Da kommt das Schnitzel nicht mit

Im Interview mit Falstaff verrät Philipp Vogel – Schüler des großen Dieter Müller und Küchenchef des Restaurants »Edvard« im Wiener Kempinski – warum und auch wieso er keine Sterne will.

FALSTAFF: Was für ein Gefühl ist das, als Köl­­ner in Wien eine Wiener Spezialität zu kochen?
Philipp Vogel: Ein gutes Gefühl. Es macht mir Spaß, Beuschel zu machen. Ich habe schon in meiner Lehrzeit oft Innereien gekocht. Und ich kenne Tricks von meiner Großmutter aus Bayern. Ich gebe Saft von den Gurken in die Sauce – für die Säure.

Der Kölner hat ja den Ruf, fröhlich zu sein, der Wiener den Ruf, zu nörgeln. Ist das so?
Alle haben vorher gesagt, die Wiener mäkeln an allem herum. Ich habe das Gegenteil erlebt. Sie sind kritisch, aber nett und humorvoll. 

Wie finden Sie Wien als Stadt?
Geil! Eine tolle Stadt. Sie hat alles. Ich bin Kölner und liebe meine Stadt und will ­irgendwann auch zurück – aber derzeit ist Wien das Nonplusultra. Aber es gibt keine Büdchen hier, die typi­schen Kölner Kioske... Dafür gibt es Würschtler, wo man abends noch seine Käsekrainer isst und sein Dosenbier trinkt. Man nimmt aus jeder Stadt etwas mit. Aus Köln die Büdchen, aus Hamburg die Tanke, aus Shanghai die Nudelsuppen-Stände.

Wie ist es, für eine Hotelkette wie Kempinski zu arbeiten?
Hotelgruppen waren immer ein No-Go für mich. Hyatt, Hilton, Sheraton. Da gibt es das Goldene Buch, in dem steht, wie alles gemacht wird. Das Clubsandwich ist überall gleich. Dann kam Kempinski. Die haben mich begeistert. Wir wollen Erlebnisse ­schaffen, Gastronomie neu erfinden, Restaurants auf die Beine stellen, die einzigartig sind.

Das Auge isst mit: Schellfisch mit Rotkraut und Pomelo / © Thomas Smetana


Sie haben Talent für Marketing. Aber lassen Sie uns über Sie sprechen. Sie werden als Shootingstar gehandelt. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Ich bin kein Shootingstar, sondern Kopf einer Mannschaft. Wenn einer meiner Jungs sich eine tolle Sache ausgedacht hat und ein Gast fragt, dann sage ich das auch. Am Ende kriege ich aber die Kritik ab, also möchte ich auch das Lob ent­gegennehmen und teile es aber wieder mit meinem Team.

Was sind die Erwartungen an Sie?
Ich bin nicht eingestellt worden, um Sterne zu erkochen. Die wollen, dass ich Geld verdiene. Und dass ich junge Leute ausbilde, die wir in der Gruppe einsetzen können. Ich hatte immer Förderer. Es gibt viele gute junge Köche, die nicht so viel Glück hatten. Da kann ich etwas zurückgeben. Für die ­Untalentierten, die nur Tim Mälzer geguckt haben, ist hier aber kein Platz.

Was möchten Sie persönlich erreichen? Drei Sterne?
Ich will weiter mit Spaß zur Arbeit gehen. Das ist so, als ob ein Fußballer sagen würde, er ­wolle nicht Weltmeister werden ... Klar ist der Anspruch da, das Beste zu erreichen. Ich würde statt drei Sternen lieber ein gutes Szenelokal in Köln besitzen, wo man auf Sterneniveau isst, aber nicht den Druck hat. Zu viel Druck verdirbt den Spaß.

Sieht sich selbst nicht als Shootingstar, sondern als Kopf einer Mannschaft: Philipp Vogel / © Thomas SmetanaDer »Gault Millau« gibt Ihnen nur 15 Punkte und sagt, die versuchen dort im »Kempinski« auf krampfhafte Art, anders zu sein.
Das hat uns geärgert. Und wir haben es ernst genommen.

Es gibt nur wenige Köche, die einen so individuellen Stil haben, dass man weiß: Dieser Teller muss von ihm sein. Was macht Ihren Stil aus?
Weg vom Verschnörkelten. Wir reduzieren uns auf das Produkt. Zum Beispiel Lamm mit Petersilie. Blattpetersilie, Wurzel, Lamm­rücken, Schulter. Das »Edvard« ist saisonal, ­regional, mit einem internationalen Twist, was die Techniken und die Gewürze betrifft.

Auf der Karte ist Österreich nur bei Vor­spei­sen und Desserts. Ansonsten Asien, Vorderer Ori­ent, Mittelmeer. Was sagen Sie einem ­Esser, der klagt: Das ist Globalisierungs-Durcheinander, Fusion, dass einem schwindlig wird...
(Lacht) Es liest sich immer anders, als es schmeckt. Klar ist da eine Internationalität drin. Das liegt daran, dass ich in Großbritannien und China gelebt habe. Man bringt als Koch immer etwas mit.

Kann man dem »Das macht ja jeder« überhaupt entgehen?
Man kann nur einer der ersten sein und muss dann schnell etwas anderes machen. Auch das birgt Probleme. Wie soll ich einen Stil entwickeln, wenn ich mich alle Naslang neu erfinden soll?

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Ihnen?
Das kommt einem ja schon aus den Ohren raus. CO2-Emissionen! Für mich ist es nachhaltig, wenn ich die Region einbinde. Warum Rind aus den USA oder Japan, das kann der ­Österreicher auch. So kommt man weg vom »Geiz ist geil«.

Ein Gericht aus Vogels Küche: Schweineschwänzchen mit Melanzani im BBQ-Stil / © Thomas SmetanaWarum haben Sie kein vegetarisches Menü?
Das wird nicht nachgefragt. Ich bin ehrlich: Ich bin kein Vegetarier, deswegen fällt es mir schwer, vegetarisch zu kochen. Aber natürlich kochen wir auf Wunsch vegetarisch, und ich nehme das dann als Herausforderung.

Welche Ihrer Lehrer haben Sie am meisten geprägt?
Erhard Schäfer im »Börsenrestaurant«. Er hat mir gezeigt, wie man eine Küche organisiert. Und Dieter Müller. Er hat eine unglaubliche Stimmung geschaffen. Ich habe noch nie so viel gelacht in einer Küche.

Haben Sie noch Vorbilder?
Ja. Alain Ducasse. Er setzt nicht nur als Koch seinen Stil um. Er ist auch Manager und hat eine Weltmarke geschaffen. Eines meiner toll­sten Erlebnisse war ein Essen bei ihm in London. So simpel, so pur, so viel Geschmack.

In den vergangenen 13 Jahren haben Sie an neun Orten in fünf Ländern gearbeitet. War diese Wanderschaft nicht anstrengend? Ich denke an Familie und Freunde...
Heutzutage ist man mit allen gut verbunden, ob nun durch Facebook oder Skype. Ich habe zwei Freunde in Köln. Wenn ich mit ihnen spreche, ist es so, als sähen wir uns jeden Tag. Eine Partnerschaft ist allerdings zu Bruch ­gegangen. Ich muss immer in Bewegung sein, brauche immer wieder etwas Neues.

In immer mehr Restaurants sieht man Praktikanten, die manchmal nur für die »Ehre« arbeiten. Werden diese Leute ausgenutzt?
Ich bin da »old school«. Wer bei uns arbeitet, soll anständig Geld verdienen.

Ihr Lieblingslokal in Wien?
Es ist ein Klischee – aber ich gehe gerne ins »Plachutta«. Da gibt es den besten Tafelspitz. Und ich liebe das Frühstück im »Café Prückel«. Das wirkt ein bisschen ­heruntergekommen, und die Kellner kombinieren Unverschämtheit mit Wiener Charme.

Kann Ihr Wiener Lieblingsessen Ihr Kölner Lieblingsessen schlagen?
Mein Lieblingsessen hier ist Wiener Schnitzel. Das ist um drei Stufen besser als woanders. In Köln habe ich viele Lieblingsessen: Rievkooche, Blutwurst, Sauerbraten vom Pferd – da hat das Schnitzel keine Chance.

Interview: Christoph Teuner  
Fotos: Thomas Smetana
Aus Falstaff Nr. 05/2014 bzw. Falstaff Deutschland 06/14

Christoph Teuner
Christoph Teuner
Redakteur