Cocktails: Ein ganz und gar italienischer Sommer

Beim Italien-Revival sind vor allem Drinks mit Vermouth und Bitter wie Cynar, Campari und Co. gefragt – ideal für laue Sommerabende.

Während sich die Barszene seit einiger Zeit mit Verve auf die Drinks der klassischen Ära stürzt, ist pa­rallel dazu ein Trend zu Rezepten mit weniger Alkohol erkennbar, selbst kalorienarme Cocktails sind ein Thema. Schaden kann es jedenfalls nicht, wenn der Alkoholgehalt der Drinks dieses Sommers nicht schon nach dem zweiten Glas zu Zungenschlag führt.

Aperol hat’s geschafft, selbst in unseren Breiten kennt ihn jedermann und jederfrau. Der Kräuterlikör mit der wundersamen Popularität besteht aus Rhabarber, Chinarinde, Enzian und Bitter­orange und wurde bereits 1919 erfunden, feiert folglich bald den Hundertsten. Wer hätte das gedacht? Zahllose ähnliche Spirituosen wurden zu dieser Zeit oder schon im Jahrhundert davor in Italien entwickelt. Meist waren es findige Apotheker, die Liköre und Bitter nach eigenen Rezepturen brauten. Und weil Italiener damals zuhauf in die Neue Welt auswanderten und Produkte aus dem Land, wo die Zitronen blühen, ohnehin rasch die Sehnsucht nach mehr/Meer wecken, gelangten viele dieser Getränke zu Ruhm – und verschwanden bis auf wenige auch wieder.

Markus Altrichter bereitet diese Top-Drinks in der »Hammond Bar« in Wien zu / © Herbert Lehmann Bitter neu interpretiert
Während der Artischockenbitter Cynar erst ein Kind der 1950er ist, erfand Gaspare Campari seinen Bitter aus über 80 Zutaten bereits im Jahr 1860, und 1815 erfand der Apotheker Ausano Ramazzotti den gleichnamigen Amaro. Einige der genannten Getränke enthalten vorwiegend Chinarinde oder Chinin, weshalb sich »China« als Überbegriff etablierte – man denke an »China Campari«. Auch dieses Thema bewegt innovative Hersteller erneut. Eine kleine Schweizer Brennerei etwa hat sich mit »Kina l’Avion d’Or« hervorgetan – einem Weinaperitif mit Chinin.

Vermouth am Vormarsch
Noch um einiges vor dem Jahr der Erfindung des Fernet Branca (1845) ersann Antonio Benedetto Carpano 1786 den Vermouth auf Basis von Wein, Kräutern und Likören. Was ursprünglich die Fehler im Grundwein verdecken sollte, machte den Vermouth rasch zu einem Exportschlager. In jüngster Vergangenheit jedoch war es still geworden um zahllose Marken wie Cinzano und Martini, die noch vor vierzig Jahren beispiellos populär waren, als hellblau-rot gestreifte Rallyeautos stets zu den schnellsten gehörten. Nun scheint der Charme der gewürzten Weine erneut zu begeistern. Auch die französischen Pendants, meist trockener, ziehen wieder an. Insbesondere die Marke Lillet, die zwar seit Langem besteht, deren Rezept jedoch 1987 überarbeitet wurde, gefällt zusehends.

Cocktail-Geschichte
Antonio Carpano war auch Erfinder des »Punt e Mes«, in Italien immer noch ein beliebter Aperitif. Und er war ein glühender Anhänger Goethes, worauf zurückzuführen ist, dass er den Begriff Vermouth von der deutschen Bezeichnung des zugrunde liegenden Krauts ableitete. Vermouth sowie Campari oder andere Bitter und auch Gin sind übrigens zu je einem Drittel die Zutaten zu einem der berühmtesten Cocktails der Geschichte, dem Negroni – doch das ist eine andere Geschichte.

Text von Peter Hämmerle
Fotos von Herbert Lehmann
Aus Falstaff Nr. 05/2013

Peter Hämmerle
Autor
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