Auf der Suche nach dem besten Bukett: Die Nase ist das entscheidende Organ, um sich den intensiven Bukettrebsorten zu nähern.  

Auf der Suche nach dem besten Bukett: Die Nase ist das entscheidende Organ, um sich den intensiven Bukettrebsorten zu nähern.  
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Bukettsorten: Im Reich der Sinne

Bukettrebsorten sind aufgrund ihrer intensiven Aromatik äußerst beliebt. Doch Gewürztraminer & Co. sind viel mehr als reine Spaßweine – wenn sie richtig behandelt werden.

Bukettsorten versprühen etwas, das viele Weinliebhaber insgeheim suchen – nämlich Unkompliziertheit. Ihren Namen tragen sie nicht ohne Grund, sondern wegen ihres kennzeichnenden intensiven Aromas, das von markant-blumig bis hin zu würzig reicht. Sie duften nach Rosenblättern, Orangenblüte, Muskat oder Moschus und stechen im Meer aus Wein, das uns umgibt, genau wegen dieser Attribute heraus. Besonders Weinneulinge lassen sich gern von ihnen einlullen.

Denn Bukettrebsorten sind greifbar und kommen genau deshalb so gut an. Es sind die Aromastoffe, die sie kennzeichnen – auch wenn keine eindeutige, wissenschaftlich eruierbare Definition für »Bukettrebsorte« existiert. Zu diesen Aromastoffen gehören beispielsweise Terpene, Methoxypyrazine und Thiole. Sie sind zum Teil schon in den Beeren vorhanden oder entstehen während der Gärung beziehungsweise Weiterverarbeitung der Trauben im Keller. Terpene duften nach Rose, Muskat oder Moschus, Pyrazine unter anderem nach Gras oder Stachelbeere. Sicherlich kommen Ihnen alleine bei dieser Aromenaufzählung schon Sorten in den Sinn.

Gras oder grünliche Noten stehen quasi für Sauvignon Blanc, genauso wie Rose ein kennzeichnendes Aroma für Gewürztraminer ist. Letztendlich ist es diese Klarheit in der Aromatik, die Bukettsorten so spannend macht und sie uns in Erinnerung behalten lässt. Kritisiert werden sie in erster Linie von Verfechtern des Terroirausdrucks. Denn die besten Terroirweine der Welt sind nie laut oder überbordend und entstehen meist aus neutraleren Gewächsen wie etwa Chardonnay im Burgund, Riesling an der Mosel und Grünem Veltliner in der Wachau.

Von der Traube ins Glas

Niklaus Zahner, Winzer in Truttikon im Kanton Zürich, ist nach eigener Aussage ein wahrer Liebhaber der Sorte Gewürztraminer: »Als Winzer empfinde ich Gewürztraminer als geniale Rebsorte, denn man hat am Ende die Traube, aromatisch gesehen, im Glas. Das ist bei anderen Sorten weniger der Fall«, sagt er. Lediglich der Name, so Zahner, sei es, der den weltweiten Siegeszug der Sorte verhindere. Denn wer Englisch spricht, tut sich in der Regel mit dem Umlaut bei der Aussprache schwer. »›Bring me the wine with the German name‹, sagte die Dame damals«, erzählt Zahner von einem Erlebnis in einem Verkostungsraum im kalifornischen Oregon, das ihm widerfuhr.

Während er von seinem eigenen Gewürztraminer spricht, der mit zu den besten in der Eidgenossenschaft gehört, gerät er etwas in Rage: »Als wir den Gewürztraminer anpflanzten, war der Schweizer Weinbau sehr restriktiv. Damals fokussierte man sich fast gänzlich auf die Sorten Pinot Noir und Müller-Thurgau. Insgesamt waren bis 1985 nur fünf Sorten zugelassen, und es lag in der Luft, dass dieses politisch motivierte System bald zu Ende gehen wird«, berichtet er. Mit dem Mainstream zu schwimmen lag den Zahners fern, und so pflanzte man 33 Ar Gewürztraminer, eine der wenigen anderen zugelassenen Sorten damals. »Als erste Ausweichroute«, so Zahner.

Bei den Weinliebhabern fand der Gewürztraminer schnell Anklang, und bis heute entwickelt sich die Nachfrage stetig weiter. Mit der Aromafülle im Glas muss man seiner Ansicht nach jedoch umgehen können. Als Winzer, sagt er, liefere er hier Schützenhilfe: »Man braucht etwas Fantasie, um Rebsorten wie Gewürztraminer mit Speisen zu paaren. Zu asiatischen Speisen ist diese Sorte meiner Meinung nach aber eine Wucht. Wer sich traut, etwas Neues auszuprobieren, wird große Freude damit haben.«

Field Blends

Genau dieser Aspekt, das Food-Pairing, ist einer, den Bukettsorten perfekt beherrschen. Vor allem aromenintensive Gerichte verlangen nach einem Wein im Glas, der dieser Fülle standhalten kann. Hier sind Bukettsorten mehr als nur eine Alternative zu den alteingesessenen Klassikern, die mannigfaltige Möglichkeiten bietet. Egal ob Raucharomen oder exotische Gewürze, Sorten wie Gelber Muskateller, Scheurebe oder Traminer schaffen es, aromatisch gesehen die Stirn zu bieten. Denn bei der Speisenpaarung ist eine mutige Herangehensweise empfohlen. Letztlich lässt sich mit der von Zahner angesprochenen Fantasie eine neue Aromenwelt entdecken.

Eine trockene Scheurebe zu geräuchertem Fisch beispielsweise kann eine wahre Offenbarung sein. Die deutsche Bukett­sorte glänzt mit intensivem Cassisduft und erinnert an Sauvignon Blanc. Wer es etwas langsamer angehen möchte, könnte mit einem Klassiker beginnen: Meeresfrüchte und Muskateller beispielsweise. Eine Kombination, die zu den liebsten von Winzer Gerhard Kracher vom Weinlaubenhof Kracher im burgenländischen Illmitz gehört. »Zu Krustentieren gibt es nichts Besseres als Muskat, trocken oder mit ein wenig Restsüße«, sagt Kracher, ein wahrer Spezialist in Sachen Bukettsorten.

In Österreich kommt man an seinem Weingut schlichtweg nicht vorbei, wenn es um Muskat Ottonel, Traminer, Scheurebe oder Rosenmuskateller geht, die knapp 35 Prozent der gesamten Rebfläche des Betriebs ausmachen. Besonders die Süßweine des Hauses, Trockenbeerenauslesen und Auslesen besitzen Weltruf und sind jedes Jahr schnell vergriffen. Im Jahr 2002 holte Kracher eine Altbekannte nach Hause, die Sorte Rosenmuskateller. Die Rebsorte war früher in ganz Europa verbreitet und in Österreich Teil von »Field Blends«, den sogenannten Gemischten Sätzen. Ihre geringen Erträge machten sie jedoch mit der Zeit für die Winzer uninteressant. Bis 2002 war die Sorte in Österreich inexistent, Kracher aber lernte sie schon während seiner Kindheit lieben.

Sein Vater, die österreichische Winzerlegende Alois Kracher, war ebenfalls ein großer Fan der Sorte: »Zu Weihnachten gab es bei uns immer eine Flasche Rosenmuskateller. Meist aus Südtirol, wo die Sorte seit langer Zeit angebaut wird, später auch von der Krim«, erinnert sich Kracher. Wenn er von der Sorte erzählt, spürt man seine Begeisterung förmlich. Die kleinen dunklen Beeren und die damit verbundene Tanninstruktur sowie das intensive Rosenaroma haben es ihm angetan. »Die Weine haben eine irrsinnige Tiefe und sind unglaublich aromatisch. Es ist fast so, als habe man Rosenwasser im Mund«, berichtet Kracher.

Allzu üppig mag es der Winzer aus Illmitz jedoch nicht: »Ich trinke Weine gerne alt, 20 Jahre plus. Wenn Weine nur auf der Primäraromatik aufgebaut sind, schaffen sie dieses Alter nicht«, sagt er. Von seinen Rosenmuskatellern verspricht er sich großes Reifepoten­zial, denn durch die Tannine, verbunden mit der Süße, hat die Sorte seiner Ansicht nach keine Probleme, über die Primärphase hinauszukommen. »Nach 30 Jahren ist das ein absolut grandioser Zigarrenwein«, befindet Gerhard Kracher

Strahlkraft

Einer, der es ebenfalls schafft, Bukettsorten strahlen zu lassen, ohne dass die Weine dabei aufdringlich werden, ist Tobias Weickert vom Weingut Zehnthof in der deutschen Weinbauregion Franken. Weickert ist ein Spezialist, wenn es um die Sorte Scheurebe geht. Von ihr alleine baut er fünf trockene Varianten aus. Die deutsche Bukettsorte bringt hervorragende, ausdrucksstarke, rassige Weine hervor, wenn sie richtig angepackt und trocken ausgebaut wird. Vor 1985 wurden die Weine eher im lieblichen Bereich konsumiert, und diesen Ruf ist die an sich hochklassige Rebsorte bis heute nicht ganz losgeworden. Die Scheurebe wurde ursprünglich einer Kreuzung aus Silvaner und Riesling zugeschrieben, zutreffend ist aber, dass sie einer Kreuzung aus Riesling und der Bukett-Traube entsprang. Der Urheber und Namensgeber der Scheu­rebe, Georg Scheu, entwickelte die Sorte im Hinblick auf die sandigen Böden Rhein­hessens, verbreitet ist sie heute jedoch bis ins Burgenland, wo sie auch vom erwähnten Gerhard Kracher angebaut wird. 

Auf den Boden holen

Auch beim Weingut von Bianka und Daniel Schmitt hat die Scheurebe einen Platz gefunden. Das Winzerpaar setzt sie unter anderem bei seinem Wein mit dem Namen »Erdreich« neben Muskateller ein. Während andere Winzer bei diesen Sorten den expressiven Sortencharakter unterstützen, gehen die Schmitts einen anderen Weg. Für ihren »Erdreich« bändigen sie die Sorten in ihrer Aromatik durch Sauerstoffeinfluss und Maischegärung und schaffen so etwas absolut Einzigartiges. Je oxidativer die Sorten angepackt werden, desto zurückhaltender wird ihr Aroma, berichtet Bianka ­Schmitt. Dazu gehört nicht nur die Maischegärung, sondern auch der Ausbau im kleinen Holzfass, bei dem es darum geht, die Oberfläche für den Sauerstoffeinfluss zu maximieren.

Der erste Jahrgang des »Erdreichs« liegt bereits einige Jahre zurück. Im Jahr 2014 brachten sie den Wein zum ersten Mal auf den Markt. »Damals lag Deutschland noch absolut brach, was Naturweine angeht, und die Leute waren etwas überfordert damit. Unser ›Erdreich‹ nahm sie an der Hand«, erzählt Schmitt. Der Wein ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Bukettsorten dank des zurückhaltenden, natürlichen Ausbaus eine andere Dimension gewinnen können. Keine Spur von überbordender Aromatik, dafür feine Frucht, Frische und eine passende Tanninstruktur dank der Maischegärung. Eine perfekte Paarung zu anspruchsvoll kombinierbaren Gerichten wie beispielsweise dem allgegenwärtigen Onsen-Ei. Schmitts »Erdreich« nimmt das Eigelb dank der Gerbstoffe mit Bravour auf und bereichert das Gericht mit angenehm floralen und fruchtigen Aromen.

Bevor die Schmitts Scheurebe und Muskateller kombinierten, bauten sie Letzteren auch einzeln aus. Hiervon kamen sie jedoch wieder ab, denn der Wein ließ ihre anderen Gewächse in Degustationen schlichtweg stehen: »Wenn man zehn Weine zeigt, sticht ein Muskateller immer heraus, ein Riesling geht dann beispielsweise unter«, erzählen sie. Deshalb hörten sie damit auf, denn ihre anderen Weine sollten nicht im Schatten stehen. Den Muskateller vergleicht Bianka Schmitt mit einer offenherzigen Dame, die jedem gefällt, jedoch gebe es auch Damen, die für den Bewunderer etwas herausfordernder sind, sich erst auf den zweiten Blick in all ihrer Komplexität erschließen. »Mit Muskateller kann man schnell in die Höhe fliegen, deshalb muss man die Sorte auch wieder ein wenig auf den Boden holen«, sagt sie. Und genau das schaffen die beiden deutschen Naturweinwinzer auf perfekte Art und Weise.

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Die Top 4 Bukettsorten


Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2020

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