Aufgetischt: Latino statt Asia am Stubenring

Aus dem »Indochine« wurde ein großartiges lateinamerikanisches Restaurant.

Viel Zeit ließ sich Multi-Gastronom Klaus Piber mit seinem neuen Projekt. Der Betreiber von drei Lokalen in Wien und einem in Kansas City feilte lange an einem neuen Konzept für das ehemalige »Indochine« und ließ sich dabei vielleicht schon von der lateinamerikanischen »Mañana«-Mentalität inspirieren. Aber gut Ding braucht eben Weile und man kann sagen, dass sich das Warten gelohnt hat. Das neue Restaurant bietet lateinamerikanische Küche in einem sehr stimmigen Ambiente. Die Umgestaltung des ehemaligen Asia-Tempels nahm Piber selbst in die Hand. Gemeinsam mit seiner Frau tüftelte er daran und verwirklichte eine farbenfrohe, aber dennoch nicht überladene Interpretation Lateinamerikas mit bunten Bänken, Tapeten in Azulejo-Optik und bunten Gläsern. Erfrischend anders und eine willkommene Abwechslung zum weit verbreiteten Design-Einheitsbrei. Einzig, dass die Tische recht knapp beieinander stehen, könnte introvertierte Gäste doch ein wenig stören.

Von Mexiko zurück nach Wien
Auf der Suche nach einem Küchenchef wandte sich Piber an einen »guten, alten Freund«, den Spitzenkoch Jean-Georges Vongerichten, und hätte das Timing nicht besser treffen können. Piber erfuhr vom gebürtigen Wiener Alexander Theil, der nach fünf Jahren als Executive Chef im mexikanischen One & Only-Resort wieder nach Hause kommen wollte. Klaus Piber rief ihn an und nach einem fünf-minütigen Telefonat war alles geregelt. Theil hat im von Hollywood-Stars frequentierten Resort nach dem Konzept von Vongerichten gekocht. Davor sammelte er bei Charlie Trotter und Gray Kunz (»Café Gray«) Erfahrungen.

Facettenreich und spannend
Dass Piber mit seinem Koch ein echter Glücksgriff gelang, zeigt sich bei jedem Gericht: Als Oevre wählten wir eine großartige rohe Gelbschwanz-Makrele mariniert mit roter Mole mit Tobiko (Rogen des Flugfisches) um neun Euro. Eine offensive Geschmacksvielfalt bargen sich in den frittierten Amarant-Frischkäse-Bällchen mit behutsam eingesetzter Chili-Minzpesto (7 Euro). Große Klasse waren auch die vegatarischen Zwischengerichte wie Salat mit Avocado, Rüben und mexikanischer Würzpaste sowie Joghurt (9 Euro). Oder das mit festem Biss ausgestattete Grünkernrisotto mit grünem Spargel sowie Ceviche aus gemischten Pilzen. Sehr sympathisch ist übrigens das Servieren nach »Family Style«, wobei die Gerichte in die Mitte gestellt werden und sich jeder von jedem bedienen soll. Die Hauptgerichte fügen sich in das positive Gesamtbild ein: Der brasilianische Eintopf mit Fisch und Garnelen sowie Jungzwiebelreis (18 Euro) war von hervorragender Qualität: harmonisch, die Schärfe der mit Kokosmilch angereicherten Sauce entwickelt sich langsam und wohltuend. Das »Xocólatl«, eine schokoladengeschmorte Rinderrippe mit »Pop Corn« Reis (19 Euro) war eine Freude; mit dem »Schwarzen Peter« vom Bruckner ErzBräu aus Gaming haben wir einen hervorragenden Begleiter gefunden. 

Weinkarte mit vielen Highlights
Wären wir nicht schon von den Speisen rundum begeistert gewesen, hätte uns ein Blick in die Weinkarte glücklich gemacht. Es gibt nicht nur eine klug zusammengestellte Auswahl an erprobten Speisebegleitern, sondern auch einen umfassenden Schwerpunkt an bio-dynamischen Weinen und Natural Wines. Getoppt wird das ganze noch von Raritäten und gereiften Jahrgängen. Einziger Wermutstropfen: das glasweise Angebot ist in der Kalkulation höher angesetzt, aber bei den Raritäten kann man das eine oder andere Schnäppchen ergattern. Auch das alkoholfreie Angebot hebt sich wohltuend vom bekannten heimischen Angebot ab, es gibt einige lateinamerikanische Spezialitäten wie etwa Mate Tee Infusion aus Argentinien.

Gesamtkunstwerk
Klaus Piber ist hier ein großartiges gastronomisches Gesamtkunstwerk gelungen, das zu überraschen weiß und in dieser Form einzigartig in Österreich ist. Hier ist alles stimmig, vom Aperitif bis zum Espresso, von der Vorspeise bis zum Dessert. Das »Mercado« wird sich sicher rasch zum Hotspot für Feinschmecker entwickeln.

www.mercado.at

(von Bernhard Degen und Marion Topitschnig)

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