Konzentriert stimmt Kevin Fehling auf der MS Europa die Teller ab, die danach zum Gast dürfen.

Konzentriert stimmt Kevin Fehling auf der MS Europa die Teller ab, die danach zum Gast dürfen.
© Christian Wyrwa

Auf Kreuzfahrt mit Sterneköchen

Die besten Köche der Welt findet man oft nicht mehr in ihrem Stammrestaurant, sondern irgendwo auf den Ozeanen. Ihre Gäste reisen mit – und freuen sich über ein Küchenniveau, das noch nie so hoch war wie heute. Ein Streifzug.

Rosa, lila und zitronengelbe Blüten, wie hingehaucht auf dem mit blauem Küchentuch ausgekleideten Tablett. Kevin Fehling, der Hamburger Drei-Sterne-Koch, nimmt ein Rosenblatt mit einer Pinzette vorsichtig auf, arrangiert die Blüten zu einem essbaren Blumenstrauß en miniature, der in einem winzigen Waffelhörnchen auf Rote-Beete-Krokant, Rosen­creme, Rhabarber und Shiso-Kresse angerichtet wird. »Der Blumenstrauß ist ein Dank an unsere Gäste, dass sie uns im Restaurant besuchen. Und eine Hommage an das Blumenland Holland, wo wir gerade vor Anker liegen«, sagt Fehling. Denn das ist Teil der Philosophie von Fehlings neuem Restaurant »The Globe«: dass das Menü und die Zwischengänge Bezüge herstellen zum Land, das man gerade ansteuert, zum Thema Reisen, Seefahrt, zu Meer, zu Himmelszelt und Welt.

Von »Restaurant Dieter Müller« zu »The Globe«

Das »The Globe« ist ein schwimmendes Restaurant, es ist der neue große Wurf auf der MS Europa, des großen Luxusschiffs der Reederei Hapag-Lloyd. Die Europa kommt gerade vom Trockendock, sie wurde sanft modernisiert, lichter, heller ist jetzt alles, weniger getragen. Luxuriös – aber leger. Und das ehemalige »Restaurant Dieter Müller« wurde mit exquisitem innen­architektonischem Geschick in »The Globe by Kevin Fehling« verwandelt. Fast jedes Element im Raum trägt eine Bedeutung, denn das »The Globe« soll nicht einfach eine schwimmende Dependance von Fehlings Hamburger »The Table« sein. Fehling hat ein ganz neues, eigenes Konzept entwickelt, das ihn und die Liebe zum Reisen repräsentiert. Und: Fehling hat eine enge und persönliche Verbindung zur MS Europa, die weit darüber hinausgeht, dass er immer wieder mit Hapag-Lloyd für die kulinarischen Events »Europas Beste« zusammengearbeitet hat: »Von 2002 bis 2004 bin ich auf der Europa tätig gewesen, als Souschef. Die Farben, Düfte und Aromen, die ich auf dieser Weltreise erleben durfte, sind bis heute meine Inspiration und Teil meiner Philosophie.«

Die Länder, die Welt, das Reisen – all das soll das neue Restaurant widerspiegeln und ausdrücken, im Essen. Wie auch im Design: Im edlen Teppich eingewoben sind die Längen- und die Breitengrade der Erde, die kugelrunden Lampen sind in Gruppen wie Himmelskörper aufgehängt. Serviert wird mit ebenso verspielten wie durchdachten Details: Ein winziger mexikanische Taco sitzt auf einem kleinen gläsernen Globus, der so gedreht ist, dass der Taco genau auf dem Land Mexiko zu liegen kommt. Teller und Schalen, die wie traumschöne Unterwassergewächse aussehen, zitieren die Weltmeere und Fehlings Verbindung zur See. Und zwischen den Gängen wird dem Gast eine Flaschenpost gereicht, aus der man eine Botschaft des Chefs zieht und liest, warum Fehling das Menü »Das Tor zur Welt« so konzipiert hat, wie es sich vor dem begeisterten Gast präsentiert – als eine weltoffene Küche auf Spitzenniveau nämlich, Fine Dining in ungezwungener Atmosphäre.

Der Stolz auf die Restauranteröffnung ist den Herren anzumerken: HL-Cruises-CEO Karl Pojer (l.) und Spitzenkoch Kevin Fehling.
© Christian Wyrwa
Der Stolz auf die Restauranteröffnung ist den Herren anzumerken: HL-Cruises-CEO Karl Pojer (l.) und Spitzenkoch Kevin Fehling.

»›The Globe«« verkörpert nachhaltig das neue moderne und legere Lebensgefühl an Bord der Europa«, sagt Karl Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises. Schon Fehlings mit drei Sternen ausgezeichnetes Restaurant »The Table« in der Hamburger Hafencity hatte genau dieses besondere Merkmal, das die Sterneküche Deutschlands revolutioniert hat: Haute Cuisine, aber ungezwungen. Große Gastronomie, aber casual.

Luxusmarkt verändert sich

»Casual luxury« ist einer der Schlüsselbegriffe für die sich erneuernde Kreuzfahrt­industrie. Weniger steif, sondern jünger und moderner präsentieren sich die neuen Angebote, ohne jedoch vom Spitzenniveau abzuweichen. Im Gegenteil: Auf Kreuzfahrtschiffen eröffnen immer mehr Restaurants von Sterneköchen, es gibt immer öfter kreative Zusammenarbeiten mit den Akteuren der internationalen Haute Cuisine. »Der Luxusmarkt verändert sich, und damit ändern sich auch die Wünsche unserer Gäste sowie potenzieller Neukunden«, sagt Karl Pojer. Eine Studie zeigt, dass sich die Gäste eine legerere Kleiderordnung wünschen – und eine große Vielfalt und Gourmetqualität im kulinarischen Angebot. Casual, aber kulinarisch hochanspruchsvoll ist ein Trend, dem gerade alle großen Reedereien zu folgen scheinen.

Der welt­bekannte Jacques Pépin – sternegekrönter Fernsehkoch, Literaturwissenschaftler und ehemaliger Leibkoch von Charles de Gaulle – ist Chefkoch bei Oceania Cruises, die Kennern der Branche zufolge eine der besten Küchen auf den Weltmeeren servieren. Auch die Küche der Crystal Cruises ist von Restaurantführern prämiert. Und in den Schiffsbäuchen der Azamara Club Cruises lagern mehr als 6000 Flaschen Wein, darunter viele Raritäten. MSC Cruises holte sich gar die Unterstützung vom Meistermacher: Harald Wohlfahrt, der deutsche Spitzenkoch, der 25 Jahre in Folge drei Michelin-Sterne gehalten hat und dessen Schüler gemeinsam auf insgesamt 60 Michelin-Sterne kommen. Wohlfahrt kreierte bereits ein Menü auf der MSC Bellissima und Gerichte für die Elegant Nights. Außerdem trainiert er die Köche auf den MSC-Schiffen. Auf der MSC Grandiosa eröffnete der Madrider Zwei-Sterne-Kochs Ramón Freixa bereits die dritte »Hola!«-Tapas-Bar der MSC-Flotte. Nonchalantes Plate-Sharing mit avantgardistischem Inhalt. Zusätzlich führt Freixa auf der MSC Seaview sein erstes Restaurant auf See, das »Ocean Cay«. Und der chinesische Spitzenkoch Jereme Leung hat auf der MSC Splendida das »Sea Pavilion« eröffnet, sein neues Hot-Pot-Restaurant.

Ramón Freixa führt in Madrid einen Zwei-Sterner, auf hoher See bietet er auf der MSC Seaview Fisch und Meeresfrüchte an.
© MSC
Ramón Freixa führt in Madrid einen Zwei-Sterner, auf hoher See bietet er auf der MSC Seaview Fisch und Meeresfrüchte an.

Kulinarisches Know-How

Der Seabourn-Flotte ist es gelungen, den großen Thomas Keller, den Drei-Sterne-Giganten und »Best Chef in America« als Partner mit ins Boot zu holen. Keller hat mit der kalifornischen »French Laundry« und dem New Yorker »Per Se« amerikanische Gas­tronomiegeschichte geschrieben. Im »The Grill by Thomas Keller« gibt es Klassiker wie Hummer Thermidor oder einen auf die Spitze getriebenen Caesar’s Salad, der vom Kellner vor dem Gast am Tisch zubereitet wird – wie auch Gerichte, die Keller extra für sein »The Grill« entwickelt hat. Außerdem berät Keller den gesamten Kulinarikstab der Sea­bourn. Und Devin Knell, Chef de Cuisine aller Thomas-Keller-Restaurants, schult die Seabourn-Köche – an Land, direkt in Kellers Forschungsküche im kalifornischen Yountville, in dem die »French Laundry«-Erfolgsgeschichte begann. Dem gestiegenen kulinarischen Interesse der Gäste trägt auch das Chef’s-Table-Konzept Rechnung, das sich immer stärker über alle Flotten hinweg etabliert: Gäste erhalten während eines Abends in der Küche mit dem Küchenchef tiefe Einblicke, und nebenher erfahren sie Tipps, Tricks und Kniffe – vom Chef persönlich.

Eine Kochschule am Schiff

Über die Schulter schauen lässt sich bei MSC etwa der französische Spitzenpatissier und zweimalige Patissier-Weltmeister Jean-Philippe Maury in seinen offenen Chocolaterien, wo die Gäste bei der Herstellung der feinen Kreationen zusehen können. Seine Chocolaterien und Chocolate-Bars gibt es bereits an Bord der MSC Me­raviglia, der MSC Bellissima und auf der MSC Grandiosa. Weil die Gäste ihr kulinarisches Wissen gern erweitern möchten, werden auf vielen Schiffen Kochkurse angeboten – die Regent Seven Seas hat eine eigene Kochschule mit 18 Kochstationen gegründet. Und sie bietet Gourmet Explorer Tours an, auf denen die Gäste die Küchen der Reiseziele kennenlernen. Bei Cunard steht 2020 auf der Queen Mary 2 das Festival of Food and Wine an (das übrigens als Falstaff-Leserreise gebucht werden kann), mit Kochvorführungen und Wine-Pairings, Vorträgen und Verkostungen. Und in der Cunard Wine Academy können Gäste den Level-1-Grad der WSET erwerben – die anerkannte erste Qualifikation des Wine & Spirit Education Trust auf dem Weg zum Sommelier. Wo ließe es sich schöner verkosten, durchprobieren, Farben und Aromen vergleichen als inmitten des Ozeans, auf der legendären Queen Mary 2 – Angeleitet von den Stars der britischen Weinszene wie Weinberater Steven Spurrier und Weinexperte Will Lyons? Außerdem gibt es ein Champagner-Seminar.

Mehr als nur eine Luxuskreuzfahrt

In der modernen Luxuskreuzfahrt geht es nicht mehr um überholte Rituale und steife Garderobenvorschriften, mit denen man sie vielleicht hier und da noch verbindet. Es geht um Einblick und Genuss. Und um das kulinarische Erleben, losgelöst von überkommenen Formaten. Um das Gefühl, das Glück, das große Küche evozieren kann. Nicht nur beim Gast. Nein, auch beim Koch: »Sie haben applaudiert«, sagt Kevin Fehling nach seinem ersten Abend im »The Globe«, als er eine Abschlussrunde bei den Gästen macht. »Es war schon immer mein Traum, auf der MS Europa ein eigenes Gourmet-Restaurant zu etablieren«, erzählt er bewegt. »Bei mir werden da so starke Emotionen freigesetzt, dass ich mir da so ab und zu tatsächlich manchmal eine Träne wegdrücken muss …«

Erschienen in
Falstaff Cruises 2019

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Verena Lugert
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