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Best of: Sandwiches aus aller Welt

Das Sandwich vereint einfach zu viele tolle Dinge, um nicht geliebt zu werden. Wir präsentieren sechs Rezepttipps.

Es soll Menschen geben, die sich beim Braten von Roastbeef oder Lammkeule am allermeisten auf die Sandwiches am Tag nach dem Festessen freuen. Das Fleisch hat dann eine Nacht Zeit gehabt, sich aromatisch weiter zu entwickeln und noch zarter zu werden, es kann mit extra Schmelz in Form von Butter oder Öl veredelt werden, und die gelierten Säfte, mit ins Brot gepackt, verleihen ihm eine geschmackliche Konzentration, die es frisch kaum erreichen kann.

Mehr als die Summe der einzelnen Teile

Da kommt ein ordinärer Braten, frisch aus dem Rohr, einfach nicht mit. Ganz allgemein gehört das Sandwich zur allerbesten Art von Essen, weil es so viele Vorteile in sich vereint: Es haucht allem, was man hineinpackt, wie durch ein Wunder neues Leben ein, und macht aus seinen Zutaten – Fleisch, Gemüse, Käse, Senf, Sie nennen es – im Idealfall viel mehr als die Summe seiner Teile.

Ganz abgesehen davon erlaubt es uns, Dinge zu kombinieren, die sonst nur selten zusammenfinden: Probieren Sie unbedingt mal ein Grilled Cheese mit Sauerkraut!

Minimalismus zum Essen

Das Sandwich gehört zur wunderbaren Klasse der Gerichte, die ihr eigenes Geschirr und Besteck sind – es ist Essen reduziert auf das Wesentliche, Minimalismus in seiner schönsten und besten Form. Keine störende Schicht Kultur, keine Zügel der Zivilisation schieben sich in Form von Besteck zwischen uns und das Objekt unserer Begierde. 

Dass Essen mit den Fingern nicht barbarisch, sondern schlicht lustvoll ist, beweisen zahlreiche Hochkulturen wie die Inder oder die alten Perser, die jahrhundertelang ohne Besteck ausgekommen sind.

Ein gutes Gefühl

Zu Geruch, Geschmack und Aussehen kommt auch noch das Gefühl hinzu, und zwar nicht nur im Mund, sondern auch in den Fingern. Gut möglich, dass es sogar evolutionäre gute Gründe gibt, aufs Besteck zu verzichten: das Saugen an den Fingerspitzen während des Esses soll helfen, gewissen Nerven und damit die Verdauung zu aktivieren.

Resteverwertung

Wie der Knödel oder die Teigtasche übernimmt das Sandwich außerdem eine ganz wesentliche zivilisatorische Aufgabe: Es hilft uns, Reste zu verwerten, die vielleicht nicht so hübsch anzusehen, aber ganz köstlich sind (Die Grillplatte am Tag danach, das besonders saftige Fleisch am Knochen des Bratens, dass zurück bleibt, weil man es nicht in Scheiben schneiden kann, die halbe Portion Sugo, für die sich das Nudelkochen nicht lohnt ...). 

Geringer Aufwand

Weil der Großteil der Arbeit bereits getan ist, geht das Sandwichmachen meistens ziemlich schnell – ein Sandwich hat mitunter das bestmögliche Verhältnis zwischen Aufwand und geschmacklicher Wirkung. Und, vielleicht das allertollste: Weil es so unkompliziert ist, erlaubt es uns, überall zu essen, wo wir wollen oder gerade sind. Im Garten hinterm Haus, auf der Lichtung beim Waldspaziergang, am Strand, am Steg am See, oder am Berg mit Blick über das ganze Land – das Sandwich ist dabei und schmeckt gleich doppelt so gut. 

Auf der ganzen Welt beliebt

Es wundert daher wenig, dass das Sandwich in der einen oder anderen Form in so gut wie jeder Kultur bekannt und beliebt ist: In Süd- und Mittelamerika werden Tacos und Quesadillas geschlemmt, in Asien Dampfbrote gefüllt und im Nahen Osten Pita, der Italiener bäckt Pizza und Panini, der Däne schmiert Smörrebröd, der Nordamerikaner mampft Hamburger (und Unmengen anderer gefüllter Brote, angeblich knappe 200 Sandwiches pro Mund und Jahr!), und in Afrika essen etwa die Äthiopier im Grunde nur Sandwiches: Injera, die traditionelle und unverzichtbare Sauerteigflade des Landes, ist Teller, Tischtuch und Besteck in einem. 

Earl of Sandwich

Den einzigen, denen einfällt, so etwas wie ein Patent auf das Sandwich zu beanspruchen, sind die Engländer. Sie werden nicht müde zu betonen, dass es auf John Montagu, 4th Earl of Sandwich, zurückgehen soll, der angeblich als erster Mensch im 18. Jahrhundert auf die Idee kam, kaltes Fleisch zwischen zwei Brotscheiben zu legen – knappe 10.000 Jahre nach Beginn der Backgeschichte.

Das kann nur stimmen, wenn man von einer sehr engen Sandwich-Definition (Pökelfleisch zwischen zwei Scheiben Toast) ausgeht. Menschen mit weiterem Horizont sollten diesem Mythos stets entgegenhalten, dass bereits der jüdische Weise Hillel der Ältere vor mehr als 2000 Jahren laut Talmud »bittere Kräuter« und Lamm zwischen zwei Matzebroten aß. 

Im Gegensatz zum vierten Earl of Sandwich war das auch bei Weitem nicht die einzige nachhaltige kulturelle Leistung des Mannes. Er soll auch als erster westlicher Philosoph die vielleicht berühmteste Regel der Ethik formuliert haben: »Was dir nicht lieb ist, das tu’ auch deinem Nächsten nicht.« 

Im Umkehrschluss heißt das: Wer selbst gerne Sandwiches isst, der sollte auch seinen Liebsten welche machen. Falls Sie Inspiration brauchen: Hier finden Sie sechs köstliche Rezepte von Tel Aviv bis Tokyo.


Erschienen in
Falstaff Rezepte 02/2020

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Tobias Müller
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