Cortis Küchenzettel: Mango-Erscheinung

Warum die ersten Alphonso-Mangos bei Severin Corti unanständige Frühlingsgefühle wecken.

Mango-Feti­schisten und andere Freun­de des guten Geschmacks haben Grund zu feiern: Die Alphonsos sind wieder da! 
Wer es nicht weiß: Alphonso 
ist eine ausschließlich in Indien und Pakistan kultivierte Mangosorte, die Ende März reif wird und nur wenige Wochen im 
Jahr in gut sortierten Asia-Shops und auf den Märkten – nur 
selten in Supermärkten – zu haben ist. Wegen ihres intensiven Geschmacks gilt sie unter Kennern als absolute Königin der Mangos. Die Art, wie sich die für gute Mangos typische Harzigkeit in ihrem Fall mit prägnanter Säure, überbordender Süße und dem gewissen, unwiderstehlichen Moschuston im Abgang verbindet, macht sie unvergleichlich. Vergangenes Jahr hatte die EU ganz kurz vor Erntebeginn ein Importverbot gegen indische Alphonsos erlassen, weil sich in manchen Proben Larven einer Fruchtfliegenart gefunden hatten, die europäische Salaternten gefährden hätte können – ein Drama für ihre Fans auf dem alten Kontinent.

Dieses Importverbot gilt zum Glück nicht mehr, weshalb einer frühlingsfrohen Orgie mit den tiefgelben, vor Saft förmlich explodierenden Früchtchen dieses Jahr nichts im Wege steht. Schließlich ist dies die schlimmste Zeit im Jahr, was Obst und Früchte betrifft: Heimisches Lagerobst wird von Woche zu Woche unattraktiver, gleichzeitig aber wird es noch Monate dauern, bevor mit den ersten heimischen Erdbeeren wieder akut ­frische Herrlichkeiten verfügbar sein werden. In diesem Vakuum sind tropische Früchte wie die Mango für Obstfreaks essenziell – auch wenn moralische Bedenken aufgrund des CO2-Rucksacks nicht ganz von der Hand gewiesen werden können. Gerade bei Mangos trifft das aber nur begrenzt zu: Im Gegensatz etwa zu Ananas reifen sie nach der Ernte gut nach und müssen deshalb nicht unbedingt im Flieger transportiert werden, um ein Maximum an Aroma und Lebensfreude mit eingepackt ­
zu bekommen.

Die wohl beste Art, sich mittels einer Alphonso eine unanständig hohe Dosis erhebender Frühlingsgefühle zu verpassen, geht wahrscheinlich so: Man hole sich beim Asia-Shop seines Vertrauens ein paar Alphonsos, suche sich an einem sonnigen Frühlingstag eine anmutig gelegene Parkbank, welche idealerweise in Rufweite eines Brunnens oder zumindest Wasserhahns gelegen ist, und zücke das stets mitgeführte Taschenfeitl. Der Brunnen ist vonnöten, um sich nach der Orgie die Hände und das Gesicht zu waschen – wer danach noch einen Termin hat, könnte auch einen Trenzpattel oder zumindest eine große Ser­viette gut brauchen.

Wer je die Freude hatte, eine Mango von der Hand in den Mund zu essen, der weiß, wovon die Rede ist: Es handelt sich um ein alles andere als sauberes ­Vergnügen. Aber schmutzig ist bekanntlich schön: Spätestens mit dem ersten Bissen wird der Hypothalamus mit Glückshormonen geflutet, sodass man gar nicht weiß, wohin mit seiner Lebensfreude. Dass einem die köstlichen Säfte bei dieser Art des Mangokonsums das Kinn hinunterfließen, mag nicht gesellschaftsfähig sein – gehört aber zum Wesen einer Orgie und erhöht die Freude erheblich.

Wenn dieses Ritual einmal erledigt und der Frühling mit allen Ehren begrüßt wurde, kann man zur Tagesordnung übergehen und sich überlegen, wie die Alphonsos in elaborierteren Gerichten für Wohlbehagen sorgen können. Die Kombination mit Chili ist klassisch für Thailand, Rosmarin akzentuiert die harzige Note, Gurke konterkariert den schwülen Unterton vollreifer Mangos und bietet einen netten Kontrast – der untenstehend beschriebene Salat vereint das alles auf unkomplizierte Weise. Eine aufwändigere, aber wahrhaft großartige Mango-Spiel­wiese hat Yotam Ottolenghi 
mit einem unter Mango-Adep
ten längst legendären Rezept geschaffen, in dem er kühle Soba-Nudeln mit frischen Kräutern, einer Idee Zwiebel und der wunderbaren Kombination aus schmelzig gebratener Melanzani und roher Mango vereint. Die Herstellung dieses Salats ist nicht gerade zeitsparend – wer es einmal probiert, der wird sich die Prozedur aber immer wieder antun wollen. Schmeckt nämlich unanständig gut!

Rezept Mango-Gurken-Salat mit Rosmarin
Für 4 Personen, als Hauptspeise

Zutaten 2 Mangos, geschält und in Würfel geschnitten
½ kleine rote Zwiebel, fein gewürfelt
3 Minigurken, gewürfelt
1 roter Chili, entkernt und fein geschnitten
Saft einer halben Zitrone
1 EL Fischsauce
1 EL frischer Rosmarin, fein geschnitten
1 Prise Zucker

Zubereitung
Alle Zutaten miteinander vermengen und kurz durchziehen lassen. Passt hervorragend zu gegrilltem Fisch, zum Beispiel Wolfsbarsch oder Angler, sowie zu gegrilltem Huhn.

Falstaff-Weinempfehlung
Raats Chenin Blanc Original 2013, Südafrika
Frisch, fruchtig und saftig zugleich, ein lebendiger Speisenbegleiter, der gut mit der Chiliwürze harmoniert; wie ein Biss in einen Apfel; mineralischer Nachhall. www.weinco.at  € 14,99

Soba Nudeln © Falstaff, Fotos Konrad Limbeck, Foodstyling Benjamin Wilke

Rezept: Kühle Soba-Nudeln mit Mango und Melanzani
Für 6 Personen, als Vorspeise

Zutaten
120 ml Reisessig
40 g Zucker, ½ Esslöffel Salz
2 Knoblauchzehen, gequetscht
½ rote Chilischote, fein geschnitten
1 EL Sesamöl
1 Limette, Zesten plus Saft
300 ml Sonnenblumenöl
2 Melanzani, in 2-cm-Würfel geschnitten
300 g Soba-Nudeln
½ rote Zwiebel, feinst geschnitten
1 große Mango, geschält und in 1-cm-Würfel geschnitten
1 Bund Basilikum oder Thaibasilikum, grob gehackt
1 Bund Koriander, grob gehackt

Zubereitung

  • Essig, Zucker und Salz in einem Topf erwärmen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Knoblauch, Chili und Sesamöl hinzugeben. Wenn alles abgekühlt ist, mit Limettenzesten und -saft vermengen und ziehen lassen.
  • Sonnenblumenöl in einer Pfanne erhitzen und Melanzanistücke in drei bis vier Durchgängen goldbraun frittieren. Salzen und abtropfen lassen.
  • Die Soba-Nudeln in reichlich kochendem Salzwasser garen – zwischen fünf und acht Minuten, sie sollten bissfest sein. Abgießen, mit kaltem Wasser abschrecken und auf Küchenkrepp trocknen.
  • Die angedrückten Knoblauchzehen aus dem Dressing entfernen. In einer Schüssel die Nudeln mit dem Dressing, den Melanzani, der Mango, der Zwiebel und der Hälfte der Kräuter vermengen. Vor dem Servieren den Rest der Kräuter hinzufügen und auf ­einer Servierplatte oder Schüssel auftürmen. Mit Stäbchen essen.

Falstaff-Weinempfehlung
Amabuki Marigold Sake, Japan: Wie die Frühlingssonne strahlt dieser Sake am Gaumen.  Gebraut mit einer seltenen Marigold-Blütenhefe nach traditioneller Yamahai-Methode; feiner Umamigeschmack mit beständiger Säure; kann auch warm getrunken werden.
www.japan-gourmet.de  € 31,– (0,72 l)
 

Text: Severin Corti
Fotos: Konrad Limbeck
Foodstyling: Benjamin Wilke

Aus: Falstaff März/April 2015

Severin Corti
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