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Chris Yorke: Der neue ÖWM-Chef im Interview

Seit Beginn dieses Jahres leitet der gebürtige Brite Chris Yorke, 55, die österreichische Weinvermarktungsgesellschaft ÖWM. Falstaff bat Chris Yorke zum Einstandsgespräch.

Chris Yorke wurde 1965 in Großbritannien geboren, er studierte Betriebswirtschaft und Deutsch in St. Gallen und an der Aston University in England. Sein beruflicher Werdegang im Marketingbereich beinhaltet mehrjährige Funktionen bei internationalen Konzernen wie Sony Europa und Roche Pharma in Deutschland und England. Als Marketing Director für American Express übersiedelte Yorke 2002 nach Auckland in Neuseeland, um dort schließlich im Jahr 2004 die Posi­tion des Global Marketing Directors für die New Zealand Winegrowers zu übernehmen. In den folgenden 15 Jahren war Yorke hauptverantwortlich für die Entwicklung und Förderung der weltweiten Vermarktung neuseeländischen Weins und damit für eine der größten Erfolgsgeschichten im globalen Weinbusiness. Nach einer kurzen Einarbeitungsphase an der Seite seines mittlerweile ausgeschiedenen Vorgängers hat Yorke das Team der Österreich Wein Marketing (ÖWM) nach seinen Vorstellungen neu aufgestellt. Im Rahmen des Marketingtages am 19. Februar konnte er den heimischen Produzenten erstmals seine Pläne für die zukünftige Vermarktung der österreichischen Weine präsentieren.

Hinter Yorke steht ein kompetentes Team. Um die hohe Qualität und das internationale Ansehen des österreichischen Weins noch weiter voranzutreiben, wurde ein neuer Geschäftsbereich etabliert. So ist der kürzlich ernannte Prokurist Christian Zechmeister künftig als Bereichsleiter für das Herkunftsmarketing der Weinbauge­biete sowie die Weiterentwicklung der Schlüsselmärkte Österreich und Deutschland verantwortlich. »Wir setzen künftig auf einen noch engeren Austausch mit den Weinbaugebieten, Winzern und Eigentümern. Ich freue mich daher sehr, dass Christian seine Stärken in diesem Bereich ideal ausspielen kann«, betont Yorke. Der Branchenfachmann Zechmeister punktet durch sein hervorragendes Netzwerk innerhalb der österreichischen Weinwirtschaft und sein Know-how, wie Yorke erläutert: »Christian bringt bereits 13 Jahre Erfahrung als Geschäftsführer der Wein Burgenland mit. Er kennt damit die Bedürfnisse der Weinbaugebiete ganz genau und ist ­innerhalb der österreichischen Weinbau­politik bestens vernetzt.« Darüber hinaus werden die Stärken bereits bestehender Bereiche ausgeschöpft. Michael Zimmermann ist künftig für die strategische Weiterentwicklung des Bereichs Internationale Märkte verantwortlich und soll Vertriebspotenziale vorantreiben und vertiefen. Sabine Bauer-Wolf steht an der Spitze des bereits bestehenden Bereichs Kommunikation. All diese und zahlreiche weitere neue Ansätze präsentierte das Team den österreichischen Winzern in Rahmen des Marketingtages. Falstaff Wein-Chefredakteur Peter Moser bat ÖWM-Chef Chris Yorke zum großen Interview:

Auskenner unter sich: Der neue ÖWM-Geschäftsführer Chris Yorke im Gespräch mit Falstaff Wein-Chefredakteur Peter Moser.
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Auskenner unter sich: Der neue ÖWM-Geschäftsführer Chris Yorke im Gespräch mit Falstaff Wein-Chefredakteur Peter Moser.

Falstaff Nach 18 Berufsjahren haben Sie sich dazu entschieden, nach Europa zurückzukehren und Neuseeland zu verlassen – ein Land, das gerade heute vielen Menschen als paradiesisch anmutender Sehnsuchtsort schlechthin gilt. Was hat Sie dazu bewogen?

Chris Yorke Ganz einfach: die neue Herausforderung in Österreich. An der Spitze der Österreich Wein Marketing zu arbeiten war und ist für mich eine Gelegenheit, die mich sehr gereizt hat. Und warum gerade nach Österreich? Österreich ist ein wunderschönes Land, das 17 Jahre lang auch mein Nachbarland war, als ich in Deutschland und der Schweiz gelebt habe. Klarerweise habe ich damals auch schon österreichischen Wein kennengelernt. Richtig fasziniert hat mich aber ein Grüner Veltliner, den ich vor etwa zehn Jahren in New York kosten konnte: diese Frische, dieser Charakter – toll! Über die Jahre blieb österreichischer Wein stets auf meinem Radar, die hochwertigen Qualitäten und die umweltbewusste Produktion standen dabei immer im Fokus. Was mich aber ganz besonders beeindruckt hat: In sehr vielen meiner Gespräche mit Meinungsmachern aus aller Welt darüber, wer denn das beste Weinmarketing mache, erhielt ich häufig die Antwort: »Österreich Wein.«

In 15 Jahren haben Sie an führender Stelle mitgeholfen, den Exportumsatz der neuseeländischen Winzer von 180 Millionen auf über eine Milliarde Euro zu steigern. Wie ist Ihnen diese tolle Leistung gelungen?
Der Erfolg in Neuseeland beruhte auf einer hohen internationalen Nachfrage nach der Qualität und einzigartigen Stilistik des neuseeländischen Weins – im Speziellen Sauvignon Blanc aus Marlborough. Wir hatten, wenn man so will, immer »eine Flasche ­zu wenig«. Gestützt wurde dieses Interesse von fokussiertem generischem Marketing auf die Zielmärkte bzw. die entsprechend relevanten Marktsegmente. Um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, pflanzte Neuseeland große Weinbauflächen neu aus und erhöhte somit die Produktion, die dann wieder zu großen Teilen exportiert wurde.

Kann man den österreichischen Weinmarkt mit jenem in Neuseeland vergleichen? Wo ­sehen Sie Ähnlichkeiten, wo die größten ­Unterschiede?
Nun, einige Ähnlichkeiten liegen auf der Hand: Die beiden Länder haben in etwa die gleiche Rebfläche und Produktionsmenge, sind international bekannt für hochquali­tativen Weißwein und exportieren mehr Weiß- als Rotwein. Sehr ähnlich ist zudem die Exportdynamik der letzten 30 Jahre. Gleichzeitig gibt es aber auch große Unterschiede, etwa in der Weinbaustruktur: Während Neuseeland in Summe 1400 Traubenproduzenten und Weingüter zählt, liegt Österreich mit 14.000 beim zehnfachen Wert! Alleine daran lässt sich bereits die unheimliche Vielfalt der österreichischen Weinwirtschaft erahnen. Auch im Exportanteil zeigen sich große Unterschiede: Während Neuseeland rund 80 Prozent seines Weins exportiert, sind es in Österreich 25 Prozent. Nicht zuletzt haben beide Länder auch eine ganz unterschiedliche Weinbaugeschichte: In Österreich reicht sie Jahrtausende zurück, in Neuseeland startete der Weinbau 1973 mit den ersten Commercial Plantings erst so richtig durch.

Österreich hat im Vergleich mit Neuseeland zwar ein ähnliches Produktionsvolumen, ­verfügt aber über fünfmal so viele flaschenfüllende Betriebe. Dazu kommt eine enorm breite Palette an unterschiedlichen Rebsorten. Wird man sich künftig in der Vermarktung eher auf »Flaggschiffsorten« wie Grünen Veltliner und Zweigelt konzentrieren oder geben Sie der Vielfalt eine Chance?
Das ist immer abhängig vom jeweiligen Markt. In der Planung unserer Marktaktivitäten und Themensetzung orientieren wir uns stets an der jeweiligen Marktreife und spezifischen Nachfrage innerhalb eines Exportlandes. China etwa ist aktuell noch ein recht unreifer Markt für österreichischen Wein, zudem herrscht tendenziell eher eine Nachfrage nach Rot- als nach Weißwein. In den USA hingegen sind manche Bundesstaaten – etwa New York – durch jahrelange Präsenz und Aktivitäten bereits so weit, dass wir auch tiefgreifende und speziellere Themen, etwa autochthone Rebsorten wie Blaufränkisch und Zierfandler, oder gereifte Weine gewinnbringend kommunizieren können. Was wir dabei aber nicht vergessen dürfen: Auch die Marktbearbeitung in den USA starteten die ÖWM und die ersten interessierten Winzer vor rund 20 Jahren mit der Leitsorte Grüner Veltliner.

In Österreich wurde in den letzten beiden Dekaden mit dem DAC-System auf regionales Herkunftsmarketing gesetzt. Für den Konsumenten ist das DAC allerdings über weite Strecken unklar geblieben, weil es sich sehr inhomogen präsentiert. Fast jede DAC-Re­gion hat auf etwas andere Regeln gesetzt. Kann es hier in der Zukunft zu Nachbesserungen im Sinne einer leichteren Nachvollziehbarkeit kommen? Speziell in Niederösterreich ist die Situation verwirrend, die Steiermark hat zugleich gezeigt, wie es funktioniert. Ist es notwendig, in anderen Gebieten an ­einer oder zwei Rebsorten festzuhalten?
Den Bedarf, das Herkunftssystem klar zu kommunizieren und dem Konsumenten die Vorteile aufzuzeigen, gibt es immer. Grundsätzlich ist die Devise: Steht ein DAC-Gebiet auf dem Flaschenetikett, kann der Konsument Typizität erwarten. Typizität aber definiert sich nicht in jedem Gebiet gleich, da jedes spezifische Weinbaugebiet wie auch jedes Bundesland andere Grundvoraussetzungen mit sich bringt. Niederösterreich zum Beispiel ist in sich sehr groß und vielfältig – das Weinviertel und das Kamptal sind sehr unterschiedlich, Carnuntum wiederum auch. Und um das Weinviertel noch einmal als Vergleich zu nehmen: Dort alleine entsteht Wein auf 14.000 Hektar, davon sind fast 50 Prozent Grüner Velt­liner. Die gesamte Steiermark weist nur 4600 Hektar Rebfläche auf, auf denen die vier häufigsten Sorten gemeinsam 50 Prozent der Anbaufläche ausmachen. Jedes ­Gebiet kommt also aus einer individuellen Weinbautradition, in der etwa auch die ­Bedeutung von Ortsherkünften und Einzellagen unterschiedlich ausgeprägt ist. Ein Gremium aus Winzern, Traubenproduzenten und Händlern definiert für sich, welchen Weintypus es als typisch erachtet und wie es ihn schützen möchte. Dass das DAC-System schlussendlich aber nicht starr ist, sondern, wo nötig, durchaus Raum für Feinjustierungen und Weiterentwicklungen lässt, zeigt beispielsweise die nachträgliche Implementierung der Reserve im Weinviertel oder der Herkunftspyramide »Gebietswein, Ortswein, Riedenwein« im Kamp-, Krems- und Traisental. Oder auch die geplante Öffnung des Neusiedlersee DAC für Süßwein.

Nach 15 Jahren Neuseeland zurück in der Alten Welt: Chris Yorke hat den Exportumsatz für neuseeländische Weine mehr als verfünffacht.
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Nach 15 Jahren Neuseeland zurück in der Alten Welt: Chris Yorke hat den Exportumsatz für neuseeländische Weine mehr als verfünffacht.

Die österreichische Weinwirtschaft hat das Thema Nachhaltigkeit relativ spät aufgegriffen, obwohl es an Bewusstsein um die Dringlichkeit des Themas nicht mangelt. Auch im Bereich der zertifiziert organisch arbeitenden Betriebe ist sicher noch Luft nach oben. Wie sehen Sie die Bedeutung dieser Thematik aus Sicht des Vermarkters?
Als Weinland produzieren wir im interna­tionalen Vergleich insgesamt sehr umweltbewusst und werden global auch so wahrgenommen, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir sind Vorreiter beim biologischen Weinbau und haben eines der besten Nachhaltigkeitssiegel der Welt, wie eine Delegation der strengen skandinavischen Monopolmärkte letztes Jahr feststellte. Die Entwicklung zeigt weiterhin nach oben – was mich persönlich sehr freut, aber auch, und das ist viel wichtiger, zu einem zentralen Asset der österreichischen Weinwirtschaft werden kann. Aufgabe der ÖWM ist, diese umweltbewusste Produktion der österreichischen Weine noch umfassender und intensiver zu kommunizieren.

Die Nische der Natural Wines oder Orange Wines ist, prozentuell gemessen an der Gesamtproduktion, eine sehr kleine. Und doch besetzen diese Weine ein Gutteil der Weinkarten der besten und angesagtesten Restaurants, die Sommeliers lieben sie, und die Presse schenkt ihnen überdurchschnittlich viel Beachtung. Wird man diesem Segment in Zukunft – in Hinblick auf jüngere Generationen von potenziellen Weinlieb­habern – auch seitens des Österreichischen Wein Marketings mehr Raum geben?
Ihre Analyse ist absolut korrekt. Dem Thema geben wir im Rahmen unserer gesamten Jahresplanung bereits seit Längerem Raum und Präsenz. Je nach Marktreife und Zielgruppe integrieren wir das Thema in unsere Strategie und Kommunikation. Beispiel gefällig? Bei der ProWein in Düsseldorf werden diese Weine ein eigenes Thema an der Verkostungsbar sein. Im SALON, dem härtesten heimischen Weinwettbewerb, wurde eine eigene Kategorie geschaffen. Und auch bei unseren internationalen Verkostungen bauen wir entsprechende Weine verstärkt in die Flights ein.

Der direkte Kontakt der Konsumenten mit Winzern und Regionen kann das Interesse steigern. In Österreich sind sämtliche Weinbaugebiete von Wien aus gut erreichbar. Welche Rolle kann der internationale Weintourismus in Zukunft für das Image des österreichischen Weins spielen? Und welche Impulse kann man in diesem Bereich setzen?
Wir können von anderen Ländern lernen und unsere individuellen Stärken nutzen: Die von Ihnen erwähnte Nähe der Weinbaugebiete zu Wien ist zum Beispiel eine großartige Voraussetzung, ebenso die einzigartige Heurigen- und Buschenschank­kultur, die Attraktivität der Weinbaugebiete und die Gastfreundlichkeit der Winzer. Der Erfolg im Weintourismus liegt immer im Zusammenspiel von Wein und Tourismus: Wie gut verstehen die Winzer den Tourismus und die Ansprüche der Gäste? Und wie gut verstehen umgekehrt Tourismusanbieter den Wein? Hier ist sicher noch Luft nach oben. Zu betonen ist, dass vom Weintourismus besonders auch kleinere Weinbaubetriebe, die nicht exportieren, und der Ab-Hof-Verkauf im Gesamten profitieren können. Verständlicherweise wird die ÖWM in den nächsten Jahren daher einen Fokus auf Weintourismus legen. Da freut es uns natürlich sehr, dass die internationale Weintourismuskonferenz 2021 erstmals in Österreich, genauer in Niederösterreich, stattfinden wird. Von größter Bedeutung für den Weintourismus ist es jedenfalls, für unsere Gäste unvergessliche, authentische Momente zu schaffen. Die internationalen Besucher wollen nicht more of the same, sondern sie wollen one of a kind – und da sehe ich im Weinland Österreich noch sehr viel Potenzial!

Wo sehen Sie nach der ersten Kennenlern­phase die größten Potenziale und Ansatzpunkte, um den Export der heimischen Weine bei steigenden Durchschnittspreisen mittelfristig zu heben?
Wir bleiben der Strategie der Diversifikation treu: in vielen Märkten aktiv sein, unterschiedliche Marktreifen erkennen und diese bei der Auswahl der Marktaktivitäten berücksichtigen, um durch Stimulation der Nachfrage konstantes Wachstum zu generieren. Unser Ziel ist es außerdem, sowohl die Reichweite als auch die Relevanz unserer Aktivitäten zu erhöhen. Verknüpfen wollen wir diese Herangehensweise mit einer speziellen internationalen Marktanalyse und einer qualitativen Marktforschung zur Wahrnehmung und Positionierung des österreichischen Weins auf ausgesuchten Exportmärkten. Dadurch wollen wir unsere Strategie künftig noch zielgerichteter gestalten und einzelne Marktsegmente noch genauer ansprechen. Schlussendlich liegt der Schlüssel zum Exporterfolg aber immer in der Einzigartigkeit der österreichischen Weine. In den letzten Jahrzehnten haben der frische, elegante Stil und die exzellente Durchschnittsqualität unserer Weine die Herzen vieler Weinliebhaber rund um die Welt erobert. Wenn wir diesem Weg treu bleiben und auch das Potenzial unserer autochthonen Sorten weiter forcieren, werden sich viele zusätzliche Türen für den österreichischen Wein öffnen.


Wein in Österreich

  • 26,5 Liter Wein trinkt jeder Österreich durchschnittlich pro Jahr.
  • 275 Millionen Liter Wein wurden 2018 produziert. Davon wurden 53 Millionen Liter exportiert.
  • 70 Millionen Liter wurden im Gegenzug importiert.
  • Die komplete heimische Rebfläche beträgt 46.752 Hektar.
  • Zwei Drittel der Rebflächen sind mit weißen Sorten bepflanzt, der Grüne Veltiner nimmt 31 Prozent aller Weinberge ein. Bei den Roten ist der Blaue Zweigelt mit 14 Prozent Nummer Eins.
  • 14 Prozent werden biologisch bewirtschaftet.
  • 14.000 Winzerbetriebe gibt es in Österreich.
  • Zehn Prozent der heimischen Trauben werden zu Sekt verarbeitet.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2020

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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