Das Wiener Wirtshaus-Wunder
Christian Wanek, Wirt und Küchenchef in »Rudis Beisl«, ist bekannt für seine Klassiker aus der Wiener Küche, etwa ein echtes Gulasch.
© Herbert Lehmann

Christian Wanek, Wirt und Küchenchef in »Rudis Beisl«, ist bekannt für seine Klassiker aus der Wiener Küche, etwa ein echtes Gulasch.
© Herbert Lehmann
Italiener haben ihre Trattoria, die Deutschen ihre Kneipe und die Franzosen ihr Bistro. Und die Wiener haben ihr Beisl. Damit sind wir schon bei der ersten Besonderheit dieser gastronomischen Gattung. Sie steht in engem Zusammenhang mit einer Stadt – und nicht mit einem Land. Kurzum: Das Beisl gehört zu Wien wie das Kolosseum zu Rom.
Doch was ist nun ein typisches Wiener Beisl? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff, der bei vielen klischeehafte Assoziationen wie dunkle Wirtsstuben, deftige Hausmannskost und Kellner mit sprödem Charme hervorruft? Schwierig ist eine eindeutige Definition auch deshalb, weil sich diese gastronomische Gattung im Laufe der Zeit stark gewandelt hat. Waren es früher zumeist Lokale von simpler Art, so sind inzwischen sogenannte »Nobelbeisln« hinzugekommen. Und zwar sind das Wirtshäuser, die auch eine verwöhnte Klientel an Feinschmeckern versorgen.
Beginnen wir deshalb mit jenen Beisln, in denen das Essen die Hauptrolle spielt. In dieser Kategorie ist der »Grünauer« wohl eine Art Pionier. Brigitta und Martha Grünauer haben es schon vor Jahrzehnten verstanden, die Wiener Wirtshausküche so zu ver-feinern, dass es allen auffiel und auch jedem schmeckte. So wurde der Grünauer zu einem der ersten Edelbeisln der Stadt. Ein Glücksfall. Heute wird das Lokal von der jungen Generation geführt, die hohe Qualität der Küche aber ist geblieben.
Einen ähnlichen Kultstatus besitzt auch »Rudis Beisl« in der Wiedner Hauptstraße. Der Name stammt vom eigentlichen Gründer Rudi Stark, der das Gasthaus vor vielen Jahren an Christian Wanek verkauft hat. Und der versteht es, am Herd mit Gerichten zu überzeugen, die es nirgendwo besser gibt als in »Rudis Beisl«. Alle anderen Gründe für den großen Erfolg dieser Beisl-Ikone liegen vermutlich irgendwo im Atmosphärischen.
Das trifft auch auf die »3 Hacken« zu – ein Bilderbuchbeisl in der Singerstraße im ersten Bezirk. Schon allein die Fassade ist ein Paradebeispiel für alte Wiener Wirtshauskultur, die »3 Hacken« zählen zu den ältesten Gaststätten Österreichs. Im Laufe der Geschichte wurde dieses Juwel so behutsam renoviert, dass selbst kompromisslose Beisl-Puristen damit eine Freude haben. Und auch die Küche ist absolut empfehlenswert, egal ob Kalbswiener, gebackenes Bries oder Linsen mit Knödel. Zusätzliches Plus: Hier werden auch exzellente Weine serviert, was in den einfachen Wiener Beisln nicht immer der Fall ist.
Viele Feinschmecker und echte Beislgeher haben ihn noch in bester Erinnerung: den Herkner in Wien Hernals. Geprägt wurde dieses wunderschöne Beisljuwel durch den Wirt und Koch Heinz Herkner, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Er servierte in den 1980er-Jahren seinen Gästen eine Wiener Küche in einer Qualität, wie sie in der ganze Stadt höchst selten war. Nach seinem Tod wurde das charmante Edelbeisl zwar einige Zeit weitergeführt, an die Glanzzeiten von früher kam es allerdings nicht mehr heran. Vor einigen Jahren wechselten dann die Besitzer, die das Lokal von Grund auf umbauen ließen. Pächter sind seither Martin Pichlmaier und seine Ehefrau Christiane, beide erfahrene Gastronomieprofis. Und sie haben tatsächlich das geschichtsträchtige Haus wieder dorthin gebracht, wo es hingehört: in die Liga der besten Gasthäuser dieser Stadt. Mit einer herausragend guten Küche und einem entzückenden Innenhof, der sich gleich über zwei Etagen erstreckt.
Wer ganz spezielle Innereiengerichte mag, der sollte ins »Gasthaus Wolf« pilgern, dort sorgt Jürgen Wolf für außergewöhnliche Wirtshauskost. Wolf ist ein großer Anhänger von Rezepturen aus der klassischen k. u. k. Küche. Sein Kalbsrahmbeuschel ist sensationell, seine Kuttelgerichte sind besonders deliziös und ab und an lässt er den Unerschrockenen unter seinen Gästen auch verwegene Kompositionen wie gefüllte Schweinsohren oder Hahnenkämme servieren.
Selten gewordene Wirtshaus-Gerichte aus vergangenen Zeiten werden auch im »Haas Beisl« im fünften Bezirk serviert. Dort gehen die Inhaber sogar noch weiter und bieten den Gästen zum kulinarischen Faschingsausklang ein sogenanntes »Sautanz-Essen« mit dazu passenden Weinen (bis Mitte Februar). Dabei kommen Gerichte wie Hirn mit Nier’n, Abstechsuppe, hausgemachte Blunz’n, Bratwürs-te in verschiedenen Variationen, Kaiserfleisch und Hausg’selchtes auf die Karte.
Vielleicht nicht ganz so kompromisslos geht es im Gasthaus »Zur goldenen Kugel« zu, ein gutbürgerliches Gasthaus nahe dem AKH. Wohl auch deshalb zählen hier viele Ärzte zu den Stammgästen, die sich mit auffallend großem Vergnügen an Gerichten wie Hirn mit Ei oder einem gebackenen Kalbsbries delektieren. Schön, wenn man dabei bedenkt, dass sich Mediziner berufsbedingt mit den Details menschlicher Organismen beschäftigen.
Weniger traditionell und auch nicht ganz so innereienfixiert ist die Küche hingegen im »Schreiners« im siebenten Bezirk. Ein besonders empfehlenswertes Gasthaus ist es dennoch. Angela und Thomas Schreiner haben hier ein wahres Refugium geschaffen. Vorne die Gaststube mit schöner Holzvertäfelung, hinten ein verwunschener Garten, den man von außen nicht vermuten würde. Hier kann man sogar wohnen, die Schreiners haben besonders hübsche Zimmer mit Blick auf den Garten errichten lassen. Dazu eine Küche, die zwar in der klassischen österreichischen Wirtshausküche ihre Wurzeln hat, im Laufe der Zeit aber durch mediterrane Einflüsse stark erweitert wurde.
Ein wahres Kleinod der Wiener Gastronomie mit alter Beisl-Schank und dicker Patina ist das im besten Sinne gutbürgerliche Gasthaus »Ludwig van« in Wien Mariahilf. Das denkmalgeschützte Haus in der Laimgrubengasse ist einer der wenigen erhalten gebliebenen Orte, in dem gesichert ist, dass Ludwig van Beethoven eine Hofwohnung bewohnte. Inzwischen wird dort in einem unvergleichlichen Ambiente eine hochinteressante, weil wienerisch moderne Küche serviert. Wirt Oliver Jauk hat dafür Walter Leidenfrost gewinnen können, einen hochbegabten Koch, der von Jahr zu Jahr besser kocht und deshalb auch von der Gourmetkritik immer wieder mit Auszeichnungen überhäuft wird.
Auch der »Pfarrwirt« in Döbling zählt zu jenen Orten, die mit Beethoven zu tun haben. Der Komponist wohnte nebenan und war öfters im »Pfarrwirt« und im dazugehörigen Heurigen »Mayer am Pfarrplatz« zu Gast. Ob er dort auch komponiert hat, ist nicht überliefert. Fest steht hingegen, dass aus dem »Pfarrwirt« heute eines der schönsten Gasthäuser Wiens geworden ist, architektonisch ist dem Inhaber Hans Schmid damit ein großer Wurf gelungen. Besonders empfehlenswert sind auch die hauseigenen Weine, die zu den besten Wiens zählen.
Wenn es um das Wirtshauswunder Wiens geht, dann darf ein Name nicht fehlen: Plachutta – mit heute sechs Betrieben und einem Bekanntheitsgrad wie das Burgtheater. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.
Begonnen hat alles mit dem »Hietzinger Bräu« 1987, später kam »Plachutta Wollzeile«, zuletzt eine Gasthaus-Zweigstelle ganz in der Nähe der Oper. Man mag es nicht glauben, aber ausgerechnet in einer Stadt, in der das Gericht Tafelspitz schon seit jeher an jeder Ecke serviert wird und das ungefähr so bedeutend ist wie der Nationalfeiertag, ausgerechnet in so einer Stadt kommt irgendwann ein Koch namens Ewald Plachutta daher und kocht alle anderen mit Tafel-spitz und Co. an die Wand. Ein Schulter-Scherz der Geschichte.
Ein Imperium hat aber erst sein Sohn Mario Plachutta daraus gemacht. Das Konzept ist stets gleich geblieben: Rindfleischgerichte und österreichische Klassiker in konstant hoher Qualität. Wiener Systemgastronomie, wie sie besser nicht geht.
Wer übrigens denkt, die besten Gasthäuser Wiens befinden sich im Zentrum oder nahe dem Zentrum, der irrt. Nicht nur einige Plachutta-Filialen findet man außerhalb des Gürtels, es gibt auch noch jede Menge andere. Darunter Gasthausinstitutionen wie den »Eckel« in Sievering mit einem der schönsten Gastgärten Wiens, das »Steirerstöckl« in Währing oder der »Renner« in Nussdorf mit seinen übergroßen Gerichten. Ob Gulasch oder Beuschl, hier wird jede Speise in XXL-Größe serviert.
Besonders erwähnenswert: Der »Stasta« in Wien Liesing, also ganz weit draußen. Dort wird schon seit 1929 die Stellung gehalten, ein Bilderbuchwirtshaus, das sich nie von irgendwelchen Moden beeinflussen hat lassen. Mit anderen Worten: eine gastronomische Institution ohne Ablaufdatum.Typisch für Wien.
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