Bordeaux Primeur: ein erster Stimmungsbericht
Da geht's lang.
© Ulrich Sautter

Da geht's lang.
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Poelierte Stopfleber mit Trüffel zur Vorspeise, Taubenbrust mit getrüffeltem, im Risotto-Stil geschmortem Sellerie zum Hauptgang: Nimmt man das Menü zum Maßstab, das die Union des Grands Crus der Presse zur Eröffnung der Primeurwoche auf Château Brane-Cantenac in Margaux spendierte, erhofft sich Bordeaux sehr, sehr viel von der kommenden Kampagne. Und, um mit der Tür ins Haus zu fallen: Es sieht ganz so aus, dass sich die Erwartungen erfüllen werden.
Denn der Jahrgang 2016 zeigt sich bei der Verkostung der Fassmuster von einer bemerkenswerten Fruchtigkeit und Frische. Anders als in mittleren Jahren, die in ihrer Jugend ebenfalls durch fruchtigen Charme bestechen können, haben die Weine Tiefe und kraftvolles Tannin. Die Gerbstoffe belegen ihrerseits die Klasse des Jahrs: Denn selbst wo sie eine besonders große Konzentration erlangen, sind sie selten adstringierend oder bitter.

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Um ein Körnchen Salz in die positive Einschätzung zu streuen: Auch in 2016 kann man nicht wahllos subskribieren. Weingüter und Lagen, die stärker vom Trockenstress des Hochsommers betroffen waren, haben Weine mit einem Hang zur Breite, zu einer trocknenden Gaumenstruktur und mit einem Mangel an aromatischem Reichtum hervorgebracht.
Diese Einschätzung betrifft nur einen kleineren Teil der Rotweine, aber leider die Mehrzahl der Weißweine aus Bordeaux. Denn Sauvignon blanc und Sémillon – beide im Bordelaiser Kosmos früh reifende Sorten – konnten von den erfrischenden Regengüssen Anfang/Mitte September und vom makellosen Herbst nicht mehr profitieren, sie waren zu diesem Zeitpunkt bereits gelesen.

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Auch für die edelsüßen Weine aus Sauternes und Barsac war es ein schwieriges Jahr: Die Botrytis hat auf den weniger exzellenten Weingütern viel Unreifes konzentriert, auf manchem Château war die Fäulnis zudem nicht wirklich edel – man muss bei den vins liquoreux besonders sorgfältig auswählen. Eine sichere Wette ist indes neben Yquem und Climens dieses Jahr ganz besonders Doisy-Daëne.

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Die Proben werden noch bis Freitag andauern, dabei wird sich das Bild weiter verfeinern. Eines scheint jedoch jetzt schon klar: Allzu günstige Tarife sollte man sich für die 2016er nicht erhoffen. Die Châteaux werden nicht müde zu betonen, dass die jetzt gelesenen – vergleichsweise reichlichen – 50 Hektoliter pro Hektar noch in den achtziger Jahren als außergewöhnlich niedriger Ertrag angesehen worden wären. Ein solches Antichambrieren verheißt in der Regel wenig Gutes für die Preise. Ebenso wenig die Tatsache, dass unter den 6500 akkreditierten Verkostern der Semaine des Primeurs in der Länderstatistik nach den Franzosen die Chinesen die zweitgrößte Besuchergruppe stellen.
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