Bordeaux Arrivage: St. Julien 2010 und 2011

Im Rahmen einer Blindprobe im Jänner 2014 wurden die Grands Crus Classés und die Zweitweine des Jahrgangs 2011 sowie die Crus Classés aus dem großen Jahrgang 2010 verkostet.

St. Julien, Grands Crus Classés 2011
Château Léoville-Poyferré war Gastgeber der Blindprobe der klassifizierten Gewächse der Appellation St. Julien aus dem Jahrgang 2011, auch die Zweitweine wurden erstmals verkostet und bewertet. Die Gruppe der 2011er zeigte sich ziemlich homogen und von guter Qualität, die Weine verbinden Komplexität mit Frische und Mineralik. Neben dem am Jahrgang gemessen als ausgezeichnet zu beurteilenden Gruaud-Larose gefielen in dieser noch frühen Phase die Weine von Léoville-Poyferré, bei dem ein genereller Trend nach oben anhält und das man auch zukünftig im Auge behalten sollte sowie der Léoville Barton. Der Primus inter pares der Region, Léoville-Las-Cases, der noch bei der En Primeur-Probe klar dominierte, stürzte bei der Arrivage-Probe, die blind durchgeführt wurde, von 94 auf 90 Punkte ab, die hier gezeigte Flasche war also einigermaßen unbefriedigend. Der Wein wird wie alle anderen 2011er nächstes Jahr nochmals die Chance bekommen, sich zu präsentieren, dann wird man ja sehen. Ebenfalls hinter den Erwartungen blieb Château Talbot. Bei den Zweitweinen gefielen der Amiral de Beychevlle, Fiefs de Lagrange und Moulin Riche, der Clos de Marquis war gut, aber nicht so gut wie erwartet.

Château Gruaud-Larose 2011 / Foto beigestellt

Falstaff-Experten-Tipp: Château Gruaud-Larose 2011 (93/100)
Dunkles Rubingranat, violette Reflexe, dezente Randaufhellung, attraktives schwarzes Beerenkonfit, feine Holzwürze, zart nach Lakritze und Brombeerkonfit, ein Hauch von Trockenkräutern. Saftig, elegant, feine Kirschenfrucht, feste Tannine, finessenreiche Säurestruktur, dunkle Frucht im Abgang, angenehme Extraktsüße im Nachhall, kühle Stilistik, hat einige Zukunft.


Ab rund 50 Euro ist dieses Zweitgewächs aktuell im Handel zu finden und man tut gut daran, danach zu suchen, wenn man sich einige Vertreter des Jahrgangs 2011 zulegen will. Bei der En Primeur-Probe zeigte sich der würzige Gruaud-Larose noch etwas verhaltener, im Laufe der Zeit präsentiert er sich immer elegant und gefällt durch seine frische, fast kühl anmutende Stilistik, die ihn zu einem vielseitigen Speisenbegleiter machen wird.

St. Julien 2010
Nachprobiert wurden auch die bereits im Vorjahr in gefülltem Zustand nachprobierten Crus Classés aus dem großen Jahrgang 2010, und ganz im Gegensatz zu 2011 dominierte hier ein Wein die Blindverkostung: Léoville-Las-Cases, der neue Herausforderer Léoville-Poyferré ist ihm aber auf den Fersen. In diesem herausragenden Jahrgang herrscht auch in St. Julien wahrlich kein Mangel an Spitzengewächsen, allerdings haben sich deren Preise nicht gerade als animierend herausgestellt. Die extrem hohen En-Primeur-Preise haben den Absatz nicht gerade erleichtert, bei genauerem Hinsehen findet man jetzt schon den einen oder anderen Wein unter dem ursprünglichen Subskriptionspreis. Der Grund dafür ist allerdings nicht in der Qualität der Weine zu suchen, sondern in einer Überschätzung der Märkte.

Langoa-Barton 2010 / Foto beigestellt

Falstaff-Experten-Tipp: Langoa-Barton 2010 (95/100)
Tiefdunkles Rubingranat, violette Reflexe, zarte Randaufhellung, feine Edelholzwürze, schwarze Beeren, tabakige Nuancen, etwas Vanille und Nougat im Hintergrund, facettenreiches Bukett. Stoffig, elegant, feine dunkle Beerenfrucht, von festem Tannin getragen, extraktsüß im Abgang, ein Hauch von Karamell im Nachhall, verfügt über pure Frucht und gute Frische, dunkle Schokolade im Rückgeschmack, großes Potenzial.

Ich habe diesen Wein bereits bei der Arrivage-Probe im Vorjahr gegenüber der En-Primeur-Bewertung aufgewertet und mit Penfolds legendärem Cabernet BIN 707 verglichen, aber dieser höchst vergnügliche Langoa hat diesmal nochmals eine Spur zugelegt. Auch wenn viele Kenner dem Léoville-Barton vom gleichen Besitzer den Vorzug geben mögen, diesmal tritt der kleine Bruder, immerhin ein Troixième Grand Cru mit seinen 73 Prozent Cabernet Sauvignon in der Cuvée überdeutlich aus dem Schatten. Für etwa 70 Euro bekommt man einen Wein, der in den nächsten 30 Jahren unter Garantie für Freude sorgen wird.

Verkostungsnotizen
St. Julien 2011 Grands Vins
St. Julien 2011 2. Vins
St. Julien 2010 Grands Vins

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Text von Peter Moser

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