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Bratwurst: Grilling me softly

Würste sind der Klassiker am Grill. Doch welche eignen sich am besten? Falstaff hat sich auf die Suche nach den besten Wurstkreationen und Produzenten gemacht.

Die Wurst ist das eingelöste Heilsversprechen, dass am Ende wirklich alles gut wird und dass es kein unessbares Stück vom Tier gibt, bloß unpassende Zubereitung: Aus anders kaum verwertbaren Zutaten wie Blut und Darm entsteht eine Köstlichkeit. Zudem eröffnet sie ihrem Schöpfer beinahe unbegrenzte Möglichkeiten: Ein Steak und Kotelett stellt Fleischer und Koch vor fast vollendete Tatsachen – eine Wurst aber kann in das perfekte Stück Fleisch verwandelt werden. Die Wurstkultur erlebt eine zarte Blüte. Ähnlich wie auch beim Bier und bei den Bäckern nehmen sich immer mehr kleine, motivierte Produzenten der Wurst an und verkaufen qualitativ hochwertige, ungewöhnliche Würste. Vor allem bei den rohen Bratwürsten hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan – noch ist die Szene überschaubar, aber sie wächst stetig. »Es gibt eine neue Klasse der Kreativmetzger, die eine unglaubliche Vielfalt in ihre Wurst packen«, sagt etwa Hendrik Haase, selbst ernannter »Wurstsack«, Wurstaktivist und einer der Betreiber der Berliner Metzgerei Kumpel und Keule. »Gerade bei einer Bratwurst kann man zeigen, wer man ist und was man draufhat, man kann eine Handschrift entwickeln.« 
Übers Jahr verteilt, hat Kumpel und Keule mehr als vierzig verschiedene, teils saisonale Würste im Programm.
Viele dieser neuen Wurstmacher fasziniert die Gestaltungsmöglichkeit: »Würste sind ein so vielfältiges Produkt, und die Möglichkeiten bei den Rezepten sind endlos«, sagt Richard Holmes, ein gebürtiger Brite, der seit einigen Jahren in Österreich unter dem Namen »Britwurst« Rohwürste kreiert und verkauft. »Ich beginne mit einer Basis von Fleisch und Salz, aber dann kann ich tun und lassen, was ich möchte.« Er bietet etwa traditionelle britische Frühstückswürste, aber auch Ausgefalleneres wie Thai-Wurst mit Zitronengras und Galgant an. In Deutschland sticht in puncto Kreativität Fleischermeister Peter Inhoven hervor, der unter anderem Würste wie »Politbüro« (nur aus regionalen Zutaten) oder »Transsylvanische« (mit Blut) im Angebot hat. In der Schweiz und über ihre Grenzen hinaus hat sich Patrick Marxer einen Namen mit Würsten der Extraklasse gemacht. Er mischt etwa konfierte Zwiebel und Guernsey Blue, edlen Blauschimmelkäse, in sein Schweinsbrät.
Über das, was eine richtig gute Wurst ausmacht, sind sich Wurst-Connaisseure recht einig: frische, gute Zutaten. »Wenn du mit alten Schweinerassen arbeitest, merkst du zum Beispiel den Unterschied in der Fettqualität«, sagt »Wurstsack« Haase, »das ist total wichtig bei einer Wurst.« Und Wurst-Abo-Anbieter Marxer warnt vor zu viel Gewürz: »Die feine Note macht die Wurst interessant, das ist die Kunst«, sagt er und rät: »Mit Wenigem pointiert würzen – so zeigst du, was du kannst.« Und: Die beste Bratwurst nutzt nichts, wenn sie lieblos gegrillt wird. Nur vorsichtige, zarte Hitze führt zum Erfolg. »Sie muss in der Mitte unbedingt rosa bleiben«, sagt Marxer, »nur wenn sie nicht übergart ist, merkst du, was der
Komponist der Wurst eigentlich wollte.«

SALSICCIA

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Die Wurst zum Italien-Urlaub – in den USA ist sie bis heute als »Italian Sausage« bekannt. Salsiccias sind kräftig gewürzte Rohwürste aus Schweinefleisch. Noch im 19. Jahrhundert durfte in Italien per Gesetz Wurst nur aus Schwein gefertigt werden. Eine Ausnahme war die »Salsiccia di Bra« in Norditalien, eine meist roh verspeiste, grobe Kalbswurst, für deren Fertigung die Fleischer von Bra 1874 eine Ausnahmegenehmigung erhielten. Ihren mediterranen Geschmack verdankt die Salsiccia meist Fenchel, aber auch Anis, Koriander und Wein sind oft Bestandteil der Mischung. Die Würzung variiert je nach Region. Salsiccias werden klassisch im Darm gegrillt, oder die Füllung wird herausgepresst und dann gebraten. Auch zum Würzen wird sie in Speisen gemischt, von Pasta bis Risotto. Außer in Bra, da wird sie roh zum Apéro gegessen. Gute heimische Salsiccias fertigt Markus Dormayer.

MERGUEZ

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Eine Wurst wie aus 1001 Nacht, und der Beweis, dass nicht nur Schweine gute Würste abgeben. Für Wursthändler Marxer ist eine gute Merguez »absolute Spitzenklasse«. Marokko-Urlauber kennen sie von den Straßengrills in Marrakesch, wo sie bis spät in die Nacht über Kohlen gebraten und dann mit Brot und Harissa serviert werden. Daheimgebliebene finden sie bei arabischen oder ambitionierten Fleischhauern. Ihren typischen Geschmack verdankt sie einerseits der Tatsache, dass sie aus Lammfleisch und -fett gefertigt wird (an sich schon sehr aromatisch) und andererseits dem halben Gewürzbazar, der hier in den Schafsdarm darf: Klassisch sind etwa Kreuzkümmel, Fenchel, Piment, Kümmel und Pfeffer. Wer einmal eine gute probiert hat, kauft nie wieder eine Lammkeule, ohne noch ein paar Merguez mitzunehmen. Gute gibt es von der burgenländischen Wurstmanufaktur Palatin.

CEVAPCICI

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Die Grillwurst par excellence, weil sie traditionell ausschließlich über Kohlen gegart wird – bereits das Braten in der Pfanne empfinden Puristen als Blasphemie. Ihre spezielle, wohlig weiche, aber doch bissfeste Konsistenz verdankt das Cevapi (gern als »Cevapcici« verniedlicht) einerseits dem Salz, das wie bei allen Würsten zur Fleischbindung führt, andererseits munkeln manche, Großmütter auf dem Balkan würden gern mit ein wenig Natron nachhelfen. Die genaue Zusammensetzung variiert, es gibt mehr Cevapi-Rezepte als Fleischer zwischen Wien und Sarajevo. Meist enthält die Wurst Rind und/oder Lamm, nur bei serbischen Fleischern wird auch Schwein mitfaschiert. Gemeinsam ist allen, dass sie anschließend nicht in Darm gepresst, sondern sozusagen nackt verzehrt werden. Das hat auch Vorteile: Auf der großen, unregelmäßigen Oberfläche haftet der Rauchgeschmack noch viel besser.

KALBSBRATWURST

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Wenn Westösterreicher oder Schweizer über eine Grillwurst schwärmen, dann ist es meist eine Kalbsbratwurst. Kalbsbratwürste werden aus mindestens fünfzig Prozent Kalbfleisch, etwas Schwein, mitunter Schweinefett und Milch gefertigt. Der Teig ist extrem fein und cremig, mit der bekannten nobel beigen Farbe. Vor dem Grillen wird sie idealerweise »gekreuzelt«, also mit einem Messer kreuzweise eingeschnitten. Connaisseure grillen sie auf niedriger bis mittlerer Hitze zwanzig Minuten lang, bis sie so richtig braun und knusprig wird. Dazu gibt’s Zwiebel­sauce und Rösti. In der Schweiz genießt die St. Gallener Kalbsbratwurst gar den Status einer geschützten Herkunftsbezeichnung. Nicht nur, aber auch am Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August, sind sie eines der beliebtesten Grillobjekte. »Köstliches aus Vorarlberg« vertreibt hierzulande sehr gute Bio-Kalbsbratwürste von der Metzgerei Walser in Meiningen.

THAI-WURST

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Haben Sie sich immer schon gefragt, wie wohl eine Mischung aus Schweinswurst und Thaicurry schmecken würde? Genau so wie die »Thai Sausage« von Britwurst. Wie alle Britwürste hat sie eine grobe, aber gut gebundene Konsistenz, das Schweinsaroma ist zart, darüber strahlen kräftige Gewürznoten nach Zitronengras, Galangal und Kaffirblättern. Dazu hat sie eine angenehme, deutlich präsente Schärfe und eine prächtige orange Farbe. Noch ein Tipp für Thai-Freunde: ­Probieren Sie einmal die vergorene Wurst »Sai Krok Isan«. 

KÄSEKRAINER

© Radatz / Ritchy Pobaschnig

In Wien ist die Käsekrainer die unangefochtene Königin der Grillwürste: Nur ausreichend (Glut-)Hitze sorgt dafür, dass sich der Käse als knusprig-salzige Kruste außen an die Wurst schmiegt – so richtig gut ist eine Käsekrainer daher erst Sekunden, bevor sie verbrennt. Die Ur-Krainer ist eine grobe, leicht geräucherte Schweins- und Rindswurst und verdankt ihren Namen der Krain, einer Gegend im heutigen Nordslowenien. Die Käsekrainer dürfte erst in den 1970ern in Österreich entwickelt worden sein, wobei mehrere Fleischhauer die Urheberschaft für sich beanspruchen. Anfangs wenig beachtet, ist sie heute der Klassiker am Würstelstand. Gute Käsekrainer gibt es bei: Seebauer am Gleinkersee (vom Weideschwein), Tschürtz und Radatz (angeblich das Original).

DIE PRODUZENTEN

Otmar Tschürtz, Richard Holmes und Heinz Schmeissl
Fotos beigestellt (l. u. r.) / M. © Ingo Pertramer
Otmar Tschürtz, Richard Holmes und Heinz Schmeissl

TSCHÜRTZ
Otmar Tschürtz leitet die Traditionsfleischerei. Er fertigt nicht nur feinen Schinken, sondern auch exquisite Käsekrainer, die in Wien exklusiv über den Käseshop »Der Schweizer« in der Wollzeile vertrieben werden.
Herrengasse 27, 7022 Loipersbach im Burgenland, www.der-tschuertz.com
BRITWURST
Richard Holmes war einer der ersten »jungen wilden« Wurstmacher in Österreich. Er begann für die britische ­»Expat-Community« in Wien Wurst zu machen und hat mittlerweile mit seinen bunten Kreationen viele Anhänger.
Stuckgasse 12, 1070 Wien, britwurst.com
SEEBAUER AM GLEINKERSEE
Heinz Schmeissl ist Feischhauermeister im Gasthof »Seebauer« in Oberösterreich. Für seine Würste bezieht er das Fleisch ausschließlich von eigenen Tieren, die ihr Leben lang am Gleinkersee im Schlamm wühlen dürfen und die er selbst schlachtet.
Gleinkersee 2, 4575 Roßleithen, www.gleinkersee.at/landwirtschaft.html
MARKUS DORMAYER
Wiener Straße 1, 2103 Langenzersdorf, www.dormayer.at
KÖSTLICHES AUS VORARLBERG
Nur im Online-Shop erhältlich: koestlichesausvorarlberg.at

Aus Falstaff Magazin 05/2017

Tobias Müller
Autor
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