Sogenannten Vollblutgastronomen entlockt es maximal ein Lächeln, wenn sich gänzlich Spartenfremde in ihr Terrain wagen. Und zumeist liegen sie nicht falsch, die Branche ist schwierig und wird schwieriger, wer sich da nicht auskennt, ist schnell am besten Weg zum Scheitern. Die neue »R&Bar« – gesprochen »Rundbar« – ist ein nebenberufliches Projekt von zwei Kreativen. Lisa Scheid und Thomas W. Kiennast betreiben im gleichen Haus die Kreativwerkstatt »Das R&«, er ist mehrfach prämierter Kameramann. Und weil unten eine kleine Lokalität frei war, machten sie »nebenbei« daraus eine Bar. Und was für eine. Die Designmischkulanz aus Wellenbar, Fünfziger-Stühlen, Terrazzo-Tischen und unzähligen stimmigen Details hat das Zeug zum Klassiker, zusammen mit der souligen Musikmischung ist der Punkt Wohlfühlen schon einmal abgehakt. In der kleinen Weinauswahl findet sich nichts, was nicht gerade sehr gern getrunken wird. Anständige Cocktails gibts auch. Viele kommen nur des Trinkens wegen hierher. Was ein Fehler ist. Denn in der winzigen Küche hinter den bunten Glasscheiben steht mit Andrea Cipriano ein Mann, der an allerlei Topadressen werkte und hier eine bemerkenswerte Kollektion von Kleinstgerichten vorlegt. Aus dem zumeist horriblen Studentenbuden-Essen macht er den fein dekonstruierten griechischen »Salat Twist«, eine Schale mit kleinen Fetastücken, feinen Tomaten, Olivenbröseln, die in die Gurkensuppe gegossen wird. Das »Erbsen Allerlei« kommt mit Erbsencreme, -sprossen, Hummus, Minze und Joghurt – frisch, bunt und delikat. Ciprianos Wurzeln merkt man bei Conchiglioni mit dichtem Lamm-Ragú, Melanzani und Tomate, großartig. Mit noch mehr »Vollblut« könnten es Nebenerwerbswirte gar nicht machen.
BEWERTUNG

Alexander Bachl

Essen 44 von 50
Service 16 von 20
Weinkarte 14 von 20
Ambiente 9 von 10
GESAMT 83 von 100
€
R&Bar
Lindengasse 1
1070 Wien
T: +43 1 5224447
www.dierundbar.com
Von Alexander Bachl
Aus Falstaff Nr. 05/2015