Buchtipp: Cocktailkunst – Die Zukunft der Bar

Stephan Hinz sieht im seinem Standardwerk die Grenzen zwischen Bar und Küche schwinden.

Seifenspender, aufgezogene Spritzen, Currywurst und ein Drink der aus dem Transfusionsbeutel tropft? Heißt »Zukunft der Bar« futuristisch um jeden Preis oder was verbirgt sich hinter Stephan Hinz' Cocktailbibel mit dem klingenden Beinamen »Kunst«...

»Bunte, klebrige Happy-Hour-Drinks in riesigen Gläsern, ganze Obstplantagen als Dekoration und fragwürdiges Gedudel aus den Lautsprechern. So sahen die Bars aus, in denen ich anfing zu arbeiten. Und es gefiel mir...«, schreibt Unternehmer Stephan Hinz im Vorwort zu seinem ersten Cocktailbuch. Doch was er auch in seinen jungen Jahren als Barmann erfahren hat, es war nie genug. Regional und über die Landesgrenzen hinaus, mixte der Kölner in Hotels mit klingenden Namen, managte und beriet Gastronomie und Industrie, sammelte Auszeichnungen und blickt heute mit der Unternehmung Cocktailkunst in die flüssige Zukunft.

Durch harte Arbeit und viel Eigeninitiative hat sich Hinz an die Spitze der deutschsprachigen Barszene gehantelt – Tugenden, die jedem Neuling hinter dem Tresen zu Eigen sein sollten. Doch oft fehlt Nachwuchskräften und auch gestandenen Fachleuten ein umfassendes, informatives Nachschlagewerk, welches sich nicht in Halbwissen oder abgehobenen Sphären des Mixologen ergeht. »Ehrgeizigen Bartendern blieb also nichts anderes übrig, als sich durch lieblose Aneinanderreihungen öder Daten und obskurer Rezepte zu kämpfen«, so der Autor weiter. Er selbst wollte diesem Umstand Abhilfe verschaffen und tüftelte über Jahre an dem Konzept und der Gestaltung seines eigenen Cocktailbandes.

Blättert man sich durch das 363 Seiten starke Buch, bekommt man einen tiefen Einblick in die vielfältigen Aspekte des Trinkens und der Bar. Praktische wie theoretische Inhalte fädeln sich kurzweilig aneinander, die exzellenten Bilder, Illustrationen und Fotos lockern die Themen auf und haben absoluten Blickfangcharakter.

»Wie der Mensch zum Alkohol kam« legt mit historischen Erläuterungen den Grundstein für alles, was da noch kommt. Anschließend gibt es bereits die ersten Anleitungen um selbst Hand anzulegen, Gläser, Werkzeuge und deren richtige Handhabung werden ebenso profund ausgeführt, wie unterschiedliche Maßtabellen und das oft vergessene Thema Eis.

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Das Herz von »Cocktailkunst – Die Zukunft der Bar« ist aber dem Cocktail gewidmet. Wer jedoch ein belangloses Zusammenwürfeln von Möchtegern-Klassikern vermutet, erlebt eine Überraschung. Unter der klangvollen Überschrift »Harmonielehre« geht Hinz auf das Spiel mit Ingredienzen und deren Charakteristika ein, bietet Geleit am Weg zur eigenen Kreation von Drinks und beleuchtet Systematiken zur Kategorisierung geistiger Getränke.

Richtig ans Eingemachte geht es mit dem Kapitel »Flüssige Sterneküche« – hier sieht der Autor die wirklich heißen Eisen der nächsten Jahre. Die verschwimmenden Grenzen zwischen Küche und Bar, Chef und Bartender, bieten schier unendliche Möglichkeiten des kreativen Austausch und der gegenseitigen Inspiration. Sous Vide, Aromatisierung und Filterung werden detailverliebt beschrieben, exotisch anmutende Begriffe wie Cold Drip, Barrel Aging und Airbrush brauchen aber niemanden zu verunsichern, hier kann man viel Neues erforschen, Techniken perfektionieren und diese, in der Welt der Cocktailbücher selten da gewesenen Mysterien in ihrer Komplexität entziffern. Wie es gehen kann, zeigen die Avantgarde-Rezepte, deren Präsentation und lichtstarke Abbildungen Lust auf mehr machen.

Ein Aspekt schließlich, der in Bezug auf Bars und Drinks nie außer Acht gelassen werden darf, ist Fachkenntnis darüber, was am Rückbuffet und in den gängigen Flaschen des Spirituosenkabinetts zu finden ist. Warenkunde und Informatives zu Obst und Gemüse, Saisonkalender, Süßungsmittel: möglichst viele Kategorien will der vorliegende Band zugänglicher machen.

Eine lockere und greifbare Sprache und flotter Schreibfluss machen das Schmökern zu einem leichten Vergnügen. Die Aufmachung, der Einband, alles wirkt hochwertig und schlüssig. Stephan Hinz ist es gelungen, ein deutschsprachiges Barlexikon zu gestalten, dass stolz neben Klassikern wie den Büchern von Charles Schumann und anderen internationalen Legenden stehen kann.

Ob Cocktailprofessor oder Novize, Drink Enthusiast oder Hobbymixer, für jeden Geschmack und Erfahrungsgrad bietet das Buch einen Anknüpfungspunkt.

Cocktail Kunst - Die Zukunft der Bar
von Stephan Hinz
363 Seiten, 39,95 €
Fackelträger Verlag
edition.fackeltraeger-verlag.de

Rezension von Reinhard Pohorec

Reinhard Pohorec
Reinhard Pohorec
Barkeeper
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