Brotsommelier im »Steirereck«: Andreas Djordjevic präsentiert den Gästen seit knapp 12 Jahren täglich den Brotwagen.

Brotsommelier im »Steirereck«: Andreas Djordjevic präsentiert den Gästen seit knapp 12 Jahren täglich den Brotwagen.
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Breaking Bread

»Iss nicht zuviel Brot, sonst hast du nachher keinen Hunger mehr!« Eine Warnung, die heute obsolet geworden ist, denn Brot hat heute Gourmet-Status und wird zur Laibspeise.

Das Bäckerhandwerk zählt zu den ältesten Gewerben der Menschheit. Eine Renaissance der Brotbackkunst ist längst im Laufen, dennoch entscheiden sich immer weniger junge Menschen für eine Ausbildung zum Bäcker. Laut Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zählte Deutschland 2005 noch 16.108 Auszubildende, 2015 jedoch nur noch 6.268. Wie steht die Branche heute da? 

»Falstaff Karriere« sprach mit Vertretern und Galionsfiguren der Zunft, wie Andreas Djordjevic, Brotsommelier im hoch dekorierten Wiener »Steirereck«. »Wir bieten knapp 25 Brote tagtäglich an. Es ist sowohl logistisch als auch vom Zeitaufwand nicht möglich, alle Sorten selbst zu backen.« Bis zu 20 Kilogramm werden tagtäglich im Restaurant verzehrt. Die Brote werden bei vielen verschiedenen Traditionsbetrieben zugekauft. »Ich verkoste jedes Brot vorab bzw. besuche den Betrieb an sich, da ich mich einerseits von der Qualität überzeugen, andererseits auch den Betrieb und die dahinterstehenden Menschen kennen möchte.« Dadurch sei es einfacher dem Gast die Geschichten des Brots näher zu bringen, erzählt Djordjevic. Dennoch werden im Haus mittlerweile vier Brote, darunter das beliebte Blunzenbrot selbst gebacken. 
Jörg Schmid, Brotsommelier und Bäckermeister in vierter Generation, beleuchtet die Entscheidung der Eigenproduktion kritisch: »Selbst wer in der Küche fit ist, muss ein unglaubliches Fachwissen mitbringen. Die Welt des Brotbackens ist umfangreich. Es gibt ca. 40 verschiedene Vor- und Sauerteigführungen, die bei uns zum Einsatz kommen und jede bringt andere Aromen und Quellvorteile mit sich.« 

Um sich von der Masse abzuheben, setzen Gastronomen immer öfter auf speziell für sie kreierte Rezepturen, die sie beim Profi zukaufen und exklusiv in ihrem Hause ­servieren. Für Schmid ein zentrales Thema seiner Arbeit: »Ich spiele mit den verschiedenen Aromen. So wächst unser Sortiment stetig, aber natürlich müssen dann auch andere Produkte wieder gestrichen werden, da aus Kapazitätsgründen nicht alles umsetzbar ist und der Kunde auch nicht von einer zu großen Vielfalt erschlagen werden soll. Ich setze da eher auf Abwechslung.«
Ralf Gießelmann von der gleichnamigen Bäckerei entwickelte beispielsweise eine eigene Focaccia, die ein Gastronomie-Kunde mit einem Tatar füllt und leicht anbrät. »Gerade solche Kreationen machen Spaß, da sie das Bäckerhandwerk nach vorne bringen,« bekundet Gießelmann. Seine Leidenschaft für Brot schlägt sich in seinen Kreationen nieder: So belegt er ein Schoko-Chili-Kirsch-Baguette mit Ruccola, Camembert und Waldbeermarmelade. »Der Belag hat mit der Aromatik des Brots auf Augenhöhe zu sein,« weiß Schmid. Was passt wozu? »Ein kräftig gebackenes Roggenmischbrot mit viel Röstaromen und satter Säure ist der ideale Begleiter zu gewürztem Speck, dunklem Fleisch (Rind oder Lamm), kräftigem Käse wie Emmentaler und zu einem Glas Cabernet Sauvignon. Aber das Ganze sollte man nicht zu streng sehen. Erlaubt ist, was schmeckt.«
Auch die Getreidesorten werden immer vielfältiger. »Durch die Globalisierung hat sich sehr viel verändert«, weiß Gießelmann. 
Er arbeitet derzeit verstärkt mit Emma, Dinkel und Champagnerroggen, einer alten Roggensorte, die in der Champagne angebaut wurde und in den letzten Jahren wieder kultiviert wird. 
Brot als Kohlenhydratfalle zu sehen, sei verfehlt, so Gießelmann. »Brot hat eine hohe Nährstoffdichte und viele Nährwerte. Gerade im Rahmen einer veganen oder vegetarischen Ernährung kann es ein wichtiger Ernährungsbestandteil sein.« Gießelmann steht der Entwicklung der letzten Jahre positiv gegenüber: »Das Handwerk wird immer exklusiver und abwechslungsreicher. Die Ideen gehen auch nicht aus.« Die Wahrnehmung und insbesondere die Wertschätzung der Endverbraucher ändern sich. Gut so. Die Branchenprotagonisten werden diesen Ansprüchen in ihrer tag-täglichen Arbeit nur zu gern gerecht. 

Ausbildung Brot-Sommelier

An der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim wird die Ausbildung zum geprüften Brot-Sommelier angeboten. Inhalte: Sensorische Fähigkeiten, Aromen erriechen, Säure erschmecken und das Brot kategorisieren und bewerten.
www.akademie-weinheim.de
Kurse im Bereich Paneologie bietet auch das Unternehmen Haubis an. 
www.haubis.com

Qualitätskriterien

Die Profis verraten, worauf es ankommt: 

  • Die Kruste: Farbe und Form des Gebäcks geben Rückschlüsse auf den Geschmack. Beispielsweise deutet ein dunkel gebackenes Brot auf kräftige Röstaromen hin.
  • Andrücken der Kruste: Die Knusprigkeit kann gehört werden. Ein Holzofenbrot sollte eine knusprige Kruste, eine Milchkapsel eine sehr softe Kruste aufweisen.
  • Porung der Krume: Das Brot wird aufgeschnitten. Die Dicke der Kruste gibt -Rückschlüsse, ob das Brot richtig gebacken wurde. Ein klassisches, luftiges Baguette weist größere Poren in der Krume auf. -Dunkel gebackenes Brot muss eine dunkle Kruste mit einer guten Stärke haben. 
  • Verkostung: Zuerst wird die Krume gegessen. In der Kruste befinden sich 80 % der Aromen eines Brotes, deshalb wird zuerst nur das Innere probiert, um einen sehr feinen Eindruck zu bekommen. Durch langes Kauen entfaltet sich erst der endgültige Geschmack. Danach kommt die Krume und Kruste, damit ein sensorischer Gesamteindruck des Brotes entsteht. Diese können je nach Gebäck von malzig, röstig bis laktisch, karamellig oder dem Aroma von frisch geschnittenem Gras reichen.

Falstaff stellt einige von ihnen vor...

Aus dem Falstaff Karriere Magazin 03/2016.

Alexandra Gorsche
Alexandra Gorsche
Herausgeberin Profi
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