Cortis Küchenzettel: Aus Laibes Kräften

Weil das Leben viel zu kurz ist, um Brot aus der Fabrik zu essen, wird ab jetzt zu ­Hause ­gebacken. Severin Corti erklärt, ­warum ­Faulheit ein großer Bäcker sein kann.

Wer erst einmal damit anfängt, wird kaum noch aufhören – ­backen macht nämlich süchtig. Brot backen ganz besonders. Nur braucht gut Brot in der ­Regel auch Weile: Sich für einen Nachmittag in die Splendid ­Isolation der Küche zurückzu­ziehen, einen Teil des zuvor über Tage und Wochen hingebungsvoll (und immer pünktlich!) ­gefütterten und entsprechend wohlerzogen schäumenden Sauerteigs aus der für ihn zurechtgemachten Wellnesssuite zu holen, um sich mit Mehl und Salz und Wasser ans Kneten und Schlagen und Rasten zu machen, damit schließlich ein wahrhaftiger, lebendiger Laib Brot in den Ofen geschoben wird. Das ist wahre, handfeste und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Elementen. Und erst der Duft, der in unendlich sanftwürzigen Schwaden durch die Wohnung zieht!

Backen für Alle
Wer bäckt, der schenkt sich selbst Zeit, begreift das Dasein als Schöpfungsakt und weiß, dass das Ganze unendlich viel mehr ist als die Summe seiner Teile. Blöd nur, dass sich derlei Eskapaden realistisch nur in den Ferien ausgehen – und auch da gibt es bekanntlich viel zu viel anderes zu tun. Das ist aber kein Grund, sich die Welle an Glückshormonen zu versagen, die beim Selberbacken über die Neuronen schwappt. Die entsprechenden, skrupellos einfachen (und folglich untenstehenden) Rezepte vorausgesetzt, geht es nämlich auch ganz ohne Arbeit – oder beinahe – und wird dennoch herrlich.

Im Gegensatz zum doch sehr fort­geschrittenen Kultivieren einer überaus empfindlichen Bakte­rienkultur wie beim Sauerteig kann beim Backen mit Germ oder Natron (Baking Soda) aber kaum etwas schiefgehen. Getreu dem inoffiziellen Motto dieser Kolumne – nämlich mit möglichst wenig Brimborium möglichst viel Geschmack zu ­erreichen – sollen beim ersten Rezept doch die Hefebakterien den größten Teil der Arbeit ­erledigen. Sie dürfen sich dafür auch die ganze Nacht Zeit lassen.

Die Dänen und die Iren machen es vor
Den Teig der nach einem dänischen Rezept gebackenen »Boller« ­(siehe Link) muss man nämlich nur zusammen­rühren und über Nacht im Kühlschrank gehen lassen. Vor dem Frühstück wird der ziemlich feuchte Teig löffelweise aufs Backblech verfrachtet (Abstand halten, die Masse geht unheimlich auf!), um zu außergewöhnlich luftigen, saftigen und mit ­einer krachfrischen ­Kruste versehenen Laberln gebacken zu werden, die beim sonntäglichen Frühstück zur Hauptattraktion avancieren – garantiert! Wer sich des Abends fünf Minuten Zeit nimmt, hat am nächsten Morgen selbst gebackenes Brot auf dem Frühstücks­tisch.

Noch schneller ist das irische Soda Bread zur Hand, das seine treibende Kraft aus der klassi­schen Kombination von Back­natron und Buttermilch bezieht und vor dem Backen nicht einmal rasten muss. Einfach gut durchkneten, damit der Teig ­geschmeidig wird, und sofort ­backen. Soda Bread schmeckt am besten, wenn es noch warm gegessen wird. Das kreuzförmige Muster mag praktisch sein, um das noch warme Brot zu teilen – echte, katholisch geprägte Iren wissen aber, dass der Einschnitt nur aus einem Grund zu erfolgen hat: to let the devil out! Es ist seit dem 19. Jahrhundert, als Natron erstmals als Backmittel eingesetzt wurde, ein wichtiger Teil der irischen Küche. Obwohl es auch pur ganz wunderbar schmeckt, gewinnt Soda Bread durch die Zugabe aromatischer Samen wie Mohn, Leinsamen, Sesam, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne sowie Fenchel, Kümmel oder Anis ­unheimlich an Wohlgeschmack – eine Mischung aus mehreren ist überhaupt teuflisch gut!

Irish Soda Bread
Für 4 Personen

Zutaten
250 g Weizenmehl
250 g Vollkornmehl
1 Teelöffel grobes Meersalz
1 Teelöffel Natron (Baking Soda oder ­Natriumhydrogencarbonat)
450 ml Buttermilch
einige Handvoll Weizenmehl

Zubereitung
Backofen auf 200 °C vorheizen. Mehl in eine große Schüssel sieben und mittels Schneebesen mit Salz und Natron ­verrühren. In die Mitte eine Vertiefung drücken und fast die ganze Buttermilch zugießen. Mit einem Metalllöffel verrühren. Eventuell noch etwas Mehl oder Flüssigkeit zugeben, bis der Teig fest, aber nicht krümelig und feucht, aber nicht flüssig ist. Im Zweifel eher etwas zu feucht als zu trocken halten. Die Hände bemehlen und den Teig aus der Schüssel auf eine bemehlte Arbeits­fläche heben. Gut durchkneten, damit der Teig elastisch wird. Dann in die ­Mitte eines mit Mehl bestäubten Backblechs heben und zu einer 5 Zentimeter hohen Scheibe abflachen. Etwas Mehl auf das Brot streuen und mit zwei Schnitten (etwa bis zur Hälfte) kreuz­förmig einschneiden. Im Backofen rund 35 Minuten backen. Auf einem Rost ­abkühlen lassen, damit die Unterseite nicht feucht wird und knusprig bleibt. Das noch warme Brot in Viertel brechen und mit Butter und/oder Marmelade ­ge­nießen. Besonders köstlich ist es tags darauf in Scheiben geschnitten und getoastet – deshalb stets die doppelte Menge backen.

Einen weiteren Rezepttipp finden Sie hier: Dänische Hartweizenboller für Morgenmuffel

Text: Severin Corti
aus Falstaff Nr. 02/12

Severin Corti
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