Aufgetischt: Im »Le K-Fé« bleibt man ungestört

Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis wird im Wiener Sofitel eindrucksvoll vorexerziert.

Das überlasse ich ja sonst Kollegen aus unterbesetzten Redaktionen, aber ausnahmsweise möchte ich einen Artikel mit dem Originalwortlaut einer Presseaussendung beginnen:

Seit Anfang des Jahres führen fünf Lehrlinge des Sofitel Vienna Stephansdom das elegante Caféhaus »Le K-Fé« in der Lobby des Luxushotels. Für die Lehrlinge ist dies die einmalige Chance ihr Können und ihr (sic!) Unternehmergeist in die Tat umzusetzen. Im eleganten und gleichzeitig entspannten »Le K-Fé« des 5-Sterne Superior Sofitel Vienna Stephansdom sind es neuerdings hochmotivierte Auszubildende, die den Gast mit Getränken, Snacks, Croissants und süßen Kreationen aus der hauseigenen Pâtisserie verwöhnen. Kein Wunder, denn das Le K-Fé befindet sich seit Jänner 2013 unter der Führung der Lehrlinge des Luxushotels. Der 20-jährige Dominik, der im Sofitel zum Restaurantfachmann ausgebildet wird, ist der erste Lehrling, der sich hier behaupten darf. Er ist für den reibungslosen Betrieb des Café Outlets verantwortlich – das geht von der Inventur und Bestelladministration über Angebotsgestaltung, Präsentation und Service bis hin zu den Umsätzen.

Le K-Fé / Foto beigestellt

Klingt ja toll und weil ich Lehrlings-Initiativen gerne unterstütze, hab ich mir das Café mit dem kreativen Namen näher angesehen. Ich bin mir sicher, dass der 20-jährige Dominik einen großartigen Job macht, aber wenn er nicht da ist, dann funktioniert offenbar gar nichts. Gleich am Tag nach dem Versand der Presseaussendung nütze ich eine Pause zwischen zwei Terminen und nahm in dem schicken Café Platz. Ich klappe mein Notebook auf und beginne zu arbeiten. Man kann dort ungestört arbeiten, das muss man sagen! Aber als ich nach einer halben Stunde noch immer nicht nach meinen Wünschen gefragt wurde, musste ich selbst initiativ werden und in der Lobby ergründen, was man denn tun muss, damit man hier was zu Trinken bekommt. 

Eine junge Dame meinte, dass ich gleich bei ihr bestellen könne. Als ich nach der Karte fragte, wurde entgegnet, dass es heute leider keine Karte gibt, da der Kollege krank ist, der das sonst immer macht (der 20-jährige Dominik?). Schade, aber wie soll ich dann das Angebot bewerten? Gut, einen Tee bekam ich dann doch, mit vereinten Kräften des Empfangspersonals zubereitet. Die Rechnung unverlangterweise gleich mit serviert. Aber ohne Karte hätte ich eh nicht gewusst, was ich noch probieren hätte können. Der Tee kostet fünf Euro, ich platziere einen Zehn-Euro-Schein im eleganten Ledermäppchen. Retourgeld kommt erst nach höflichem Hinweis nach einer Viertelstunde, dafür beinhaltet das Mäppchen einen Fünf-Euro-Schein und fünf Euro in Münzen. Fazit: Im »Le K-Fé« kann man nicht nur ungestört arbeiten, sondern auch gratis konsumieren. Wenn man nicht so ehrlich ist und die Zeche trotzdem begleicht.

von Bernhard Degen

Bernhard Degen
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