Captain Cork: Mit 80 Knoten um die Welt

Mit ihrem »ultimativ anderen Weinbuch« nehmen Rainer Balcerowiak und Manfred Klimek den Leser mit auf ein Speedboat.

Nachdem der Weinblog von »Captain Cork« es in den weiten Gewässern des Internets schon zu großer Bekanntheit gebracht hat, betritt die Kunstfigur, hinter der sich Manfred Klimek und Rainer Balcerowiak verbergen, nun Festland - im Sinne von gedrucktem Papier. Das »ultimativ andere Weinbuch« schreibt sich auf die Segel, ein Führer durch die vielschichtige und aktive Weinszene zu sein.

Alles an Bord
Bei diesem Unterfangen erstaunt zunächst, wie übersichtlich und handlich das Taschenbuch aus dem Hallwag-Verlag geraten ist. Nur 216 Seiten nimmt sich der Captain für seine vinophile Weltreise vor. Doch eins sei vorweggenommen: Es fehlt an nichts.

Den Landratten bleut Captain Cork gleich zu Beginn sein bekanntes, mutmachendes Credo ein: Keine Angst vor Wein und den dazugehörigen Experten, keine Unterwürfigkeiten vor Parker-Punkten. »Habt den Mut, euch aus eurer Unmündigkeit zu befreien und entdeckt den Wein ganz für euch«, ruft er den Lesern zu. »Wir plädieren für eine neue, unverkrampfte Weinkultur, die Trinkern und Genießern bewusst macht, dass sich mit den Weinen auch die Weinkultur ändert. Und dass die Weinkultur nicht einer snobistischen Gesellschaftsschicht vorbehalten ist.« Dieser sympathische Ansatz ist sicher auch einer der Gründe für den Erfolg des Blogs.

Mit Basisfakten und Geschichte hält sich der Captain auch gar nicht lange auf, dafür müssen ein paar Seiten reichen. Das schadet auch nichts, denn wer eine Geschichte des Weinbaus lesen will, der greift ohnehin zu einem anderen Kompendium. Absolute Beginner müssen sich eventuell schon vorher ein wenig Basiswissen aneignen und sich mit Grundbegriffen vertraut machen, aber sonst kann jeder unbeschwert in See stechen. Was sofort ins Auge sticht, sind die wirklich großartigen Fotos von Manfred Klimek. Da weiß man gar nicht, welches Talent beim Wahlberliner größer ausgeprägt ist.

Mehr Zeit nimmt sich der Captain für seinen Kreuzzug gegen die Weinmythen - hier merkt man Leidenschaft und was Klimek und Balcerowiak wirklich sauer aufstößt. Luft, Farbe, Temperatur - hier darf man nicht alles glauben, was in vielen Standardwerken gepredigt wird.

»Das erste richtige Glas Wein« macht Anfänger anhand von besonders aussagekräftigen Tipps fit für Weingenuss, die von der Internetseite bekannte Jahrgangstabelle sorgt dafür, dass »das ultimativ andere Weinbuch« nicht lange im Regal bleiben muss.

Unterhaltsame Kreuzfahrt
Viel Platz nimmt wenig überraschend auch der deutsche Weinbau ein. Jede Weinbauregion wird mit Kennerblick charakterisiert, dazu gibt es - meist wenig überraschende - Zusammenstellungen der besten Weingüter der Region. Dann geht es aber endgültig auf große Fahrt: Von den großen Vier (Bordeaux, Burgund, Toskana und Piemont) geht es über Rest-Europa - wobei auch des Captains Steckenpferd Osteuropa nicht vergessen wird - bis nach Übersee. Stets ist der Stil pointiert, informativ und doch humorvoll, dazwischen gibt es interessante Tipps wie der, dass Tasmanien die wohl interessanteste Rieslingregion der Welt ist.

Seine bekannt pointiert formulierte Meinungsäußerungen (z.B. »Die deutschen Lagenbezeichnungen sind in der Regel eine groß angelegte Kampagne zur Verbrauchertäuschung«) stellt der Captain in großen Zitat-Elementen dazwischen.  Der Elite der Winzer (darunter etwa Nicolas Joly, Stephan Attmann, Andreas Barth, Stephanie Eselböck und Eduard Tscheppe sowie die burgenländischen Brüder Heinz und Roland Velich) wird in packenden und informativen Porträts gehuldigt.

Überraschend kurz ist das Kapitel über »Wein im Netz« geraten. Da hätte man sich von einer solchen Blogger-Koryphäe doch etwas mehr aus der Kategorie »Nähkästchen« gewünscht. Mit einem mutigen Bekenntnis zum Wein als Rauschgetränk endet ein Buch, das ein unverzichtbaren Begleiter für jeden ist, der sich in der schönen neuen Weinwelt zurechtfinden möchte.

»Captain Cork - das ultimativ andere Weinbuch«
216 Seiten, Format 21 x 21 cm
Flexcover mit ca. 60 Farbfotos, illustrierte Karten
Preis: 19,90 Euro (D) bzw. 20,50 Euro (A) oder 28,50 sFr

(Sascha Bunda)

Sascha Bunda
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