Antinoris neue Liebe

Die Tenuta di Biserno an der toskanischen Küste ist das neue Weingut von Marchese Lodovico Antinori. Erstmals arbeitet er hier mit seinem Bruder, Marchese Piero Antinori, zusammen. Zwei solch berühmte Namen machen neugierig.

»Es war Liebe auf den ersten Blick«, meint Lodovico Antinori heute. Im Jahr 1994 betrat er zum ers­ten Mal das Landgut, aus dem sich die Tenuta di Biserno entwickeln sollte. Ursprünglich war daran gedacht, die Grundstücke mit der Tenuta dell’Ornellaia zusammenzuschließen. Das Gut ist die natürliche Fortsetzung der Ornellaia-Weingärten in der Bellaria-Zone und liegt an der Grenze zwischen Bolgheri und Bibbona. ­Lodovico Antinori war einer der Ersten, die das ­enorme Weinbaupotenzial der Maremma er­kann­ten. Er hatte 1986 die Tenuta dell’Ornellaia in Bolgheri gegründet und mit den Weinen Ornellaia und Masseto international für Furore gesorgt. Bei ­näherer Untersuchung der neuen Lagen stellte sich aber heraus, dass der geo­logische Aufbau der Böden doch ein wenig anders war als jener der Bellaria-Zone. Daher nahm man von einem Zusammenschluss vorerst Abstand. Als dann Anfang 2001 Lodovico Anti­nori die Tenuta dell’Ornellaia verkaufte, entschloss er sich, zusammen mit seinem Bruder Piero und dem Grundbesitzer Umberto Mannoni die Tenuta di Biserno zu gründen. Die erste Lese erfolgte 2003, und im Jahr darauf kam als erster Wein der Insoglio del Cinghiale auf den Markt.

Lodovico Antinori ließ seinen gesamten Erfahrungsschatz einfließen
Von Bolgheri, dem bekanntesten Weinort an der Küste, führt eine schmale Asphaltstraße nach Norden Richtung Bibbona. Auf einer Piste geht es dann kilometerweit vorbei an makellos gepflegten Rebzeilen. Die Fahrt endet an einem restaurierten Gutshaus in beneidenswerter Lage. Hier bietet sich ein beeindruckendes Panorama: Links erblickt man die Türme des Castello di Bolgheri, vor sich das Mittelmeer, zu rechter Hand Bibbona und im Rücken liegt buschiger Eichenwald, so weit das Auge reicht. Ein unberührtes und einmalig schönes Fleckchen Erde.

Die ersteBiserno Ausblickn Weinberge wurden 2001 angelegt, über 70 Hektar erstrecken sie sich heute. Da die Böden auf Bibbona etwas kühler sind als in Bolgheri, beschloss Lodovico Antinori, vor allem Cabernet Franc auszupflanzen, der mit Cabernet Sauvignon, Merlot sowie etwas Petit Verdot und Syrah ergänzt wurde. Bei der Anlage der neuen Weingärten konnte Lodovico Antinori auf die reiche Erfahrung von Ornellaia zurückgreifen. Charakteristisch ist die strikte West-Ost-Ausrichtung der Rebzeilen: Durch die zum Meer hin offene Anlage kann der kühlende Meeres­wind viel besser durch die Weinberge streichen. Dies bewahrt die kostbaren Aromen in den Trauben und ist gerade hier im Süden wichtiger als die maximale Sonnenausnutzung, von der die Reben ohnehin genug bekommen.

Zur Tenuta di Biserno zählt noch ein zweites Weingut: I Pianali. Es umfasst 30 Hektar und liegt ganz im Süden des Anbaugebietes von Bolgheri, unterhalb der Tenuta Argentiera. Erzeugt wird dort nur ein Wein, der Coronato, ein kraftvoller Bolgheri DOC, der derzeit fast ausschließlich auf dem amerikanischen Markt verkauft wird.

Helen Lindberg hat das Weingut von Beginn an mitgestaltet
Im Gutshaus empfängt mich Helen Lindberg, die verantwortliche Önologin. Sie stammt aus Schweden und war dort in der chemischen Industrie tätig. Erste Wein­erfahrungen sammelte sie 1995 in Australien, dann ging sie nach Neuseeland. Ab 2000 arbeitete sie in Bordeaux. Über den Regisseur von Palmer, Thomas Doroux, Helen Lindbergkam sie mit Lodovico Antinori in Kontakt und schließlich nach Biserno. Bei einem Rundgang weist sie auf eine Brachfläche hinter dem Gutshaus hin. Dort soll demnächst der neue Keller entstehen, der die Handschrift der Architektin Gae Aulenti tragen wird. Zurzeit läuft die Weinbereitung noch in einer Industriehalle ab. Funktional absolut in Ordnung, für Repräsentationszwecke aber denkbar ungeeignet. Helen Lindberg, die 2004 nach Bibbona kam, war praktisch von Beginn an mit dabei. »Das macht das Ganze so spannend«, sagt sie. Auch die Zusammenarbeit mit Lodovico Antinori und Michel Rolland, der auf Biserno als Berater tätig ist, sei eine einmalige Chance und Herausforderung. Helen Lindberg hat zudem die Möglichkeit, zweimal im Jahr eine Ernte einzu­keltern, da zum Projekt Tenuta di Biserno auch das Weingut Mount Nelson in Neuseeland gehört. Mit diesem Weingut folgte Lodovico Antinori seiner Passion für Sauvignons Blancs. Auf dem in Marlborough gelegenen Weingut werden zwei Weine, der Mount Nelson und der Ram’s Hill, erzeugt – zwei reinsortige Sauvignons Blancs, der eine im Stahltank, der andere leicht im Holz ausgebaut, in denen die Frische und Fruchtigkeit Neuseelands gekonnt mit europäischer Stilistik verbunden wird.

Insoglio und Il Pino bieten jung bereits viel Trinkvergnügen
Auf der Tenuta di Biserno werden derzeit drei Weine erzeugt. Einstiegswein ist der Insoglio del Cinghiale. Er ist zugleich auch der erste Wein, der auf der Tenuta produziert wurde. Der Insoglio besteht aus Syrah, Cabernt Franc, Merlot und einem kleinen Insoglio del Cinghiale Anteil Petit Verdot, der dem Wein den nötigen Biss gibt. Nach der Vergärung reift gut ein Drittel des Weines in gebrauchten Barriquefässern, der Rest im Stahltank. Der Insoglio ist ein sehr zugänglicher, weicher und fruchtbetonter Wein mit feinkörnigem Tannin. Wenn die Rebanlagen älter werden, soll der Insoglio aus der Tenuta di Biserno ausgegliedert werden. Unter dem Markennamen Campo di Sasso sollen für ihn auch zugekaufte Trauben verwendet werden. Der Zweitwein des Hauses heißt Il Pino di Biserno. Er besteht zu 35 Prozent aus Cabernet Franc, zu 32 Prozent aus Cabernet Sauvig­non, zu 25 Prozent aus Merlot und zu acht Prozent aus Petit Verdot. Nach der Vergärung im Stahltank reift er für zwölf Monate im Barrique. Der Pino di Biserno ist ein voluminöser Wein mit intensiver dunkelbeeriger Frucht und viel geschliffenem Tannin. Der Erstwein nennt sich schlicht und einfach Biserno. Er besteht hauptsächlich aus Merlot und Cabernet Franc, die mit etwas Cabernet Sauvignon und Petit Verdot ergänzt werden. Der erste Jahrgang war 2006, aktuell ist der 2007er im Handel. Der Biserno wird für 15 Monate im Barrique ausgebaut und reift dann rund sechs Monate auf der Flasche. Es ist ein sehr dichter und vielschichtiger Wein, der aber auch saftiger bleibt und sehr angenehmen Trinkfluss bietet. In den nächsten Jahren soll noch eine Art Riserva dazukommen, für die nur Trauben aus den besten Parzellen verwendet werden – ein Ultra-Premium-Wein in Kleinstauflage, von dem man sicher noch viel hören wird.

Lodovico Antinori im Gespräch
Marchese Lodovico Antinori, der jüngere Bruder von Piero Antinori, der das Familienimperium führt, ist mit Wein aufgewachsen. Als junger Mann ging er in dieMarchese Lodovico Antinori USA und lernte dort den Weinhandel von der Pike auf. In den Staaten war alles viel dynamischer, offener und vielfältiger als in Europa. Antinori, in Italien eine der bekanntesten Marken, schien in den Regalen der USA nur unter »ferner liefen« auf. Er gründete eine Weinimportfirma in Italien. Danach betätigte er sich einige Jahre als Reporter und Fotograf. In den 1980er-Jahren wandte er sich wieder dem Wein zu und gründete in Bolgheri die Tenuta dell’Ornellaia. Nachdem er das Weingut zum ­Erfolg geführt hatte, wurde es 2001 verkauft. ­Danach begann das Projekt Tenuta di Biserno. Wir trafen uns mit Lodovico Antinori im Palazzo Antinori im Zentrum von Florenz zum Gespräch.

Wie sind Sie auf Biserno gekommen?
Es war ein Mitarbeiter, der eines Tages zur mir sagte: »Herr Marchese, kommen Sie mit! Ich glaube, ich habe da ein ähnliches Fleckchen Erde entdeckt, wie wir es auf Masseto haben.« So sind wir hingefahren, und ich war sofort begeistert.

Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Für mich war es einfach eine Herausforderung, mit meinem ganzen Erfahrungsschatz noch einmal ein neues Weingut zu gründen. Außerdem bin ich sehr glücklich, so endlich die beiden Namen Lodovico und Piero Antinori vereint zu sehen.

Welche Stilistik verfolgen Sie mit den Weinen von Biserno?
Auf Biserno wollen wir nicht alkoholreiche Kraftbolzen erzeugen, sondern geschmeidige Weine, die sich gut trinken lassen – ohne deshalb aber konzentrationslos zu sein. Schon die Anlage der Weingärten war darauf ausgerichtet.

Warum pflanzten Sie auf Biserno vor allem Cabernet Franc aus?
Cabernet Sauvignon hat, wenn er nicht perfekt ausgereift ist, stets diese leicht grünlich-würzigen Noten, er ist dann nicht geschmeidig, sondern kantig. Cabernet Franc reift früher und ergibt einen samtigeren Wein. Mir schwebte mehr St.-Émilion vor als das Medoc. In den Weinen sollen genauso der Charakter und die Kultur der Maremma durchkommen.

von Othmar Kiem


aus Falstaff 04/2010

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien