Das Terroir des Käses

Längst ist es selbstverständlich, beim Weineinkauf neben der Rebsorte auf Herkunft, Produzent und Qualitätsstufe zu achten. Dem Käse diese Aufmerksamkeit zu schenken lohnt sich ebenfalls – denn das Käseland Österreich hat viel zu bieten.

Noch immer ­wissen viele Konsumenten, die ­gelegentlich Käse einkaufen, kaum etwas über das Produkt – manche sogar nur, dass Milch im Spiel ist. Wir sind also weit davon entfernt, ähnlich wie bei Wein akribisch darauf zu achten, woher der Käse kommt und welcher Käser oder Bauer ihn gemacht hat. Doch wer den Versuch wagt und beginnt, sich dafür zu interessieren, wird rasch merken, wie sehr sich das lohnt.

Berg versus Flachland
Doch was sagt uns die Herkunft eines Käses? Ist es möglich, geschmacklich zu unterscheiden, ob er aus den Bergen oder dem Flachland kommt? Weinfachleute würden wohl nach der Definition eines bestimmten Terroirs fragen. Bei Käse ist dies etwas komplexer.  Der Kreislauf bewegt sich eng zwischen Pflanze, Tier und Mensch. Er beginnt bei der Artenvielfalt der Wiesen, woraus sich die Fütterung der Tiere ergibt. Im alpinen Gelände ist keine intensive Bewirtschaftung der Flächen möglich. Die oft steilen Hänge sind durch zahlreiche Schneisen, Bäche sowie Buschwerk und Wäldchen getrennt. Die Bauern haben nur die Möglichkeit, ihre Tiere im Sommer auf die Almen zu treiben und mit viel Handarbeit Heu für den Winter zu machen. Der Aufwand, hier viel Dünger auszubringen und zu versuchen, nicht nur zwei- oder dreimal, sondern mindestens viermal und öfter im Jahr zu mähen, würde sich niemals rechnen. Das hat den Vorteil, dass Blumen und Kräuter genug Zeit haben, um Samen zu bilden, die dem Bo­den wieder zugeführt werden und den Kreislauf ihres Wachs­tums erhalten. Sie verfügen über besonders viele Nährstoffe, die über die Qualität der Milch bestimmen. Ernähren sich die Milchtiere nur von Gras und Heu, also ohne zusätzliche Silage oder Kraftfutter, sprechen wir von Heumilchkäse. Diese besondere Milchqualität wird schon seit jeher als die beste Voraussetzung für die Herstellung von hochwertigem Käse ange­sehen. Umsichtige Bauern achten auch im Flachland auf einen moderaten Umgang mit den Ressourcen und lassen ihre Tiere im Sommer auf den Weiden grasen. Allerdings bietet sich auch die Möglichkeit, in großer Menge zu produzieren – hier liegt es am Hersteller, die Qualität zu wahren. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass in Österreich generell ein sehr hoher Standard im Umgang mit den Tieren und der Natur vorherrscht.

Milchsortenkunde
Weinexperten suchen neben der Qualität eines Weins auch immer nach seiner Sortentypizität. Da stellt sich doch die Frage, wie dies bei Milch gemacht wird. Ist es möglich, bei einer Verkostung zu erkennen, welcher Rasse die Kuh, das Schaf oder die Ziege angehört? So einfach geht es leider auch hier nicht. Natürlich ist die Milch am Gaumen den drei Tierarten zuordenbar. Doch innerhalb dieser sorgen vor allem deren Pflege und Fütterung für die geschmackliche und damit qualitative Unterscheidung ihrer Milch. Warum die Rasse der Tie­re von Bedeutung ist, hat mehr mit den örtlichen Gegebenheiten zu tun. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich manche Rassen eher an das raue Klima und das unwegsame Gelände der Berge angepasst. Andere wiederum kommen besser im Flachland oder mit heißen Temperaturen zurecht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Milch innerhalb einer Tierrasse nicht geschmacklich, sondern nur qualitativ unterscheidet. Sie kann dadurch aber sehr wohl Rückschlüsse auf das »Terroir«  zulassen – einem Gebiet lässt sich ihr Geschmack jedoch nicht eindeutig zuordnen. Dies ist wiederum im Käse möglich, der dies durch seine Machart und wie er affiniert ist, verrät. Roh­milchkäse ist generell aufgrund der besonders hohen Anforderungen an die Hygiene in der Produktion eine besondere Herausforderung für die Käsemacher. Und nur die größte Sorgfalt in der Produktion garantiert allen Käsefans Genuss von Rohmilchkäse ohne Reue.
 
Kuh, Schaf und Ziege
Rund 20 Prozent des heimischen Käses werden aus Schaf- und Ziegenmilch erzeugt – eine Zahl, der der Begriff Nischenmarkt nicht mehr gerecht wird. Zurückzuführen ist dies einerseits auf ein verstärktes Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten, andererseits auf die qualitative Arbeit der Hersteller, die diese Produkte immer beliebter machen. Dass diese Milcharten einen entsprechenden Einfluss auf den Geschmack bzw. die Charakteristik der Käse haben, ist ja Käseliebhabern bestens bekannt. Ziegenmilch etwa weist eine ähnliche Zusammensetzung wie Kuhmilch auf. Aufgrund ihrer spezifischen Eiweißstruktur ist sie sehr sensibel in der Verarbeitung. Vor allem bei der Dicklegung der Milch sind lange Erfahrung, Vorsicht und viel Gefühl gefragt. Schafmilch unterscheidet sich von Kuhmilch durch einen fast doppelt so hohen Gehalt an Milcheiweiß und Milchfett. Sowohl Ziegen- als auch Schafmilch sind nur saisonal verfügbar: Im Winter geben die Tiere keine oder nur wenig Milch, weil sie trächtig sind. Man spricht von der Laktationspause. Bei Kühen dauert diese »Auszeit« nur zwei Monate und tritt bei den Tieren zu unterschiedlichen Zeiten ein. Interessant ist der Vergleich der Milchleistung: Kann man bei einer Kuh mit 20 bis 25 Liter Milch pro Tag rechnen, so sind es bei einer Ziege nur drei bis vier und beim Schaf gar nur zweieinhalb bis drei Liter. Für die Herstellung eines Kilogramms Hartkäse werden rund 13 Liter Milch benötigt. Ist er aus Schaf- oder Ziegenkäse gewonnen, erklärt dies den Preisunterschied.

Der geschützte Ursprung
Käse ist nicht nur in seiner Herstellung ein sensibles Produkt, das sorgsamer Pflege bedarf. Genauso schützenswert sind ihre herkunftsbezogenen Markennamen. Die Europäische Kommission hat 1992 mit der Einführung der geschützten Ursprungsbezeichnung (g. U.) jeglichem Missbrauch einen Riegel vorgeschoben und für Geschädigte eine rechtliche Handhabe geschaffen. Neben der Definition der Herkunft sind darin Art und Verarbeitung der Milch sowie das Herstellungsverfahren eines Käses genau festgehalten.

Österreichischer Käse mit geschütztem Ursprung
Tiroler Alpkäse, Tiroler Graukäse, Tiroler Bergkäse, Vorarlberger Bergkäse, Vorarlberger Alpkäse und Gailtaler Almkäse.

Wer nun bei all dem Hintergrundwissen zu Käse Lust bekommen hat, einmal bei der Herstellung dabei zu sein, besucht am besten eine der österreichischen Schaukäsereien.

>> Zur Liste der wichtigsten Schaukäsereien

von Herbert Gundacker

aus Falstaff 04/2010