Alois Lageder: Ökologie mit Tiefgang

Alois Lageder ist eine charismatische Figur. Als weitblickender Winzer und Unternehmer hat er sich international einen Namen gemacht.

Margreid am südlichsten Zipfel der Südtiroler Weinstraße zählt zu den letzten, fast noch gänzlich unberührten Idyllen der Region. Mit Alois Lageder treffe ich mich im gemütlichen Gast­garten der Weinschenke »Paradeis«, die unmittelbar am alten Dorfplatz liegt. Es ist Mittagszeit, und das Geschäft geht gut. Das »Paradeis« dient als Verkaufsstelle der Lageder-Weine, aber auch feine Olivenöle, Nudeln und andere Köstlichkeiten kann man dort erwerben. Mittags bietet die Küche eine kleine Palette köstlicher, herzhafter Gerichte.

Alois Lageder - Ein Visionär
Als klassisches Südtiroler Weinhandelshaus entstanden, hatte Lageder ehemals wenige Weingärten in eigenem Besitz. Alois Lageder – der Fünfte in der Familientradition – ist gerade mal 25, als er Mitte der 1970er-Jahre nach Wirtschaftsstudium und Weinbauausbildung den Betrieb übernimmt. Es ist keine leichte Zeit. Durch jahrelange Vermarktung als Massenware hat das Image des Südtiroler Weins stark gelitten. Gemeinsam mit Schwes­ter Wendelgard und Schwager und Keller­meis­ter Luis Dellemann geht Alois daran, das Weingut neu zu positionieren. Was ihn von vielen anderen Weinproduzenten in Südtirol (und auch weit darüber hinaus) unterscheidet, sind sein Weitblick und seine vi­sionären Ideen.

Der Weg zur Biodynamie
2004 beginnt er mit der Umstellung auf biodynamische Bewirtschaftung,
heute sind alle eigenen Weinberge – über 50 Hektar – Demeter-zertifiziert. »Diesen Traum hatte ich schon als junger Mann«, sagt Lageder. »Ursprünglich war es wohl meine Mutter, die mich zur Biodynamie brachte. Sie führte ihren Gemüsegarten immer schon nach den Ideen von Rudolf Steiner. Ich erinnere mich noch gut an ihre Gespräche mit den Bauern. Darin ging’s um die Stellung des Mondes, wann dies und das zu tun sei – das machte mich sehr neugierig. Ende der Siebzigerjahre stieß ich dann selbst auf die Schriften von Rudolf Steiner. Die Zeit war damals aber noch nicht reif – auch auf dem Weingut nicht. Wir mussten zuerst einmal den Weinbergsbesitz erweitern. Dann standen die Umsiedlung nach Margreid und der Kellerneubau an. Ab 1995 konnte ich dann endlich meinem lange gehegten Herzenswunsch nachgehen.«

Biologisch-dynamisch als Selbstverständlichkeit
Für einen Betrieb seiner Größe hielt er lange Zeit die Biodynamie für nicht praktikabel. »Heute bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass gerade wir großen Betriebe die Verpflichtung haben, solche Schritte zu setzen.« Was heißt biodynamischer Weinbau ­eigentlich in der Praxis? Die biodynamische Bewirtschaftung bedeutet den kompletten Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, Herbizide und Kunstdünger. Stattdessen sollen die Reben so widerstandsfähig gemacht werden, dass sie bei Auftreten von Pilzen oder Schädlingsbefall über ausreichende Abwehr- und Selbstheilungskräfte verfügen. Boden und Pflanze werden mit biologisch-dynamischen Präparaten und homöopathischen Tees behandelt. »Aus meiner Sicht ist die biologisch-dynamische Landwirtschaft heute für einen ­Qualitätswinzer eine Selbstverständlichkeit«, sagt Alois Lageder.

Die Vielfalt Südtirols: In der Weinschenke »Paradeis« ­präsentiert Lageder die ­reiche Palette seiner Weine.
Die Vielfalt Südtirols: In der Weinschenke »Paradeis« ­präsentiert Lageder die ­reiche Palette seiner Weine.

Unterschiedlicher Ursprung - Zwei Marken
Zum einen sei der Umstieg auf Biodynamie aus Qualitätsgründen ­erfolgt. »Unser Ziel ist es«, bringt Alois Lageder seine Überzeugung auf den Punkt, »differenzierte, tiefgründige Weine zu erzeugen, von denen man gerne noch ein zweites Glas trinkt und die gut mit dem Essen harmonieren.« Zweiter Punkt sei ganz einfach eine ethische Verantwortung gegenüber der Umwelt und den Nachkommen, so Lageder. Daher habe er auch beschlossen, den Betrieb zertifizieren zu lassen, da nur so für den Konsumenten eine Kontrollmöglichkeit gegeben sei. Seit 2010 wird zwischen den Weinen, die auf Eigenflächen wachsen, und jenen, deren Trauben von Vertragswinzern stammen, klar unterschieden. Die ersten laufen unter der Bezeichnung Tenutæ Lageder, die zweiten unter der Marke Alois Lageder.

Boden und Pflanzen werden nur mit bio­logisch-dynamischen Mitteln behandelt.
Boden und Pflanzen werden nur mit bio­logisch-dynamischen Mitteln behandelt.

Aller Anfang ist schwer ...
Sein Traum sei es, langfristig auch die Alois-Lageder-Weine nur noch aus biodynamisch angebauten Trauben zu erzeugen. »Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell das Interesse für biodynamischen Weinbau wächst, gerade bei den zahlreichen kleinen Weinbauern hier im Land. Erst vor wenigen Wochen hielten wir einen Informations­abend für alle unsere Traubenlieferanten ab. Einer unserer langjährigen Partner brachte es auf den Punkt: Er hat einen Weinberg ­neben einem der unsrigen, und in den letzten Jahren hätte er festgestellt, dass unsere Reben immer viel besser, viel lebendiger aus­sähen. Das hätte ihn neugierig gemacht, da möchte er mithalten. Das war für mich eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.« Dabei sei es in den ersten Jahren nach der Umstellung nicht leicht gewesen. »Erst als wir begannen, die Böden, die in Südtirol ja immer begrünt werden, zu öffnen, reagierten die Reben sehr rasch auf die biodynami­schen Präparate. Heute können wir sagen: Wir fühlen uns unserer Sache sicher. Wir sehen, dass die Pflanzen eine gesunde ­Resistenz aufgebaut haben.«

Alois Lageder ist für seinen Weitblick und seine visionären Ideen bekannt.
Alois Lageder ist für seinen Weitblick und seine visionären Ideen bekannt.

Mit der Natur arbeiten
Und wie hat der Markt, haben die Konsumenten auf die Veränderungen reagiert? »Sehr gut«, meint Lageder. »Wenn wir ­unsere Verkaufsstatistik anschauen, dann verzeichnen wir deutlich größere Zuwächse bei den Tenutæ-Weinen, obwohl diese ­deutlich teurer sind. Das will in Zeiten wie diesen schon was bedeuten.« Und welche Vision hat Alois Lageder für Südtirol? »Südtirol hat sehr große Chancen. Unsere Stärken liegen vor allem im Weißweinbereich und beim Blauburgunder. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Wir können hier Weine erzeugen, die große Eleganz aufweisen, auch Kraft, aber vor allem Finesse.« Südtirol biete eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Lagen, Böden und Klimazonen – und damit beste Voraussetzungen für sehr individuelle Terroirweine. Aber: »Wir müssen wieder hin zu einem naturnahen ­Anbau. Wir müssen lernen, nicht gegen die Natur zu arbeiten, sondern mit ihr. Es geht nicht darum, Krankheiten zu bekämpfen, sondern sie erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wir müssen die Monokulturen brechen«, dann, so ist Alois Lageder überzeugt, habe Südtirol eine sehr rosige Zukunft vor sich.

Südliches Flair: die ­Piazza vor dem »Paradeis« zur blauen Stunde.
Südliches Flair: die ­Piazza vor dem »Paradeis« zur blauen Stunde.

Zukunftsaussichten
Und wie schaut es mit der Zukunft im ­eigenen Betrieb aus? Auch da ist für Alois ­Lageder alles klar. Sohn Clemens studierte zuerst Soziologie und Geschichte in Zürich und besucht nun die Weinbauschule Geisenheim. Derzeit macht er ein Praktikum im Burgund – in vier bis fünf Jahren soll er in den Betrieb einsteigen. Darauf stoße ich mit Alois Lageder an, mit einem wunderbar ­gereiften Cason Hirschprunn Bianco 1995, der damals noch Contest hieß. Seit Mitte der Neunzigerjahre begann man, größere Mengen der Einzellagenweine, von Löwengang bis zu Cor Römigberg, als Weingutsreserven wegzulegen. Unter der Bezeichnung »Rarum« sind sie nun auf dem Weingut zu haben.

Weingut Lageder
Grafengasse 9
39040 Margreid
Südtirol, Italien
T: +39/0471/80 95 00
info@lageder.com
www.lageder.com

Text von Othmar Kiem
Aus Falstaff Nr. 05/2012

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien