Gin ist bereits seit dem 19. Jahrhundert Nationalgetränk in England. Derzeit erlebt er eine weltweite Renaissance und gilt als eine der trendigsten Spirituosen überhaupt.

Gin ist bereits seit dem 19. Jahrhundert Nationalgetränk in England. Derzeit erlebt er eine weltweite Renaissance und gilt als eine der trendigsten Spirituosen überhaupt.
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Best of Gin aus England

Gin ist die National-Spirituose der Briten. Dabei wurde er gar nicht in England erfunden. Wie der Wacholder-Schnaps auf die Insel kam und wie man ihn am besten trinkt, lesen Sie hier.

Elizabeth Bowes-Lyon, Mutter von Queen Elizabeth II. und besser bekannt als Queen Mum, wurde bekanntlich biblische 101 Jahre alt. Und der Legende nach soll sie sich bis zuletzt mindestens ein üppig gefülltes Glas Gin am Tag genehmigt haben. Offiziell erst nach 18 Uhr, doch laut diversen Konfidenten muss es wohl Tage gegeben haben, an denen sie schon zu Mittag nach dem ersten Drink verlangte, um die Wartezeit bis 18 Uhr zu verkürzen. Ihre konsequente Vorliebe für das Wacholder-Destillat gilt jedenfalls als verbrieft.

Auch Sir Winston Churchill, dem man nachsagte, er hätte stets den ganzen Tag lang Alkohol im Blut gehabt, ohne je wirklich betrunken gewesen zu sein, machte kein Hehl aus seiner Leidenschaft für London Dry-Gin. Seine Lieblingsrezeptur des Martini-Cocktails, der Barliteratur nach eine Mischung aus Gin und Vermouth, formulierte er einmal so: »Ich möchte den Vermouth von der anderen Seite des Raumes aus beobachten, während ich meinen Martini trinke.«

Wer hat den Gin erfunden?

Gin ist für die Briten eine Art Nationalgetränk. Die Franzosen haben ihren Cognac, die Russen ihren Wodka und die Briten eben ihren Gin. Doch ist der Gin wirklich ein durch und durch britisches Produkt? Erfunden wurde er jedenfalls nicht auf der Insel. Doch wie kam er dort hin? Es war ein gewisser Lucas Bols, der 1575 nicht in England, sondern am Stadtrand von Amsterdam eine Spirituose namens Genever erfand. Es sollte sich dabei um die Mutter des Gins handeln, doch das wusste der gute Mann damals noch nicht. Mit dem Genever, einem Wacholderschnaps auf Getreidebasis, wollte er eigentlich eine Art Medizin herstellen, ein alkoholisches Getränk, das wegen seiner beruhigenden Wirkung auf den Magen noch heute in den Niederlanden beliebt ist.

Der Legende nach war es Wilhelm von Oranien-Nassau, der als Statthalter der Niederlande und späterer König von England im 17. Jahrhundert den Genever nach England brachte. Dort entwickelte sich auch der ursprüngliche Name Genever bzw. Genièvre zum heutigen Begriff Gin. Der neue König war es auch, der, besorgt um die wirtschaftlichen Belange Englands, die Importzölle auf ausländische Spirituosen erhöhte. Gleichzeitig förderte er die Produktion heimischer Spirituosen. Und das war eben der Gin. Plötzlich durfte jeder Gin destillieren, auch ohne eine Genehmigung zu haben. Das führte dazu, dass die Produktion in England förmlich explodierte. So gut wie jeder versuchte sich damals zumindest nebenbei als Gin-Brenner.

England im Rauschzustand

1730 gab es offiziell um die 7000 Gin-Geschäfte in Großbritannien, jährlich wurden etwa zehn Millionen Gallonen gebrannt. England befand sich in dieser Zeit in einem wahren Rauschzustand. Da Gin billig und überall verfügbar war, verschlechterte sich aber auch zunehmend die Qualität. Mit dem heutigen London Dry Gin hatte das aus billigem Getreide gewonnene Gesöff so gut wie gar nichts gemein. Nicht selten wurde damals der minderwertige Gin sogar mit Terpentinöl oder verdünnter Schwefelsäure gestreckt. Später fügten besonders dilettantische Brenner auch noch Unmengen an Zucker oder Rosenwasser hinzu, um den schlechten Geschmack zu überdecken.

Der Gin-Konsum stieg dennoch enorm an und erreichte im Jahr 1733 einen Jahresverbrauch von rund 47 Millionen Litern. Dies hatte zwangsläufig auch negative Auswirkungen auf die Gesellschaft. Schließlich torkelte in dieser Zeit ein Großteil der Bevölkerung völlig betrunken durch die Straßen. Verbrechen und Prostitution sowie die Sterberate waren stark angestiegen. Auch der zunehmende Geburtenrückgang wurde dem Gin zugeschrieben. Nachdem der hohe Alkoholkonsum einen schleichenden Zerfall der englischen Gesellschaft bewirkte, wurden von der Regierung schließlich Gesetze zur Reduzierung des Gin-Verbrauchs erlassen. Es handelte sich dabei um die sogenannten Gin Acts, von denen es immerhin acht gegeben hat. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Dadurch verbesserte sich nicht nur die Qualität der Destillate, auch die Preise stiegen wieder.

Queen Mum: die 2002 verstorbene Mutter von Königin Elizabeth II., hier mit ihren Enkeln Charles, Edward, Anne und Andrew (v. l.), hatte eine grosse Vorliebe für Gin. Bis zuletzt soll sie nach mindestens einem Drink pro Tag verlangt haben.
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Queen Mum: die 2002 verstorbene Mutter von Königin Elizabeth II., hier mit ihren Enkeln Charles, Edward, Anne und Andrew (v. l.), hatte eine grosse Vorliebe für Gin. Bis zuletzt soll sie nach mindestens einem Drink pro Tag verlangt haben.

Wie kam es zu Gin Tonic?

Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden in England schließlich viele Gin-Marken, die es noch heute gibt. Die Brennerei Gordon’s etwa wurde 1769 aus der Taufe gehoben, sie war die erste, die einen echten London Dry Gin lancierte. Es folgten berühmte Marken wie Tanqueray, Beefeater und Bombay Sapphire, lange Zeit die Platzhirsche, deren Gin meist mit Schweppes Tonic Water gereicht wurde.

Apropos: Wie kam es überhaupt zum weltbekannten Longdrink Gin Tonic? Wie der Gin hatte auch das Tonic einen medizinischen Ursprung. Britische Soldaten, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Indien stationiert waren, sollten regelmäßig Chinin einnehmen, um Malaria vorzubeugen. Um das bittere Pulver erträglicher zu machen, wurden Wasser, Zucker und Limetten hinzugefügt. Irgendwann folgte ein Schuss Gin, und der Gin Tonic war geboren.
Zum ersten Mal als eigenständiges, kohlensäurehaltiges Getränk verkauft wurde Tonic im Jahr 1858 vom britischen Kaufmann Erasmus Bond. Inzwischen gibt es unzählige Marken, um die häufig ein ebensolcher Kult getrieben wird wie um den Gin. Aktuell besonders beliebt sind dabei neben Schweppes vor allem Fentimans, Fever Tree sowie Thomas Henry, der derzeit als Kultmarke unter Gin-Aficio­nados gilt.

Die Top 9 Gins aus England mit Falstaff-Punkten und Verkostungsnotizen lesen Sie im aktuellen Falstaff Magazin 01/2020.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2020

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Herbert Hacker
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