlag, 208 Seiten, 29,90 Euro

Text von Sonja Hödl
Aus Falstaff 04/2012

Sonja Hödl
Autor