Daniel Boulud: Ein Franzose in New York

In den frühen 1980er-Jahren zog es den jungen französischen Koch nach Amerika, 1992 eröffnete er sein erstes eigenes Restaurant »Daniel«. Heute ist er ein berühmter Küchenchef, Buchautor, Fernsehstar und Multigastronom.

Im »Daniel« an der Upper East Side hat der österreichische Fotograf Thomas Schauer sein Equipment aufgebaut. Dort schießt er einige Bilder für Bouluds neues Kochbuch »Daniel Boulud: My French Cuisine«. Schauer kennt Boulud gut und beschreibt den Franzosen als sehr genau, mit klaren Vorstellungen und eindrucksvollen Managerqualitäten. Gleichzeitig sei er freundlich, unprätentiös und großzügig. Zwischen den beiden hat sich eine Freundschaft entwickelt, die auch positiv für die Arbeitsbeziehung sei, sagt Schauer.

Boulud sieht das ähnlich: »Es ist mir wichtig, mit verlässlichen und professionellen Menschen zu arbeiten. Thomas und ich haben ähnliche Vorstellungen, und ich kann ihm voll vertrauen. Seine Arbeit ist facettenreich, und er hat viel Geduld.« Die braucht Schauer, denn Boulud lässt es sich nicht nehmen, auch am Kreativprozess mitzuarbeiten.

Er weiß, was er will

Chef Boulud hat klare Vorstellungen, die er dem Team auch deutlich mitteilt. Bei ihm wird nichts dem Zufall überlassen, das Endprodukt muss seinen hohen Anforderungen stets standhalten. Er ist ein Mann, der weiß, was er will, und der es mit Talent, Fleiß und der ständi­gen Arbeit an der Qualität seiner Leistung auch erreicht hat. Der amerikanische Traum ­sozusagen.

Erfolgsgeschichte
»Amerika hat mir viel gegeben«, sagt Boulud, »ich liebe New York und die Amerikaner und habe hier im ›Daniel‹ das Epizentrum meines Lebens aufgebaut.« Boulud hat viel erreicht. Er ist gefeierter Chef von zwölf Restaurants (allein sieben in New York) und über 750 Mitarbeitern. Er erkochte in seinem Upper-East-Side-
Restaurant »Daniel« drei Michelin-Sterne und die Relais-&-Châteaux-Mitgliedschaft. Durch seine regelmäßigen Auftritte im amerikanischen Fernsehen wurde er berühmt. Und Dan Brown hat ihn mit dem Buch »Das verlorene Symbol« sogar in der amerikanischen Literatur verewigt.

Schon in den 1980er-Jahren erreichte der Franzose als Küchenchef des »Le Cirque« Kultstatus. Mit dem »Daniel« legte er schließlich den Grundstein für sein kulinarisches Imperium. In den USA wird er gerne als der »amerikanischste« unter den französischen Köchen bezeichnet, ein Blick auf die Menüs seiner Restaurants zeigt aber die tiefe Verbundenheit mit seinen französischen Wurzeln und der europäischen Tradition.

Boulud als Buchautor
Acht Bücher sind von Boulud bereits er­schienen, mit »My French Cuisine« nimmt Boulud sein ­Publikum mit auf die Reise in seine französische Heimat. Und zwar sprichwörtlich, denn für die Produktion des Kochbuchs begab sich der Boulud-Tross nach Frankreich, um mit ­Lieferanten und alten Weggefährten zu plaudern und die saisonalen Produkte zeitgerecht zu fotografieren. Über ein Jahr arbeitete Per­fektionist Boulud mit seinem Team an diesem Werk.

»Alle Bücher habe ich geschrieben, um meine Ideen und Konzepte für die Leute zu Hause erlebbar zu machen. Ich bin immer auf der Suche nach den besten Produkten und dem besonderen ­Geschmack und habe vor 20 Jahren begonnen, Kochbücher zu schreiben. Mein neues ist das erste, das ich im ›Daniel‹ produziere. Ich kehre damit zu meinen Anfängen zurück und fange gleichzeitig den Geist dieses Lokals ein. Dieses Restaurant bin wirklich ich, es ist das Epizentrum meines Lebens. Es ist eine schöne Gelegenheit, das 20-jährige Bestehen und die lange Arbeit mit meinem Team zu feiern«, ­erzählt der Starkoch.

Das elegante ­»Daniel« in New York ist ein ­bevorzugter Treffpunkt der Upperclass / Foto: Eric Laignel
Das elegante ­»Daniel« in New York ist ein ­bevorzugter Treffpunkt der Upperclass.

Amerika als Teil seiner Küche
Das »Daniel« ist sein Flaggschiff und ganzer Stolz, seine Schaltzentrale. Das kürzlich renovierte Lokal strahlt Eleganz und vornehmen Glamour aus. Es ist eines von nur fünf Restaurants in Manhattan, die die »New York Times« mit der Höchst­auszeichnung von vier Sternen bedacht hat. 

Nach seiner »persönlichen Handschrift« ­gefragt, gibt sich Boulud bescheiden: »Ich bin ein Franzose aus Lyon und habe in den 1970ern bei französischen Köchen gelernt, das hat mich geprägt. Nun lebe ich in New York und habe Amerika in mich und meine Küche aufgenommen, diese Mischung macht mich aus.« Heimweh nach Europa scheint ihn nicht zu plagen, denn nach der Eröffnung der »Bar Boulud«, eines Bistros mit Weinbar in London, ist für Europa erst mal Schluss. »Die französische Küche ist speziell und nicht so populär wie die italienische, die auf der ganzen Welt beliebt ist«, sagt Boulud, »im Moment gibt es keine weiteren Pläne für Europa. Es ist auch immer eine Frage des Geschäftsmodells und der Finanzierung; ich muss eine Unternehmensgruppe managen und das ist kostspielig. Meine Leute und ich sind ständig unterwegs und kümmern uns um dieses Unternehmen. Es arbeiten etwa 750 Menschen für unsere Gruppe, davon etwa 20 im Top-Management. Ich selbst bin immer irgendwo in der Mitte, und manchmal gehe ich auch ›ver­loren‹. Dann ziehe ich mich in mein Apartment zurück, mache die Tür hinter mir zu und bin für niemanden zu sprechen. Aber tatsächlich bin ich jeden Tag des Jahres im Einsatz, sehe in den Restaurants nach dem Rechten oder kümmere mich um meine anderen Projekte.«

Weißwurst und Bier
Wenn Boulud zwischendurch die Gastronomieszene beobachtet, erlebt er immer noch Überraschungen. Im Moment überrascht ihn etwa, dass alle versuchen, dem Erfolg von »Shake Shack«, einer Art Kette von mobilen Burger-Ständen in New York, nachzueifern. »Wirklich, das verstehe ich nicht.« Hier spricht der Manager eines Gastronomie-Imperiums aus ihm. Auf erfreulichere Erlebnisse angesprochen, wird er wieder zum Gourmet. »Ich habe erst kürzlich in München den ›Internationalen Eckart Witzigmann Preis 2011‹ erhalten und war mit Witzigmann, Winkler und Haas im ›Tantris‹ essen. Davon habe ich geträumt, seit ich ein junger Koch war – und es war wirklich fantastisch. Am nächsten Morgen habe ich mit den Herren noch eine Weißwurst gegessen und ein Bier ­getrunken, das musste einfach sein. Meinen ­Eltern habe ich sogar einen Tantris-Christ­stollen nach Frankreich mitgebracht.«

Wohlfühlen
Solche Erlebnisse wünscht er auch seinen ­Gästen. »In erster Linie sollen meine Gäste ­wissen, dass sie willkommen sind, und sich wohlfühlen. Das gilt für all meine Lokale, egal ob es das ›Daniel‹ ist oder ein anderes. Vornehme Restaurants sind für viele Menschen oft Barrieren; ich will aber nicht, dass meine Gäste sich unsicher fühlen. Sie sollen sich entspannen und genießen. Das ist in New York oft nicht leicht, diese Stadt ist hektisch und laut. Meine Restaurants sollen darin eine Oase der Schönheit und der Entspannung bieten, die aber trotzdem noch den Geist dieser unglaublichen Stadt widerspiegelt. Es gibt dazu schon lange eine französische Tradition hier, zum Beispiel mit dem ›La Caravelle‹ oder dem ›Côte Basque‹, die es jetzt nicht mehr gibt. Diese Tradition wird ­heute in moderner Form weitergeführt, von meinem ›Daniel‹, aber auch etwa vom ›­Jean-Georges‹ oder von ›Le Bernardin‹.«

Die Qualität muss stimmen
Boulud hat kein Problem, die Konkurrenz zu loben, wenn das Lob verdient ist. Er stellt hohe Ansprüche an die Küche, ist aber auch mit Einfachem zufrieden, solange die Qualität stimmt. Das zeigt sich auch in seinen sieben ­Res­taurants, die von Spitzenküche (»Daniel«) bis zur Wurstparade (»DBGB« bietet 14 Sorten hausgemachter Würste) alle Stückerln spielen. Der American Dream sozusagen.

Rezepttipp
Bouluds raffiniertes Signa­ture Dish im »Daniel«: Rippen in Rotweinsauce

Text von Daniela Ebeert
Aus Falstaff Nr. 02/2012

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