Die Insel im Bleder See war einst Ort der Liebesgöttin Živa. Heute ist die Kirche ein bekanntes Wahrzeichen.

Die Insel im Bleder See war einst Ort der Liebesgöttin Živa. Heute ist die Kirche ein bekanntes Wahrzeichen.
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Alpe Adria: Eintauchen, abtauchen, untertauchen

Gletscher, Sandstrände, stille Seen, brausende Gebirgsbäche, unterirdische Höhlengewässer und tosende Wasserfälle. Den Alpe-Adria-Raum verbindet vor allem ein Element: das Wasser.

Fangen wir mit den Farben an, den Farben des Wassers. Glauben Sie mir: Das Wasser, seine Farbschattierungen und seine Vielgestalt sind ein guter Einstieg in den Alpe-Adria-Raum. Außerdem ist es immer richtig, mit etwas Schönem zu beginnen. Vor allem, wenn so verschwenderisch viel davon vorhanden ist.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem frühen Morgen am Bleder See im nördlichen Slowenien nahe der Grenze zu Kärnten, wenn das Wasser ruhig daliegt wie ein Spiegel? Seine Farbe ist dann ein wundervolles Blaugrün und die kleine Insel in der Seemitte spiegelt sich so vollkommen im Wasser, dass man, wenn man es nicht aus Erfahrung wüsste, nicht mit Sicherheit sagen könnte, was das Inselchen mit seiner Marienkirche ist und was sein Spiegelbild auf dem See. Über 99 Stufen kommt man zum Kirchlein am höchsten Punkt der Insel, von dem eine Legende erzählt, es sei entstanden, weil Gott beschlossen habe, den ihm geweihten Ort mit einem schützenden See zu umgeben. Dass bei der Schöpfung dieses Zaubersees mit seiner Bergkulisse in Himmelsrichtung Kärnten etwas Göttliches im Spiel war, glaubt man ohne jedes Zögern.
Geht es um Wasserfarbtöne im Alpe-Adria-Raum, dann kann man auch von den Augenblicken erzählen, wenn man von Norden aus den Bergen und aus den hellgrünen Weiten der friulanischen Ebenen kommend das Meer erreicht. Sagen wir – es sind nur zwei Beispiele von vielen – an der karstigen Steilküste bei Duino, wo Rainer Maria Rilke im gleichnamigen Schloss am Meer die erste seiner »Duineser Elegien« schrieb, oder weiter südlich am weiten, goldenen Sandstrand der Halbinsel von Grado. Sagen wir, es ist ein Frühsommervormittag. Da geht man dann über die breite Spiaggia von Grado zwischen all den Sonnenschirmen und Liegestühlen, die nach italienischer Art in Reih und Glied stehen, bis vor an die Wasserlinie. Man zieht die Schuhe aus, lässt sich die zarte Brandung der langen, flachen Wellen über die Zehen fließen und schaut hinaus auf die silbrig-blaue Adria, während die bloßen Füße immer tiefer in den nassen Sand einsinken.
Eine kleine Brise kräuselt das Meer gerade genug, dass die gleißende oberitalienische Sonne metallisch vom Rand jeder Welle blitzt. Es riecht nach Salz und Frische. Man schirmt die Augen mit der Hand ab, atmet auf und schaut auf den in Pastelltönen verschwimmenden Horizont. Man weiß: Der Golf von Triest ein kleines Stück weiter östlich ist nicht weit, und Venedig, die Stadt des Wassers, der Brücken und Kanäle weiter südlich auch nicht. Aber genauso ist es auch nur ein Luftlinien-Katzensprung gen Norden zu den türkisgrünen Bergseen der Karnischen und Julischen Alpen, von denen der Bergsteiger Julius Kugy (1858–1944), der als ihr Erschließer gilt, einmal sagte: »Wäre ich ein Maler, so wollte ich der Maler der julischen Alpengewässer sein.«

Die Farbe des Wassers im Alpe-Adria-Raum kann aber auch ein gleißendes, bläuliches Weiß sein. Nämlich das zu Schnee und Eis erstarrte Wasser des Pasterzengletschers am Fuße des Großglockners im Kärntner Mölltal. Wie eine eiskalte gefältelte Zunge leckt der Gletscher, umgeben von hohen, schneebedeckten Gipfeln, am Talboden. Von den Bergen der königlichen Glocknergruppe stürzen immer wieder hohe Wasserfälle wie der Jungfernsprung bei Heiligenblut tosend über senkrechte Felswände ins Tal. In die gischtigen Sprühnebel, die das fallende Wasser begleiten, zeichnet das Licht bunte Regenbögen. Es ist die nördlichste Gegend des Alpe-Adria-Raums. Hier beginnt auch der Alpe-Adria-Weitwanderweg, der über 750 Kilometer vom Großglockner bis an die Adria – bei Muggia südlich von Triest – führt. Und ja: Auch wenn man ihm folgt, begegnet man allenthalben Flüssen, Wasserfällen und Bergseen, folgt Möll und Drau, erwandert sich Teile der Kärntner Seenlandschaft mit Millstätter See, Ossiacher See oder Faaker See, überschreitet schließlich die Grenze zu Slowenien und taucht ein in die gebirgige Wunderwelt des Oberlaufs der Soča, die schließlich auf der italienischen Seite der Grenze zum Isonzo inmitten des mediterranen Karsts wird.
Soča wird zu Isonzo, Drau zu Drava: So ist es im kärtnerisch-slowenisch-italienischen Dreiländereck, wo verschiedene Sprachen, Kulturen und Traditionen aufeinandertreffen und ineinander übergehen – man könnte auch sagen: wie Wasserfarben ineinander verrinnen. Kulinarisch tun sie das sowieso: Der Kärntner Sterz etwa findet seinen Widerhall in der italienischen Polenta, der Prosciutto aus San Daniele sein Pendant im Kraški pršut, dem slowenischen Karst-Prosciutto, oder das Kärntner Eintopfgericht Ritschert einen Verwandten in der Triestiner Jota.
Wer die Landschaften und Kulturen des Alpe-Adria-Raums entschlüsseln will, ob in Kärnten, in Slowenien oder in Friaul-Julisch Venetien, kann sich ihnen annähern, indem er sie über die Wasserwege begreift, die sie durchziehen wie ein weit verzweigtes Gefäßnetz: Sie sind es, die die Regionen verbinden und prägen. An ihnen entlang wandert man seit jeher von Nord nach Süd, von Ost nach West und zurück. Die Gewässer sind es oft auch, die Besucher hierherlocken, die in Seen springen, im Meer baden oder Fluss- und Bachläufe entlangpaddeln wollen.

Grado. Goldene Insel mit venezianischem Wesen, herrlichen Sandstränden und der Lagune, die als traumhafte Kulisse den Ort umgibt.
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Grado. Goldene Insel mit venezianischem Wesen, herrlichen Sandstränden und der Lagune, die als traumhafte Kulisse den Ort umgibt.

Aber das Spektrum des Wassers ist noch viel bunter: Vom freundlichen Hellblau des Kärntner Faaker Sees, der so spektakulär von der Vulkansilhouette des Mittagskogels flankiert wird, bis zu den weiten Sand- und Kiesbänken des Tagliamento, der sich in verzweigten Mäandern von bezaubernder Farbvielfalt in die sich öffnende Norditalienische Tiefebene ergießt. Vom Kärntner Weissensee zwischen Gail- und Drautal, der einem stillen Fjord gleich auf über 900 m Seehöhe in die alpine Landschaft eingebettet liegt, bis zu den Kaffeehausterrassen der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, wo man entlang der von Weiden und Pappeln gesäumten Flussufer sitzt und auf die herrlichen Brücken der Stadt schaut. Man kann aber auch von den unterirdischen wassergurgelnden Bachläufen und Höhlengewässern des Karsts berichten, wo der blinde, geisterblasse Karst-Grottenolm Proteus anguinus lebt. Sehen wird man den in ewiger Dunkelheit plantschenden, scheuen Schwanzlurch, den sich Slowenien zum Nationaltier erkoren hat, wohl nicht immer, wenn man etwa die berühmten Tropfsteinhöhlen von Postojna besucht, aber man weiß, dass er da irgendwo sein muss: ein weißer Minidrache mit rot-rosa Kiemenbüscheln am Kopf. Ähnliche Mythen wie den Karst-Grottenolm umwehen auch die legendäre Soča-Forelle oder Marmorata, nach der sich das Herz der Fliegenfänger verzehrt, die an den türkisen Wassern des Flusses ihre Angeln auswerfen.
Alpe Adria: Das sind Landschaften aus Bergen und Seen, aus Ebenen und Flussläufen, aus Küsten und Meereswellen. Natürlich steht Alpe Adria auch noch für hundert andere Dinge mehr. Aber das Wasser ist eins der Elemente, die in diesem großen, weitläufigen Dreiländereck vieles verbinden und viel mit seiner facettenreichen Schönheit zu tun haben. Und denen, die hierherkommen, sei geraten, einfach nur Folgendes zu tun: eintauchen, abtauchen, untertauchen!

Erschienen in
Falstaff Spezial Alpe Adria 2019

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Julia Kospach
Julia Kospach
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