Hiatatanz vor dem Weingut Kas-Nigl in Perchtoldsdorf (2009)

Hiatatanz vor dem Weingut Kas-Nigl in Perchtoldsdorf (2009)
© Helmut Strohmer

Buchtipp: Weinbräuche in Österreich

Hiata-Einzug, Hauerkirtag, Weinlesefest, Fasslrutschn, Martiniloben... Johann Werfring hat eine bunte und unterhaltsame Sammlung der heimischen Weinbräuche angelegt.

Das Corona-Jahr 2020 hat uns schmerzlich in Erinnerung gerufen, wie sehr wir an unseren Weinfesten und Brauchtumsveranstaltungen hängen – so gut wie nichts konnte wie üblich stattfinden. Besonders wenn man in einer Weinbauregion aufgewachsen ist begleiten einen die Bräuche das ganze Jahr über, vom Hauerkirtag über Weinlesefeste bis zur Weintaufe. Apropos: Wein spielt bei den wichtigsten Ereignissen im ganzen Leben eine zentrale Rolle, bei der Taufe, bei der Hochzeit und sogar beim Tod.

Der Kulturhistoriker und Weinkolumnist Johann Werfring hat all diese Brauchtümer über Jahre recherchiert und gesammelt. Der nun vorliegende Titel »Weinbräuche in Österreich« ist ein umfassendes Standardwerk, das alle Aspekte der vinophilen Traditionen mit historischen Abrissen beleuchtet.

Bemerkenswertes und Merkwürdiges

Werfring hat bekannte Bräuche mit regional unterschiedlichen Interpretationen ebenso aufgezeichnet wie unbekannte Fundstücke, die sich sehr unterhaltsam lesen: Wenn beispielsweise ein neuer Weingarten angelegt wird, dann müssen die jungen Reben gründlich eingewassert werden. Vielerorts wird das auf die Weingarten-Arbeiter übertragen, die den ganzen Tag über mit reichlich Wein versorgt werden. In Schönau an der Piesting ist man der Meinung, dass man beim Rebensetzen die jungen Pflanzen mit Weindunst anhauchen muss, damit sie später reichlich tragen. In Neckenmarkt gibt es gar die Redensart, dass man »pro Rebe einen G'spritzten trinken muss«. 

Es ist eine wunderbar bunte Welt, die Werfring als aufmerksamer Chronist beobachtet und dokumentiert hat. Mit gewissenhafter Recherche hat er historische Zeitdokumente organisiert und bei zeitgenössischen Veranstaltungen selbst fotografiert. Sehen Sie in untenstehender Bilderstrecke ausgewählte Leckerbissen aus dem höchst empfehlenswerten Buch:

Interview mit dem Autor

Falstaff: Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?
Johann Werfring: Intensiv am Buch gearbeitet habe ich zuletzt rund ein Jahr lang. Ich habe das Thema aber schon mehr als zehn Jahre lang fokussiert. Das Fotografieren der rezenten Bräuche ist zum Teil in harte Arbeit ausgeartet.

Was war für Sie das spannendste Fundstück bei Ihren Recherchen?
Rund zwei Jahre lang bin ich dem Fotosujet »Tanz unter dem Traubenhimmel« nachgejagt. Es war dies ein Volksvergnügen, das schon in der ausgehenden Habsburgermonarchie und auch noch in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst beliebt war. Es schien so, als ob sich dieses Sujet nicht auftreiben lassen würde. Als ich nach schier endlosem Nachforschen die Hoffnung beinahe schon aufgegeben hatte darauf zu stoßen, konnte ich innerhalb kürzester Zeit sogar vier Fotos davon auftreiben. Das Auffinden derartiger Aufnahmen bei solch einem Projekt ist mit dem Herankommen an seltene Briefmarken vergleichbar. Man freut sich über jedes einzelne »Fundstück« immens.

Und was das Skurrilste/Lustigste?
Da kann ich mich nur schwer entscheiden: Die in Niederösterreich bei bestimmten Tanzfesten eingesetzte »Kussglocke« zählt da ebenso dazu wie das »Hängen des Traubendiebes« als Höhepunkt des Weinlesefestes in einem Traisentaler Weinort. Besonders skurril war auch ein Fasslrutschen in den 1930er-Jahren, wo man nach der Rutschpartie direkt in der Donau gelandet ist.

Welchen Brauch im Jahreskreis möchten Sie persönlich nicht verpassen und mitfeiern?
Das Fasslrutschen im Binderstadl des Stiftes Klosterneuburg zu Leopoldi muss man als Wiener zumindest einmal im Leben mitgemacht haben! Angeblich geht ja ein im Moment des Hinunterrutschens gehegter Herzenswunsch in Erfüllung. Das Klosterneuburger Fasslrutschen »ist jenes Wiener Fest, das sich nicht in Wien abspielt«, hat es der Wiener Volkskundler Leopold Schmidt einmal auf den Punkt gebracht. Der gewitzte Wiener Schriftsteller und Kulturhistoriker Gustav Gugitz hat die von jeher vorhandene Fasslrutsch-Euphorie seiner Landsleute einmal so kommentiert: »Ein großer Teil der Wiener würde ehedem das Jahr für verloren gehalten haben, in dem er verhindert gewesen wäre, dem guten Geist der Tradition getreu, am Leopoldstag nach Klosterneuburg zu pilgern«. Ich selber war dort, bin aber nicht gerutscht – da hatte ich die Spiegelreflexkamera dabei und wollte damit kein Risiko eingehen. Deshalb muss ich auf alle Fälle noch einmal hin.

Weinbräuche in Österreich

Johann Werfring
Edition Lex Liszt 12, Oberwart 2021
Hardcover, 312 Seiten, 287 Abbildungen
Preis: 34 Euro
kostenfreier Versand über www.morawa.at

Bernhard Degen
Autor
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