Das Gericht namens Osso buco lässt sich aus dem Italienischen als »Knochen mit Loch« übersetzen.

Das Gericht namens Osso buco lässt sich aus dem Italienischen als »Knochen mit Loch« übersetzen.
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Cortis Küchenzettel: Markknochen

Warum die Wissenschaft inzwischen vermutet, dass gerade Markknochen einen wesentlichen Anteil an unserer Menschwerdung hatten. Und wie sie als Osso buco ganz besonders gut schmecken.

An einem kraftvollen Knochen nagen und nuckeln – das ist ein Spaß, dem sich keineswegs nur Raubtiere hingeben sollten. Vor allem wegen des souveränen Geschmacks, aber nicht nur. Die Denkkraft kann nämlich auch profitieren – aber dazu später mehr.

Alle guten Köche wissen, dass jenes Fleisch das tollste ist, das langsam geschmort wurde, bis die Kollagene des Beins sich aufs Saftigste mit der Muskelkraft des Fleisches verbinden. Was am Knochen garen durfte, bringt einfach mehr Geschmack zusammen.

Markknochen für die Gehirnentwicklung

Rehschulter, Lammschlögel, Beinfleisch oder Kalbshaxe: Das sind Gerichte, die uns jetzt, wo uns die Frühjahrsmüdigkeit in den Knochen sitzt, mit der nötigen Urkraft befeuern. Osso buco, was sich aus dem Italienischen als »Knochen mit Loch« übersetzen lässt, nimmt dabei eine besondere Stellung ein. In Scheiben gesägt, wie das in der Lombardei seit jeher üblich ist, gibt die Kalbshaxe nämlich ihr Mark frei, jene hoch konzentrierte, fettreiche Substanz, die nicht zufällig als Kraftnahrung schlechthin gilt.

Aufs Erste mag das wie eine Aufforderung zur Zelebration archaischer Riten klingen – und das ist es auch: Tatsächlich sind so gut wie alle Markknochen, die in prähistorischen Wohnstätten gefunden wurden, aufgeschlagen und ausgesaugt worden. Denn die Eiweiß-Zusammensetzung von Knochenmark ist ganz besonders wertvoll. Und die Wissenschaft ist überzeugt, dass dieser Umstand auch unseren Vorfahren nicht entgangen ist. Sie schließt daraus sogar, dass die hochwertige Energie aus den Markknochen von Säugetieren ganz entscheidend für die Ausbildung jener Art von hoch entwickeltem Gehirn gewesen sei, das die Entstehung unserer Spezies überhaupt erst ermöglicht hat.

Osso buco nach klassischem Rezept

Nach klassischem Rezept wird Osso buco in Weißwein geschmort und vor dem Servieren mit Gremolata, einer Mischung aus gehackter Petersilie, Knoblauch, Zitronenschale und Sardellen, bestreut, welche die extreme Reichhaltigkeit des Marks ein wenig auffangen soll. In nebenstehendem Rezept verwenden wir dafür scharfe Senfsprossen und Apfelessig statt Weißwein. Ein Großteil der Apfelessig-Säure verflüchtigt sich während der Schmorzeit; was übrig bleibt, setzt einen köstlichen Kontrapunkt zum Knochenmark.

Gesägte Kalbshaxe muss vorbestellt werden, weil sie für einen sauberen Schnitt im Idealfall gefroren sein sollte. Achten Sie darauf, dass Ihnen der Fleischer keine Stücke andreht, die im Wesentlichen aus Knochen und Knorpeln bestehen – nach hinten hin wird der Knochen der Haxe nämlich derart massiv, dass das Fleisch rundherum nur noch in Spurenelementen vorhanden ist. Das mag zwar gut für die Kraft des Schmorsafts sein, aber ganz schlecht für jenen, der just so ein Stück auf den Teller geladen bekommt.

ZUM REZEPT​​​​​​​


Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2021

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Severin Corti
Severin Corti
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