Debatte Topgastronomie: Titel ohne Mittel

Frank Grubers »Vincent« musste Insolvenz anmelden und auch andere Spitzenrestaurants kämpfen mit wirtschaftlichen Problemen.

Immer mehr Gourmettempel schließen oder geben ihre Sterne zurück – steckt die Spitzengastronomie in der Krise? Falstaff ging auf Spurensuche und traf auf überraschende Infos.

Das Wiener »Vincent« ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung, denn es ist trotz kulinarischer Erfolge in eine Insolvenz geschlittert. Seit 1973 betreibt Frank Gruber bereits das Restaurant. Es hatte in seiner Metamorphose vom Studentenlokal bis zum Gourmetrestaurant seine Höhen und Tiefen, erntete aber mit Köchen wie Harald Riedl, Meinrad Neunkirchner, Oliver Hoffinger und Peter Zinter stets viel Lob von der Fachpresse.

Seit einem Jahr ist nun Alexander Mayer für die Küche verantwortlich und hat dem »Vincent« zu bravourösen drei Hauben verholfen. Doch just mit der Verleihung der Hauben wurde bekannt, dass der wirtschaftliche Erfolg ausblieb und dass die Institution »Vincent« nach 41 Jahren durchgehenden Betriebs Insolvenz anmelden musste. Laut Alpen­ländischem Kreditorenverband (AKV) stehen Passiva von rund 1,1 Millionen Euro Aktiva von lediglich 80.000 Euro gegenüber. Patron Frank Gruber, der jetzt eigentlich schon lieber in Pension wäre, muss nun ein Ausgleichsverfahren über die Bühne bringen. Wehmütig erinnert er sich an die florierenden 80er-Jahre zurück, da »war das Geschäft bombig«. Doch heutzutage habe man es in der Gastronomie sehr schwer, besonders wenn man hochstehende Küche anbieten will. »Das mache ich nur aus Leidenschaft, nicht aus wirtschaftlichen Gründen«, sagt Gruber, der nun nach einem Investor sucht, der sowohl die Schulden als auch das Restaurant übernimmt. Wir halten die Daumen, dass das »Vincent« noch lange bestehen kann – zu Redaktionsschluss war das Restaurant wie gewohnt geöffnet und die Buchungslage vielversprechend.

Ein weiteres Negativbeispiel ist das leider verschiedene Restaurant »Novelli« des Gastronomen und Consulters Franz Haslauer. Das »Novelli« war beliebt und der heutige Unternehmer und Starkoch Konstantin Filippou erkochte dort sogar einen Michelin-Stern. Ein Jahr später war das Restaurant pleite und sperrte zu.

Es gibt Wirte, die bitten geradezu darum, von den Restaurantführern nicht in den Gourmetolymp gehoben zu werden, weil das viele Gäste eher verschreckt. In der Tat halten nur wenige Top-Restaurants über Jahre das Niveau und verdienen auch – ein bisschen – Geld. Denn reich werden die Reitbauers mit dem »Steirereck« oder die Brüder Obauer, um nur zwei der stabilen Highlights zu nennen, mit dem Restaurant nicht (eher mit Werbeverträgen...).

Daher bemühen sich etliche Erfolgsgastronomen erst gar nicht um Sterne. Paradebeispiel dafür ist Mario Plachutta mit seinen gleichnamigen Rindfleischtempeln. »Wirtschaftlicher Erfolg in der Gastronomie ist unbedingt notwendig, um dauerhaft beste Qualität bieten zu können! Kein Wirt kann nur vom Lob der Restaurantkritiker leben. Am Ende des Tages entscheidet auch nur der Gast, ob er ein gastronomisches Konzept goutiert oder nicht«, sagt ­Österreichs erfolgreichster Wirt.

Stellt sich also schlussendlich die Frage: Sind viele Hauben oder Sterne gar kontraproduktiv? Nützen sie mehr dem Koch als dem Wirt, der ihm diese Karriere erst ermöglichte? Restaurantführer und Gourmetjournalisten machen aus Köchen Stars. Aber wo bleiben die Wirte und ihre Erträge, die sie brauchen, um sich solche Stars auch in Zukunft leisten zu können? Sind wir am falschen Weg?

Text von Bernhard Degen / Wolfgang Rosam
Aus Falstaff Nr. 08/2014