In der variantenreichen Welt der Pilze ist längst noch nicht alles erforscht.

In der variantenreichen Welt der Pilze ist längst noch nicht alles erforscht.
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Braten, frittieren, haltbar machen: So bereiten Sie Pilze richtig zu

Pilze sind Musterschüler unter den Zutaten. Sie sorgen in Kochtopf und Pfanne für kulinarische Überraschungen und können in einen kreativen Speiseplan eingearbeitet werden.

Es sind nur zwei Wiesen, die ­der Spitzenkoch überqueren muss, ehe die Wälder beginnen. Thorsten Probost kennt das Gebiet am Arlberg zwischen Mohnenfluh und Wöster wie kaum ein anderer. Hier oben auf gut 1600 bis 1700 Metern Seehöhe findet er jene schmackhaften Emporkömmlinge, die ihre Kraft direkt aus den nährstoffreichen Böden der Wälder ziehen: Gerade in der Herbstzeit sind Schwammerl und Pilze gern gesehene Hauptdarsteller auf den Tellern der heimischen Feinschmecker. Und sie bieten weit mehr kuli­narischen Reichtum, als man das durch schnelles Braten, Schmoren oder Backen ­erahnen würde.

In der Linken den Korb, in der Rechten die Sichel, arbeitet sich Probost den Hügel hinauf. Rasch verschwinden die Schätze des Waldes unter dem Tuch, das den Korb bedeckt – die letzten Eierschwammerl, einige Steinpilze ebenso wie Schopftintling, Reizker oder Habichtspilz. »Der Wald gibt so viel mehr her als die zwei, drei Pilzsorten, die die meisten kennen«, sagt Probost. 

Spektakuläre Gattung

Und er hat recht: 15.000 verschiedene ­Pilze sind allein in Österreich heimisch, ­von mehreren hundert weiß man, dass sie genießbar sind, gut ein Dutzend gilt als tödlich. Weltweit kursieren über die Anzahl der Pilzarten übrigens nur Schätzungen, die von 1,5 bis fünf Millionen reichen. Neben Tieren und Pflanzen sind Pilze in der bio­logischen Klassifikation das dritte große Reich der Lebewesen. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sind sie mit Tieren sogar näher verwandt als mit Pflanzen.

So oder so eine spektakuläre Gattung: Mit einem Durchmesser von gut hundert Zentimetern gilt der afrikanische Termitomyces titanicus als größter Speisepilz der Welt. In Österreich wurde im Oktober 2019 am Patscherkofel ein Steinpilz entdeckt, der rekordverdächtige 2,35 Kilogramm auf die Waage brachte. Und geht ­es nach dem Myzel – also dem eigentlichen Pilz, der unterirdisch wächst –, so dehnt sich der weltweit größte Pilz auf fast 1000 Hektar Wald im US-Bundesstaat ­Oregon aus, mit einem Gewicht von mehr als 600 Tonnen und einem geschätzten Alter von 2000 Jahren. Es ist ein Dunkler Hallimasch, übrigens. Dessen Artgenossen, den Honiggelben Hallimasch, findet Thorsten Probost auch in den Wäldern rund um Oberlech. Er wächst auf totem Holz, ist roh allerdings giftig. Deshalb sollte er zumindest 15 Minuten lang gekocht werden.

Generell liefert auch hier die Natur die perfekten Zutaten zu den Pilzen. Waldklee zum Beispiel sorgt mit seiner Säure dafür, dass Pilze nicht zu schwer im Magen liegen, und auch der Wald-Ehrenpreis, ein Heilkraut aus der Familie der Wegerichgewächse, macht Pilze für den Körper verträglicher. Neben klassischen Gerichten wie gebackenen Pilzen mit Sauce tartare oder Schwammerl mit Nudeln oder Knödel finden die Waldgewächse in der Küche allerdings auch noch anderen Einsatz. Reizker etwa legt Probost mit verschiedenen Kräutern in zwei Drittel Honig und ein Drittel Essig ein, ehe er geschnitten und blanchiert als süß-säuerliche Spezialität im Glas haltbar gemacht wird. Habichtspilz wird getrocknet und zerrieben als Würzpulver eingesetzt. »Generell wird den eher unbekannten Pilzen wieder mehr Beachtung geschenkt«, stellt Probost fest.

Faszinierende Welt

Das kann auch Heinz Reitbauer bestätigen. Der aktuell mit vier Falstaff-Gabeln (99 Punkte) und zwei Michelin-Sternen dekorierte Spitzenkoch setzt in seinem »Steirereck« im Wiener Stadtpark gekonnt auf Seltenes von heimischen Wiesen und Wäldern. Seit gut fünf Jahren beschäftigt er sich zudem so intensiv mit der Welt der Pilze wie kein zweiter Koch in Österreich. Standen Schwammerl wie Igelstachelbart, Stockschwamm, Hexenbart, Schopftintling oder Täubling lange Zeit nur in zweiter Reihe, ragen sie heute an vorderster kulinarischer Front heraus. »Das ist eine faszinierende Welt, in der wir erst am Anfang stehen, es gibt ständig Neues zu entdecken«, so Reitbauer. »Man muss für jede Sorte herausfinden, wie sie am besten zubereitet wird, wie sie ihren Geschmack am schönsten zeigt, und wie sie gut bekömmlich ist. Wir haben gelernt, dass Täublinge etwa bis zu 20 Minuten garen müssen, bis sie zart und genießbar werden. Sie behalten dabei trotzdem ihren nussigen Geschmack. Andere Pilze würden bei diesem Garungsprozess längst zerfallen.« So kombiniert Reitbauer derzeit etwa Marchfelder Artischocken mit Mohn, Pfirsich und Täubling.

Auch in den Supermärkten hat sich die neue Lust auf Schwammerl bereits bemerkbar gemacht. Vor allem das Angebot an Zuchtpilzen ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden: Austernpilze und Kräuterseitlinge zählen zu den Topsellern, die Ware stammt zu einem Großteil aus Österreich, meist sogar mit Bio-Zertifikat. Shiitake- oder Enoki-Pilze werden aus Thailand importiert. Frische ist das wichtigste Qualitätsmerkmal. Generell gilt: je jünger der Pilz, desto hochwertiger. Schlechte Ware erkennt man schnell am modrigen Geruch. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Schwammerl in Österreich hält sich laut Statistik seit Jahren übrigens konstant zwischen zwei und 2,3 Kilogramm.

Umami-Effekt

Die geschmackliche Power der Pilze macht sich auch Paul Ivić vom vegetarischen Wiener Sternerestaurant »Tian« zunutze. Für ihn dienen sie als Grundlage für Suppen oder Saucen. Pilze sind in dieser Hinsicht generell wahre Wunderwerke. Die Consommé im »Tian« aus geräucherten Champignons mit Liebstöckel und einer Artischocken-Liebstöckel-Creme ist eine veritable Umami-Bombe – und der beste Beweis dafür, dass es überhaupt kein Fleisch braucht, um den Zustand der Glückseligkeit am Gaumen herbeizu­führen. »Ein Pilzzüchter aus meiner Tiroler Heimat brachte mir einen ursprünglich in Brasilien heimischen Mandelpilz, dessen Aroma von schier unglaublicher Intensität ist«, erzählt der Küchenchef. Wie beim Wein hängt die Qualität auch bei Pilzen stark vom Terroir ab. »Als ich später einmal Mandelpilze aus Deutschland kostete, war ich enttäuscht«, sagt Ivić. Überraschen kann der Umami-Effekt der Schwammerl übrigens sogar in Desserts. Die reduzierte Kraft aus Steinpilzen und Morcheln peppt auf einzigartige Weise auch Süßes auf: Steinpilz-Eis, Waldbeeren-Ragout und Es­tragon-Öl kombiniert der südsteirische Koch Alexander PoschVinea«, Ehrenhausen) zu einer Geschmacksbombe aus süßen und salzigen Aromen, die fantastisch mit der Säure der Beeren harmonieren. 

»Die besten Produkte sind so nah«, sagt Thorsten Probost. »Wir müssen nur genau hinsehen.« Und damit meint er nicht nur das, was man sich aus den Wäldern herausholen kann, sondern auch das, was bleibt. »Wer auf Schwammerlsuche geht, sollte darauf achten, nichts zu zertrampeln. Viele Pilze sind wichtig für die Tiere und somit auch für das Waldklima. Erst wer der Natur mit diesem Respekt begegnet, ist reif für die Schätze des Waldes


Frittieren und Panieren

Für das Frittieren eignet sich zum Beispiel der Schopftintling (findet man an Wegrändern und Wiesen). Um das kräftige Aroma aus dem Schopftintling herauszulocken, sollte man ihn zunächst in einem Würzfond einlegen, danach trocknen und erst dann frittieren. So bekommt er eine fluffig-poröse Konsistenz, die an gepoppte Schweineschwarte erinnert und auf jedem Teller für eine geschmackliche Überraschung sorgt. Die Klassiker sind natürlich panierte Champignons oder Steinpilze. Wichtig dabei ist, dass die Pilze in nicht zu dünne Scheiben geschnitten werden, Champignons können sowieso als Ganzes paniert werden. Eine alternative Möglichkeit ist es auch, die Pilze im Tempura-Teig (Weizen- oder Reismehl, Stärke, Backpulver, Salz und Wasser) herauszubacken.


Braten und Kochen

Besonders gut braten lassen sich Steinpilze, Champignons, Herbsttrompeten und Kräuterseitlinge. Und so geht’s: Pilze mit einem weichen Tuch abreiben, braune Stellen entfernen und in feine Scheiben schneiden. Da die Pilze zu einem überwiegenden Teil aus Wasser bestehen, sollte man sie in einer heißen Pfanne ohne Fett scharf anbraten. Erst nach dem Austreten der Flüssigkeit Butterschmalz und fein gehackte Zwiebel hinzufügen. Bei kleiner Hitze gute zwei Minuten dünsten und mit Petersilie, Salz und Pfeffer abschmecken, zum Schluss in Butter schwenken. Alternativ kann man sehr fein geschnittene Streifen der Pilze auch für wenige Sekunden in heißes Wasser geben, daraus entwickelt sich ein sehr intensives Aroma.


Pilzpulver

Sollte eigentlich in keiner Küche fehlen – und auch die Zubereitung ist denkbar einfach. Für das Pilzpulver empfehlen sich alle Pilze, die auch zum Trocknen geeignet sind – wie etwa Steinpilze, Morcheln, Herbsttrompeten, Korallenpilze oder Shiitake. Die klein geschnittenen Pilze am besten im warmen Raum trocknen lassen und danach noch einmal für 12 Stunden bei 50 Grad in den Backofen geben (einen Spalt offen lassen, damit die Feuchtigkeit entweichen kann). Die getrockneten Pilze zu einem feinen Pulver mixen und noch einmal durch ein Sieb streichen. Mit dem Pilzpulver kann man jeder Sauce eine ganz spezielle Power verleihen. Vor allem für Wildgerichte eignet sich das Pulver hervorragend. Das beste Aroma entwickelt sich, wenn das Pilzpulver in zerlassener Butter angeschwitzt wird. Aufbewahrt wird es am besten in einer Dose in dunkler Umgebung.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2020

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Michael Pöcheim Pech
Autor
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