
Das Ei ist der Inbegriff eines perfekten Lebensmittels: Es kommt in seiner eigenen Verpackung, enthält Proteine, Lipide, Vitamine und Mineralien in idealer Zusammensetzung. Vor allem aber schmeckt es herrlich für sich allein – und ist ein unverzichtbares Grundelement der feinen Küche. Epochale Saucen wie die Hollandaise oder die Mayonnaise gibt es nur auf seiner Basis, die gesamte Patisserie ist nur mit Eiern denkbar, von Soufflés, Zabagliones oder gar Salzburger Nockerln gar nicht zu reden. Längst wurden jene Wissenschafter eines Besseren belehrt, die uns das Ei einst als Verursacher hoher Cholesterinwerte und anderer Zeichen der Wohlstandsverwahrlosung madig machen wollten.
Jetzt naht Ostern und damit eine Zeit, in der das Ei hart gekocht verdrückt werden muss. Das ist gelebte Tradition und als solche unterstützenswert. Bekömmlich ist es eher nicht. Selbst die Russen, der Zimperlichkeit in Verdauungsfragen an sich unverdächtig, befolgen deshalb eine uralte Regel: »Wer mehr als drei Ostereier isst, der schläft auf dem Diwan.« Und zwar tunlichst bei weit geöffnetem Fenster.
Von dieser flüchtigen Wirkung auf den Organismus unbeeindruckt, hält das gefärbte Ei als Symbol des Lebens und der Schöpfungskraft dem Wechsel der Kulturen und Religionen seit vielen tausend Jahren stand. Weil die Zeiten vorbei sind, da der Exzess des Osterfrühstücks mit dem Ende einer langen und entbehrungsreichen Winter- bzw. Fastenzeit erklärt werden konnte, empfiehlt es sich, bei Ostereiern Mäßigung zu üben. Wer weniger harte Eier isst, kann sich dafür umso mehr an jenen Eiergerichten gütlich tun, die kulinarisch mehr versprechen. Hier stehen die grandiosen Kreationen, welche sich mit pochierten Eiern fertigen lassen, an erster Stelle. Ob Œufs en Meurette in Rotweinbutter mit Speckkrusteln und Champignons, Eggs Benedict mit Sauce Hollandaise und ungeräuchertem Schinken, auf englischen, gerösteten Muffins serviert oder mit geräuchertem Schellfisch, Blattspinat und brauner Butter – den Idealzustand fragiler Delikatesse vermag nur das pochierte Ei zu vermitteln.
Weil aber das Pochieren zur mühseligen Sache gerät, wenn man es nicht für sich allein tun will oder ein im angelsächsischen Nobelhotel geschliffener Profikoch ist, soll an dieser Stelle einer anderen, fast vergessenen Methode gedacht werden: Für »Œufs en Cocotte« werden Eier mit Aromaten – etwa Trüffeln und Obers, Blattspinat, Butter und Muskat oder frischen Kräutern, Obers und scharfem Senf – in Soufflé- oder Gratinformen geschlagen und für wenige Minuten im Backofen zum Stocken gebracht. So geraten die Eier zu einer Delikatesse, die noch dem verwöhntesten Gutesser einen Seufzer des Glücks entlocken werden – versprochen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass man zu Ostern auf einer Charge hart gekochter Eier sitzen bleibt, ist aber zu hoch, um nicht auch für diesen Fall ein Top-Rezept anzuführen: In Westbengalen sind »Dim Kosha« – in reichlich animierenden Gewürzen geschmorte harte Eier – ein klassisches Frühstück. Unsereins wird es wohl eher mit einem kühlenden Bier zum Abendbrot genießen. In diesem Sinne:
Frohe Ostern!
ŒUFS EN COCOTTE MIT FRÜHLINGSKRÄUTERN »PASCAL«
Für 2 Personen
Zutaten
30 g Butter
1 Knoblauchzehe, in zwei Stücke geschnitten
2 EL Crème fraîche
2 EL Schlagobers
1 knapper Esslöffel grobkörniger französischer Senf »à l’ancienne«
2 EL feinst gehackte Kräuter (Petersil, Estragon & Schnittlauch)
2 große Bio-Freilandeier
1 Handvoll geputzte Frühlingskräuter (Petersil, Estragon, Schnittlauch, Dill und Basilikum)
1 EL Weißweinessig
1 Messerspitze Honig
1 ½ Teelöffel Olivenöl
Salz, Pfeffer
Zubereitung
– Das Backrohr auf 180°C vorheizen. Die Butter und den Knoblauch in einer kleinen Pfanne sanft erhitzen, bis die Butter aufschäumt. Obers, Crème fraîche und Senf zugeben, alles gut verquirlen, salzen, pfeffern und aufkochen lassen. Den Knoblauch herausfischen.
– Die Kräuter auf zwei Cocotte- oder kleine Soufflé-Förmchen verteilen, vorsichtig je ein Ei darüberschlagen und mit der Sauce auffüllen.
– Für etwa 8 Minuten im Rohr backen, bis die Eier zart gestockt sind. Die Kräuter mit einem Dressing aus Essig, Honig und Öl marinieren.
– Je ein Nest Kräuter auf die Eier setzen und mit geröstetem Sauerteigbrot servieren.
Falstaff-Weinempfehlung
Chablis A.C. Saint Martin 2012
Domaine Laroche, Frankreich
Feine Nuancen von Steinobst und Nüssen, ein Hauch von Orangenzesten, floraler Touch. Nuancen von Birne im Nachhall. www.vinorama.at, € 17,40
EINEN WEITEREN REZEPTTIPP FINDEN SIE HIER: HART GEKOCHTE EIER IN CURRYSAUCE
Von Severin Corti
Aus Falstaff Nr. 02/2014