Das Kap der guten Weine

Durch die Fußball-WM im Juni rückt Südafrika ins Zentrum des weltweiten Interesses. Zu den Fernsehbildern können wir uns schon jetzt die passenden Tropfen ins Wohnzimmer holen: Es gilt, grandiose Weine vom Land am Kap zu probieren.

Südafrikas Weinbau erlebte nach dem Ende der Apartheid einen enormen Aufstieg, an dem eine Handvoll qualitätsvernarrter Önologen und Visionäre beteiligt war. Als Region steht Stellenbosch bis heute unter den vielen Anbaugebieten unangefochten an erster Stelle.

Südafrikas Weingeschichte begann mit einem farbigen Champion: Simon van der Stel. Zwar hatte Jan van Riebeeck, der erste holländische Kommandant am Kap, dort bereits Rebstöcke gepflanzt und – vor mehr als 350 Jahren! – 1659 den aller­ersten Wein gekeltert, aber sein Nachfolger war von anderem Kaliber. Van der Stel war der Sohn eines Beamten der Niederländischen Ostindien-Kompanie und der Tochter einer befreiten indischen Sklavin (eine zu Apartheidzeiten unterschlagene Tatsache). Er erkannte die Eignung der Kapregion für Weinbau, förderte dessen Ausweitung und wurde selbst – entgegen den Verordnungen der Kompanie – deren größter und bedeutendster Winzer.

Constantia
Er schanzte sich – nach systematischen Bodenproben – ein spektakuläres Gelände an der False Bay zu: Constantia. Während die holländischen Bauern mehr schlecht als recht Wein kelterten, um ihn mit anderem Proviant an die nach Indien segelnden Schiffe zu verscherbeln, war van der Stel mit verblüffender Akribie in Weinberg und Keller bestrebt, aus Muscat de Frontignon einen Grand Cru zu erzeugen – durchaus mit Erfolg. Doch den Ruhm ernteten Hendrik Cloete und dessen Sohn, die dem ersten Gouverneur des Kaps als Winzer nachfolgten. In ihren Händen wurde der Vin de Constance zum ersten Kultwein der Neuen Welt.

Absatzkrisen, Reblaus und Diktatur
Von 1688 an brachten französische Hugenotten mehr Wein-Know-how ans Kap, doch Absatzkrisen und die Reblausepidemie Ende des 19. Jahrhunderts setzten dem südafrikanischen Weinbau schwer zu. Im 20. Jahrhundert verlagerte man sich unter der Diktatur der 1918 gegründeten Kooperatiewe Wijnbouwers Vereeniging (KWV) auf die Erzeugung von Süßweinen im Sherry- und Portstil sowie Brennweinen für die gigantische Brandyproduktion. Zwar füllten Pioniere in den 1970er- und 1980er-Jahren erste überzeugende Rotweine ab, aber der Startschuss für den modernen südafrikanischen Wein fiel erst 1992, als das Quotensystem und die Allmacht der KWV abgeschafft wurden.

Vorzüge beider Welten
Weinbau in Südafrika bei SonnenuntergangIn den letzten nicht einmal zwanzig Jahren haben die Südafrikaner ihrem Wein ein völlig neues Gesicht gegeben. Unter dem Motto »diversity is in our nature« (Vielfalt liegt in unserer Natur) haben sie mit bewundernswerter Dynamik ihre virusverseuchten Weinberge erneuert, neue Weinregionen entdeckt, Terroirs aufgespürt, integrierten Anbau und Naturschutz in ihre Arbeitsweisen einfließen lassen und ihr Weinangebot neu strukturiert und erweitert. Heute wird die Qua­litätspyramide am Kap von einer beachtlichen Zahl großer Gewächse angeführt.
Die Weine Südafrikas haben ihren eigenen Stil. Sie unterscheiden sich durch optimalere Traubenreife deutlich von Weinen aus Bordeaux. Andererseits werden sie auch von den Einflüssen der Ozeane geprägt und geraten weniger mächtig und überreif als vieles, was aus Südamerika oder Australien kommt. In den besten südafrikanischen Weinen vereinen sich die jeweiligen Vorzüge der Alten und der Neuen Welt.

Kanonkop
Bei Südafrika denkt man in erster Linie an Rotweine. Jene von Kanonkop sind Weinkennern schon lange ein Begriff. Die ersten großen Roten stammen aus dem Jahr 1973. Die Klasse der drei Spitzenweine – die Blend »Paul Sauer« sowie ein sortenreiner ­Cabernet Sauvignon und ein Pinotage – rührt in erster Linie vom ­Terroir her. Die 100 Hektar Rebflächen liegen zu Füßen des ­Simonsbergs bei Stellenbosch. Granitverwitterungsböden mit hohem Tonanteil geben den Weinen Struktur und hohes Alterungs­potenzial. Vergoren wird die Maische in offenen Zementbecken, in denen das Kellerteam die aufsteigenden Beerenschalen mit langen Stöcken zurück in den Most stößt: jede zweite Stunde eine Stunde lang – fünf Tage und Nächte beim Cabernet. Dann hat der Wein die optimale Extraktion erreicht, sozusagen im Schnellverfahren: beste südafrikanische Tradition. Ausgebaut wird bis zu 24 Monate lang in französischen Barriques, wie es sich für Grands Crus gehört.

Rustenberg
Ein anderer Klassiker auf höchstem Niveau ist Rustenberg. Der Schönheit des Guts kann man nicht widerstehen. Von gepflegten Rasenflächen umgeben und von enormen Eichen gesäumt, stehen die historischen kapholländischen Gebäude vor der imposanten Kulisse des Simonsbergs. Die über 160 Hektar Reben auf den Berghängen wurden weitgehend mit virusfreien Stöcken erneuert. Im Keller führt Randolph Christians seit 2007 Regie und hat dort seit 1995 ein motiviertes Team von »cellar hands« aufgebaut. »­Peter Barlow« ist und bleibt das Aushängeschild dieses Superguts – ein Cabernet Sauvignon aus einer einzigen Parzelle –, gefolgt von der komplexen Bordeaux-Blend »John X Merriman«.

Die Roten von Kanonkop und Rustenberg sind Paradebeispiele für die Klasse, die Weine aus den Bordeauxsorten am Kap erreichen können: Es sind Tropfen mit intensiver, reifer Beerenfrucht, rauchiger Würze und Zedernote, raffiniertem Tannin und mit einer festen, eleganten, auf Alterung angelegten Struktur – ideal für große Anlässe.

Pinotage
Die Weinbauern widmeten Südafrikas eigenständiger Rebsorte, dem 1925 von Professor Pezold aus Pinot Noir und Cinsaut gezüchteten Pinotage, der die reizvolle Frucht des Ersteren mit der Robustheit der mediterranen Sorte verquickt, früher wenig Aufmerksamkeit. Nach einem vernichtenden Urteil einer Gruppe der Masters of Wine war sie ab 1976 vollends in Misskredit geraten. Ihre Ehrenrettung vollzog Beyers Truter, früher Winemaker auf Kanonkop. Er setzte auf Pinotage und wurde 1991 in London zum »International Winemaker of the Year« gekürt. Seither führt Beyers einen Feldzug für den Pinotage. Eine wunderbar süße, komplexe Frucht mit typischer Bananennote, gute Würze, sanfte Tannine und samtige, dichte Textur gewinnt er aus dieser Rebsorte. Herausragend ist der nach Truters Rüden benannte »Diesel«. Und dieser ist kein Einzelfall. Inzwischen gibt es viele ausgezeichnete sortenreine Pinotage-Weine oder Cape Blends, in denen die Sorte prägend mitmischt.

Syrah
Shiraz/Syrah löst inzwischen einhellige Begeisterung bei Winemakern und Winefreaks aus. Nicht wenige Wineries konzentrieren sich in letzter Zeit, was Rotwein angeht, in erster Linie auf die Rhône­sorte, ob im Basis- oder im Topend-Bereich. Auf dem Hartenberg Estate hat sich Winemaker Carl Schultz mit Shiraz an die Weltspitze katapultiert, vor allem mit dem seidig-samtigen und doch mineralischen »The Stork« von lehmhaltigen Terrarossa-Böden und dem außerordentlich dichten »Gravel Hill« mit großartiger Textur von eisenhaltigem Steinkonglomerat: ein beredter Beweis für Terroir­philosophie.

>> Aktuell erhältliche Weine vom Kap: Verkostungsnotizen und Bewertungen

von André Dominé

Die ganze Story lesen Sie im Falstaff 02/10

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