»Pandemic Cure« aus der Grazer »Churchill Bar« ist der aktuelle Bestseller aus dem »Drinks At Home«-Sortiment.

»Pandemic Cure« aus der Grazer »Churchill Bar« ist der aktuelle Bestseller aus dem »Drinks At Home«-Sortiment.
© David Johansson

Best of »Bottled Cocktails«

Entstanden im Corona-Lockdown, entwickelten sich die »Bottled Cocktails« zu einem wahren Überraschungserfolg. Falstaff hat die besten Drinks getestet.

Drei Missverständnisse ranken sich um vorgemixte Cocktails: Sie seien banal, von minderer Qualität und eine neumodische Verirrung. Nun, der erste Automat für »Campari Soda« stand bereits in den 1930er-Jahren in Mailand. Und die im Getränkehandel »RTD« (ready to drink) genannte Kategorie besteht aus weit mehr als Cola-Whiskey-Dosen an der Tankstelle. Zumal die neue Klientel für abgefüllte Cocktails auch nicht mehr aus feierwilligen Teenagern und Autotunern besteht, sondern aus seriösen Barbesuchern, die in der Qualität ihrer Lieblingslokale daheim genießen wollen. Die Schließung der Gastronomie hat diesem Zusatzangebot gehörigen Drive verliehen – es ist derzeit eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten für Bartender. Doch Österreichs Mixologen beschäftigt das Thema schon weit länger, zumal Gemixtes in der Flasche ganz eigenen Gesetzen folgt. 

Andrea Hörzer und Philipp Ernst von der Wiener »Josef Bar« zählen zu den Pionieren der »Bottled Cocktails«. Schon seit der Eröffnung der Bar vor vier Jahren bietet man abgefüllte Drinks im Artwork der Bar an. Sie sollten – neben dem Einsatz bei Caterings – nach der Sperrstunde Stamm­gästen das »Josef«-Flair liefern. »Nichts­destotrotz haben wir auch unabhängig von Corona das Geschäft erweitert und die Gastro-Pause dazu genützt, einen bundesweiten Versand aufzubauen«, so Andrea Hörzer. Geplant war das ohnehin, und die markanten Flaschen in Würfelform haben sogar einen Vorzug, wie sie ausführt: »Gerade bei klassischen Drinks wie ›Manhattan‹, ›Old Fashioned‹ oder ›Negroni‹ werden durch die Zeit und die Vermählung der Zutaten die Cocktails harmonischer

Mit Drinks wie »Ada & Eve« setzte Philipp Ernst von der »Josef Bar« von Beginn an auf »Bottled Cocktails« mit Stil.
© Jean Van Luelik
Mit Drinks wie »Ada & Eve« setzte Philipp Ernst von der »Josef Bar« von Beginn an auf »Bottled Cocktails« mit Stil.

Tatsächlich führt die Hitliste des Bar-Duos auch der Negroni an. Dahinter findet sich der ausschließlich mit heimischen Spirituosen kreierte »Styrian Negroni« und der »I am from Austria«. »Regionalität punktet« ist das Fazit der »Josef Bar«, die sich über die plötzliche Aufmerksamkeit für »Bottled Cocktails« freut: »Das hat dem Verständnis, dass man Premium-Cocktails auch aus der Flasche genießen kann, sehr geholfen.«

Zumal die Pakete auch einen Mehrwert bieten können – etwa bei der »Haus-Bar« im Wiener Künstlerhaus. Als »Restaurant Bar des Jahres« im Falstaff-Barguide liefert man zu Drinks auch Speiseempfehlungen. Der liebevolle Aufwand, der hinter aufwändigen Cocktails steht, sollte den Corona-gebeutelten Bars aber auch faire Preise ermöglichen. Dafür steht vor allem die bundesweite Initiative »Drinks at Home«, die von Kan ZuoThe Sign«, Wien) nach dem ersten Lockdown geschaffen wurde. Zu Preisen, die man aus Bars gewohnt ist, bieten acht renommierte Trinkstätten je zwei Kreationen an, die gemeinsam mit Moët Hennessy vertrieben werden. Auch wenn der Bestseller der virtuellen Cocktailkarte »Pandemic Cure« (aus der Grazer »Churchill Bar«) heißt: Das Programm hat sich verselbstständigt und ermöglicht inzwischen Specials, die etwa zum Valentinstag und zu Ostern angeboten wurden. »Bis dato wurde eine hohe vierstellige Anzahl an Drinks verschickt«, sieht Zuo die mit Porträts der Barleute versehenen Flaschen als Erfolg. Zumal in Kooperation mit dem Glashersteller Riedel auch die passenden Gläser für echtes Heimbar-Feeling bestellt werden können.

Challenges und Chancen

Tatsächlich aber sind versandfertige Drinks eine Herausforderung für Bars, vor allem wegen des Verzichts auf verderbliche Zutaten, wie sie primär frische Säfte – eine Selbstverständlichkeit gehobener Trinkstätten – darstellen. Dass man reihenweise »Negronis« und »Manhattans« auf To-go-Barkarten findet, erklärt sich damit. Alternative Säurequellen statt Limette sind aber rar. So verwendet etwa Kostas Karvounis in Innsbruck für den »Oriental Gimlet« einen Essigsirup (»­shrub«), der mit Curry auch Würze in die Kreation seiner »Dunlin Bar« bringt. Auch in Tirol kommen die »Bottled Cocktails« gut an: »Werbung brauchten wir dafür gar nicht machen«, freut sich ­Karvounis, der sich im Sommer 2020 selbstständig gemacht hat.

Den mixologischen Ehrgeiz rund um die Flaschen unterstreichen auch Kooperationen mit lokalen Partnern. Die limitierten Mengen erlauben Experimente, die an der Bar mit raren oder teuren Zutaten nicht immer möglich sind. Hier erweist sich die Haltbarkeit sogar als Vorteil gegenüber à la minute gemixten Cocktails. Wer etwa die zur weltbesten Chilisauce gewählte »Hot Sauce« von Thomas Hlatky probieren will, kann das auch in einem Cocktail seines Klagenfurter Landsmanns Robert Krall tun: Im »Wohnzimmer« wurde daraus eine Bar-gerechte »Hot Bowl«. Bienenwachs und Honig wiederum spielen bei der flüssigen Liaison zwischen Linz (hier mixt Andreas ­Lugmayr) und Wels, wo die »Imkerei« ihre Bienen pflegt, die Hauptrolle. »Wir wollten mit namhaften österreichischen Produzenten Drinks kreieren, die man so nicht kannte«, schildert Lugmayr die Motivation für den »Beeswax Negroni«. Überrascht hat ihn die Nachfrage: »Was als kleines Projekt geplant war, ging nach kürzester Zeit durch die Decke.« Dank Social Media langten Bestellungen auch aus Wien und Tirol ein. Die Leute seien »neugierig und haben nach den ganzen Lockdowns Lust auf feine Drinks«. Auch den Bar-Kollegen streut er Rosen: »Wenn ich mich da so umschaue, lassen einem die Kreationen das Wasser im Mund zusammenlaufen.«

Für Bar-Star Kan Zuo, das Mastermind von »Drinks At Home«, sind »Bottled Cocktails« alles andere als eine pandemische Eintagsfliege. Bis jetzt gibt es 16 verschiedene Drinks zu kaufen.
Foto beigestellt
Für Bar-Star Kan Zuo, das Mastermind von »Drinks At Home«, sind »Bottled Cocktails« alles andere als eine pandemische Eintagsfliege. Bis jetzt gibt es 16 verschiedene Drinks zu kaufen.

Gekommen um zu bleiben

Tatsächlich fanden die Abfüllungen auch bereits den Weg in den Handel. In fünf Ammersin-Getränkegeschäften findet man die »Josef«-Kreationen, »über unseren Online-Store haben wir schon Bestellungen in alle Bundesländer versandt«, so Andrea Hörzer. Die Nachfrage bestätigt auch Kan Zuo als Mastermind von »Drinks At Home«, das »Trzesniewski« und »Weisshaus« als Vertriebs­partner gewinnen konnte. Aus den Bundesländern würden etwa »Pakete für Geburtstagskinder verschickt, um ihnen zu zeigen, dass man aus der Ferne an sie denkt«. Zuo sieht die Geburtsstunde einer »Online-Bar«, die über Corona hinaus bestehen bleiben soll: »Sie verbindet Bars miteinander, wird stetig gepflegt und ausgebaut – auch über die Grenzen Wiens hinaus.« Was wohl alle Cocktailfreunde im Land schätzen werden!


Best of »Bottled Cocktails«

94 Falstaff-Punkte

  • Island Trüffel
    »Moby Dick«, Wien
    Die Trüffelsaison ist in der Wiener Neustiftgasse verlängert. Rauchiger Ardbeg-Whisky und ein »fat wash« mit Trüffelbutter ergeben einen sensationellen Drink, in dem die Edelknolle aber nie dominiert.
    21 Euro (0,2 Liter), drinks-at-home.at

93 Falstaff-Punkte

  • Ada & Eve
    »Josef Bar«, Wien
    Der Twist auf den »Hanky Panky« nutzt den heimischen Fernet Hunter als Bitterquelle und ist definitiv für fortgeschrittene Barfliegen: Herb und sehr trocken, ist der Cocktail auch ein perfekter Aperitif. 
    16,50 Euro (0,1 Liter), josef-bar.at/shop
     
  • Beeswax Negroni
    Andreas Lugmayr, Linz
    Mit waldigen Noten wie Pinienharz und viel Kräutercharme legt der freischaffende 
    Bartender seine Variante des Klassikers an. Honig beschließt sanft den Aromen-Reigen dieser authentischen Austro-Version.
    21,60 Euro (0,22 Liter), andreaslugmayr.at
     
  • White Negroni Highball
    »The Sign«, Wien
    Spritzige und zitrusfrische Variante eines -hellen Negroni: Kan Zuo kombiniert Enzian und Bergamotte mit dem Wodka-artigen »Heritage 176« von Belvedere. Angenehm leichter (10 Vol.-%) Drink für die Terrassensaison!
    13 Euro (0,2 Liter), drinks-at-home.at

92 Falstaff-Punkte

  • 2Pac
    »The Churchill Bar«, Graz
    Dass ein Drink mit dem Namen des legendä-ren US-Rappers auch recht maskulin ausfällt, war klar. Mit Quittenbrand und Bitters macht Barchef Oltion Mehmetaj einen »Manhattan« für Cognac-Trinker daraus.
    21 Euro (0,2 Liter), drinks-at-home.at
     
  • Oriental Gimlet
    »Dunlin«, Innsbruck
    Von der DNA des Gin-Klassikers bleibt in der Tiroler Version die Frische, neu sind hingegen die exotischen Noten von Curry. Bestellbar ist nicht nur ein Martiniglas voll, das »Dunlin« liefert in drei Größen.
    14 Euro (0,2 Liter) über office@dunlin-bar.at
     
  • Negroni »ready to drink«
    Bar Campari, Wien
    Mit dem fertig gemixten Campari-Soda als »monodose« war man in den 1930ern Pionier, der »Negroni« in der Flasche setzt die Tradition köstlich fort. Italo-Feeling, flaschenweise.
    8,90 Euro (0,2 Liter) in der Bar Campari, Abhol-Zeiten unter T: +43 1 5338125

91 Falstaff-Punkte

  • Sloeberry Butter-Cup
    »Haus-Bar«, Wien
    Geklärter »Milk Punch« bringt seidiges Mundgefühl, Sloe Gin und Ribiseln herbe Frische. Und dann noch: Kren! Sehr elaborierter Mix.
    25 Euro (0,35 Liter) bei »Haus-Bar«-Pop-ups, 24 Euro Freitag/Samstag (10-18 h) im »Käsmann«, Lerchenfelderstraße 85, Wien.

90 Falstaff-Punkte

  • Tom’s Hot Bowl
    »Wohnzimmer«, Klagenfurt
    Tequila und Chili sind füreinander gemacht. In diesem Fall erweiterte man die weltbeste scharfe Sauce von Thomas Hlatky um süße Erdbeeren und Rhabarber. Fazit: ein halber Liter »hot stuff«.
    29,90 Euro (0,5 Liter) über saftladen.sunshinebar@gmail.com
     
  • Maui Waui
    »Beimir«, Wien
    Karibik-Flair, leider auf den 15. bis 17. Bezirk in Wien limitiert – die »Beimir«-Crew liefert per Fahrrad. Dafür gibt’s einen schulmäßigen Tiki-Drink mit drei Rumen, Ananas und selbstgemachtem Likör. Aloha in Ottakring!
    32 Euro (0,5 Liter), beimir.a

89 Falstaff-Punkte

  • Maracuja-Cocos-Ananassirup
    »Darwins«, Salzburg
    Mit Ananas, Maracujapüree und Kokosmilch wird die fruchtige Basis für alkoholfreie Cocktails oder einen tropischen »Spritz« mit Prosecco gelegt. Zaubert die Strandbar ins Wohnzimmer!
    12,90 Euro (0,35 Liter), über facebook.com/darwins.salzburg/shop

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2021

Zum Magazin

Roland Graf
Autor
Mehr zum Thema
Longdrink
Metaxa Sour
Bei dieser Version des Cocktails treffen Tradition und Moderne aufeinander.
Von Redaktion
Cocktail
Greek Martini
Mit dieser Variante erhält ein klassischer Drink einen griechischen Twist.
Von Redaktion
Ein erfrischender Drink für den Sommer.
Champagner
Make you Holler
Die perfekte Begleitung zu Desserts wie gebackenen Holunderblüten: Ein Drink aus...
Von Reinhard Pohorec
Rezept
Crazy Funky Fizz
Zu diesem Cocktail passen auch hervorragend Oliven als kleiner Snack.
Von Marcus Philipp
Rezept
Smoky Lake
Die Bar »Tür 7« verrät ein Cocktail-Rezept, das für die neue Sommerkarte des »Schloss...
Von Geri Tsai