Rum schmeckt nicht nur zur Zigarre. Unter Experten ist längst klar: Rum wird ganz allgemein unterschätzt.

Rum schmeckt nicht nur zur Zigarre. Unter Experten ist längst klar: Rum wird ganz allgemein unterschätzt.
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Alles, was Sie über Rum wissen müssen

Das Piraten-Flair beim Rum ist echt, immer mehr entwiclelt er sich aber zu Edelspirituose. Einblicke, Hintergründe und die besten Rums der Falstaff-Verkostung.

Zwei Kostproben benötigt Christian Seidl, dann hat sich die Tischgesellschaft im Rumzentrum in Baden geteilt: Während für viele eine süße Schoko-Vanille-Note einfach zur Rum-Kategorie gehört, schätzen andere die würzige Komplexität trockener Zuckerrohrbrände. Der Spezialhändler, der auch Österreichs Rumfestival ausrichtet, stellt daher immer trockene und süße Destillate in sein Kost-Portfolio. Die Crux liegt dabei im nachträglichen Süßen in den Erzeugerländern. Denn ein reiner Edelbrand ist nie süß, Zucker kann nicht destilliert, sondern der Spirituose nur nachträglich zugesetzt werden. Ein österreichischer Marillen-Edelbrand beispielsweise dürfte nie nach der Destillation verändert werden. Doch in den mittel- und südamerikanischen Ländern sieht man derlei entspannter. Schließlich füge man dem Zuckerrohrbrand beim nachträglichen Süßen ja nur den Ausgangsstoff hinzu.

Die süße Welt der karibischen Zucker-Anarchisten hat allerdings schon länger ein Ablaufdatum: Mit dem 25. Mai 2021 tritt die neue Spirituosenverordnung der EU in Kraft. Doch zu einem generellen Verbot des Aufzuckerns – bzw. der verpflichtenden Deklaration davon – konnte sich Brüssel nicht durchringen. Der gefundene Kompromiss ist für den Rum-Genießer schwierig: »Das Fertigerzeugnis darf […] nicht mehr als 20 Gramm süßende Erzeugnisse je Liter […] enthalten«, lautet der neue Grenzwert. Und umgekehrt ist es Brennern auch nicht gestattet, ihre Erzeugnisse als »zuckerfrei« auszuweisen, auch wenn sie es denn sind.

»Mutterland des Rums«

Einer der wortmächtigsten Kämpfer gegen diese halbgare Lösung stammt von der Insel Barbados, die sich als »Mutterland des Rums« versteht. Denn hier soll das Wort »rumbullion«, das bis dahin für Aufruhr oder Tumult stand, ab 1650 als Bezeichnung für den Zuckerrohrbrand verwendet worden sein. Heute spricht der Eigentümer der Foursquare Rum Distillery, Richard Seale, für viele kleinere Brenner, wenn er sagt: »Die ältesten und angesehensten Rum-Erzeuger der Karibik süßen ihre Brände nicht.« Mit dem Gründungsdatum 1703 kann sich auch Mount Gay auf derselben Insel als solcher betrachten – und auch die Mutterfirma Rémy Cointreau hätte sich mehr Transparenz gewünscht: »Ich halte das für eine verpasste Gelegenheit, bei der die EU eine eigene Klasse für Rum mit zugesetztem Zucker schaffen hätte können«, meint dazu Geschäftsführer Raphaël Grisoni.

Spirituose mit vielen Gesichtern

Klare Regeln haben es beim Rum alleine schon der unterschiedlichen Produktionsphilosophien wegen schwer. Es ist nach wie vor das koloniale Erbe der Karibik, das hier nachwirkt. Einerseits existiert der Pot-Still-Rum mit einer Altersangabe à la schottischem Single Malt, auch als »englischer Stil« bezeichnet. Dann gibt es den »Rhum agricole«, der aus vergorenem Zuckerrohrsaft statt aus Melasse insbesondere auf den Französischen Antillen hergestellt wird. Der »französische Stil« genießt rechtlich den Schutz als europäisches Erzeugnis. Der dritte im Bunde ist der nach aufwendigen Blendings aus leichten und kräftigen Rume mit einem Durchschnittsalter versehene »spanische Stil«.

Dass diese babylonische Verwirrung der angestrebten Premisierung des Rums – der bis heute unter Spirituosen-Sammlern als unterbewertet gilt – schadet, erkennen immer mehr Erzeugerländer. Jamaica etwa hat vor vier Jahren eine geografische Herkunftsbezeichnung definiert, die sich an der Whisky-Praxis orientiert – der jüngste Rum in der Flasche de­finiert die Altersangabe. Federführend war dabei Camparis Rum-Tochter, die mit Appleton Estate und Wray & Nephew zwei der sechs Insel-Brennereien führt. Clement »Jimmy« Lawrence sieht in der Regelung, die auch Zucker-Zugabe nach der Destillation ­verbietet, »ein Schlüsselelement, um von Verletzungen unserer begehrten Produkte abzuhalten«. Als Vorsitzender der West Indies Rum and Spirits Producers’ Association und Vertreter von Wray & Nephew betrachtet er die Herkunftsbezeichnung als Schritt zum Premium-Rum und weiter zu ökonomischem Wachstum für die Karibik.

Interessante Einblicke in das Verständnis des Rum-Reifungsprozesses gewährt auch die seit 2013 gültige kubanische Regelung. Für Insel-Rume wie Havana Club oder Santiago de Cuba sind nicht nur zwei Jahre Mindestreife vorgeschrieben; die staatliche Cuba Ron will auch bewusst leichte Rume – 41 Volumenprozent Alkohol sind das gesetzliche Maximum, das nur für Spezialitäten wie Havana Clubs »Selección de Maestros« (45 Volumenprozent) nicht gilt. Und wenn die Temperatur auf Kuba einmal unter 15 Grad Celsius fällt, »darf diese Zeitspanne nicht für die Berechnung des tatsächlichen Reife-Alters berücksichtigt werden«.

Maxime Herkunft

Während auf der Zuckerinsel die Verwendung kubanischer Melasse für die Destillation festgeschrieben ist, geht die Definition des »Ron de Guatemala« einen Schritt weiter. Für diese seit 2012 von der EU ratifizierte Herkunftsbezeichnung darf nur Zuckerrohrsaft aus den beiden südlichen Provinzen Retalhuleu und Suchitepéquez verwendet werden. Die Reifung muss verpflichtend in der Stadt Quetzaltenango und somit auf über 2300 Metern über Meer erfolgen. Auch die Verwendung des sugar cane honey, den hierzulande vor allem Rume von Zacapa bekannt gemacht haben, wird in der Norm präzisiert – gepresstem Rohr-Saft, der nicht älter als drei Tage sein darf, wird das Wasser entzogen, um mehr Aroma zu gewinnen. Lediglich drei Prozent der globalen Rum-Erzeugung basieren auf diesem Verfahren, das eine Art Beerenauslese des Zuckerrohrs darstellt.

Vorbild all dieser Herkunftsbezeichnungen ist die 25 Jahre alte Rum-AOC (»Appellation d’Origine Contrôlée«) der Französischen Antillen. Sie regelt das Rohmaterial detailliert, bis hin zu Sorten und Erntezeiten des Zuckerrohrs und fixen Destillier-Perioden. Doch das französische Übersee-Département befindet sich wie Kuba und die Dominikanische Republik in der bequemen Lage, genug Zucker für die Destillerien zu erzeugen. In anderen Rum Nations wird bereits der Rohstoff importiert. Oder man streitet – wie gegenwärtig auf Barbados – darüber, was authentischen Rum überhaupt ausmacht. Drei Brennereien beharren auf der Reifung auf der Insel, die vierte verweist auf das historisch nachweisbare Lagern der Fässer in Europa. Einmal mehr erhebt Foursquare-Brenner Richard Seale seine warnende Stimme: »Wenn du heute bei den Standards Kompromisse machst, können daraus in Zukunft andere ihre Vorteile ziehen.« Und das soll in jedem Fall verhindert werden …

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Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2020

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Roland Graf
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