Die Leber hat ihren fixen Platz in der traditionellen österreichischen Küche.

Die Leber hat ihren fixen Platz in der traditionellen österreichischen Küche.
© Shutterstock

Cortis Küchenzettel: Das Raubtier wecken

Innereien gelten wilden Tieren nicht zufällig als wertvollster Teil der Beute. Ein Plädoyer für die Pflege archaischer Gelüste – nicht nur aus gesundheitlichen Gründen! Mit Rezept.

Wer Tierfilme liebt, der kennt die Szenen zur Genüge: Wenn Löwen eine Antilope erlegen, wenn Wölfe ein Schaf reißen, wenn der Bär sich ein Kitz holt, dann kommen die wertvollsten Teile der Beute zuallererst dran: Mit buchstäblich animalischem Gusto macht sich der Chef der Meute über die Innereien her. Frisches Herz, dampfende Leber und die richtig argen Sachen sowieso – das ist der Stoff, aus dem ein echtes Alphatier seine Kraft holt. Alle anderen wollen natürlich dasselbe, die müssen halt hoffen und winseln, dass auch ja noch etwas übrig bleibt. Viecher eben, die wissen, was gut ist. ­

Königliches Kalbshirn

Wie jeder Lebensmitteltechniker bestätigen kann, sind in den inneren Organen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien, aber auch gesunde Fettsäuren und essenzielle Aminosäuren in einer Dichte und Pracht versammelt, bei der andere Lebensmittel (und Muskelfleisch erst recht) ganz einfach ­nicht mitkommen. Das Wissen um die besondere Attraktivität von Innereien für die Ernährung war vor nicht allzu langer Zeit auch den Menschen noch sehr bewusst. Bis heute ist es das Privileg des Jägers, sich die Innereien des erlegten Tiers selbst zu behalten. Großbritanniens Königin Elizabeth II. etwa, fürwahr ein Alphatier ihrer Art, liebt Innereien so sehr, dass sie immer wieder Starköche nach Windsor einlädt, auf dass ihr Nieren und Bries, aber auch Kalbshirn nach allen Regeln der Kunst vorgelegt werden. Anderswo aber hat sich die Lust auf Herz und Nieren, auf Leber, Hirn und ­Beuschel irgendwann ins Gegenteil gekehrt. Zwar sind wir offiziell alle ganz stolz auf das große Erbe der österreichischen Küche, die ihre Distinktionskraft seit jeher aus Beuschel und Klachlsuppe, gebackenem Bries und Hirn mit Ei, gerösteter Leber und – wohl eines unserer genialsten Ge­richte – Kalbsnierenbraten gezogen hat. Wenn es aber ans Kochen oder gar Verzehren dieser Delikatessen geht, dann zieren sich die meisten.

Rezepttipp

Manch einer führt gerne gesundheitliche Gründe an – dass Innereien wie das Entgiftungsorgan Leber mit Schadstoffen oder gar Schwermetall belastet sei­en etwa. Stimmt aber gar nicht. Hat zumindest die strenge Bundesanstalt für Fleischforschung im deutschen Kulmbach unlängst festgestellt: Die Belastung von Innereien, die etwa in den 1970er-Jahren noch beträchtlich war, ist demnach in den vergangenen Jahrzehnten ganz entscheidend ­zurückgegangen. Fehlt also nur die richtige Art, die ängstlich als »pfui« verschrienen inneren Werte so auf den Teller zu bringen, dass auch das handzahme Raubtier in uns wieder auf den Geschmack kommt. Unser Vorschlag: In der Kombination mit süßem Sherry ist zarte Hühner­leber ganz besonders unwiderstehlich. Rrroar!

Zum Rezept

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2020

Zum Magazin

Severin Corti
Severin Corti
Autor
Mehr entdecken
Mehr zum Thema
Kuttelknusperli
Rioja
Kuttelknusperli
Früher als einfache Kost abgetan, bringen die delikaten Kuttelknusperli heute den Gaumen zum...
Hauptspeise
Gebackenes Beuschel vom Reh
Ja, das gibt's. Die Kombination aus Knusprig- und Cremigkeit schmeckt auch richtig gut!
Von Erich Mayrhofer und Renate Schaufler
Jause
Jiddische Hühnerleber
Ein Klassiker der jüdischen Küche und aus dem Burgenland. Wir verraten ein Rezept vom »Gasthaus...
Von Markus Lentsch
Max Stiegl in seiner zweiten Wirkungsstätte, dem »Knappenhof«
Neueröffnung 2021
Max Stiegl im »Knappenhof«
Mehrmals angekündigt und mit Spannung erwartet: Ausnahmekoch Max Stiegl vom »Gut Purbach« im...
Von Herbert Hacker
Suppen
Kuttelsuppe
Ein Hoch auf den Rinderpansen: Flaczki, wie die Kuttelsuppe in Polen heißt, gehörte zu den...
Salat
Kutteln als Salat
Schmackhafter Kutteln-Salat verfeinert mit Ingwer und Chili aus dem Buch »Letz Cook« von Robert...
Von Robert Letz