Im Mai beginnt die japanische Tee-Erntesaison. Auf manchen Plantagen, wie hier in Shizuoka, werden die Blätter sogar noch per Hand gepflückt.

Im Mai beginnt die japanische Tee-Erntesaison. Auf manchen Plantagen, wie hier in Shizuoka, werden die Blätter sogar noch per Hand gepflückt.
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Alles, was Sie über Grünen Tee wissen müssen

Früher eine Medizin buddhistischer Mönche, heute das Sinnbild für einen lebensfrohen Lifestyle: Kaum ein anderes Lebensmittel ist mit Grünem Tee vergleichbar – wenn er denn richtig angebaut und zubereitet wird.

Behutsam lässt Ayumi Kondo das Wasser in die Teekanne fließen. Mit dem Dampf des Wassers strömen die ersten Aromen in die Nase, fein-würzig und frisch. Im Teelokal ist es inzwischen ganz leise geworden. Ayumi Kondo schwenkt die Kanne leicht hin und her, noch ein prüfender Blick auf die Uhr, dann füllt sie den dunkelgrünen Tee in die Tasse. Bloß einige Sekunden zieht der erste Aufguss, dennoch ist seine Farbe so intensiv, dass der Boden der Tasse kaum noch zu sehen ist.

Im Mund breitet sich reinstes Umami aus. Wer Ayumi Kondo in ihrem Wiener Lokal »Cha No Ma« bei der Zubereitung Grünen Tees beobachtet, beginnt die Bedeutung des japanischen Worts »Kodawari« zu erahnen. Es beschreibt die japanische Leidenschaft, die Liebe zum Detail. Also Perfektion? Ayumi Kondo verneint energisch, »Perfektion ist hier«, sagt sie und zeigt auf den Kopf, »Kodawari sitzt im Bauch und im Herzen.«

Ayumi Kondo war eine der Ersten, die das Trendgetränk Grüner Tee von Japan über die USA nach Europa brachte. Ihr »Cha No Ma« eröffnete sie 2006 am Wiener Naschmarkt, lange bevor in jedem zweiten Coffee Shop »Matcha Latte« über die Theke ging und als Tee noch ein verstaubtes Image hatte. Dabei steckt eine große Vielfalt in Grünem Tee. Nicht nur seine einmaligen Aromen zeichnen ihn aus, er ist auch ein absolutes Superfood, belebt mit seinem Koffeingehalt den Geist und tut unserem Körper gut. Gesundheitsbewusste schwören auf ihn als Kaffee-Ersatz.

Im Wiener Teelokal »Cha No Ma« können die wichtigsten Regeln der Teezeremonie kennengelernt werden. Zum Matcha werden süße Reisküchlein gereicht.
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Im Wiener Teelokal »Cha No Ma« können die wichtigsten Regeln der Teezeremonie kennengelernt werden. Zum Matcha werden süße Reisküchlein gereicht.

Trendfarbe Grün

Wer sich auf die Suche nach den Anfängen des Grüner-Tee-Trends in Europa begibt, stößt immer wieder auf einen Namen: Thomas Grömer. Auch Ayumi Kondo kam die Idee zur »Cha No Ma«-Gründung erst nach einer Begegnung mit ihm. Der gebürtige Wiener und »Aiya Europe«-Geschäftsführer gründete mit »Kissa« 2015 eine Marke, mit der er das japanische Traditionsgetränk Matcha als trendiges Lifestyle-Produkt etablierte. Matcha ist Grüner Tee, der zu einem intensiv grünen Pulver zermahlen und in der japanischen Teezeremonie seit Jahrhunderten genossen wird. Anbau und Produktion sind so aufwendig, dass Matcha zu den edelsten Teesorten überhaupt zählt.

»Kissa« vertreibt das Luxusprodukt in bunten Döschen, die pure Lebensfreude ausstrahlen. Das Konzept ging auf, trotz oder gerade wegen des gehobenen Preises. Qualität kostet eben. »Anfangs polarisierte Matcha enorm: Die Farbe wurde als giftgrün beschrieben und war negativ besetzt, heute liegt sie voll im Trend«, schwärmt Grömer. »Tee war vor 20 Jahren noch ein Getränk, das der gelernte Österreicher nur trank, wenn er sich krank fühlte. Und seien wir ehrlich, Bronchialtee ist kein Spaßgetränk. Aber Matcha ist reinstes Umami.«

Seit Thomas Grömer mit »Kissa« den Matcha-Trend eingeläutet hat, steigt auch die Nachfrage nach hochwertigem Grünen Tee weiter an. »Seit gut sechs Jahren gibt es eine enorme Nachfrage nach japanischen Produkten«, berichtet »Demmers Teehaus«-Geschäftsführerin Johanna Birnstingl. »Feinspitze wissen den süßlichen Geschmack zu schätzen, im Gegensatz zum chinesischen Grünen Tee, der durchaus nachbittern kann.« Eine Nachfrage, bei der auch ein Traditionsbetrieb wie »Demmers Teehaus« nachzog und inzwischen Bio-Grüntee aus Japan im Angebot hat.

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Im Supermarktregal findet man hingegen meist Grüntee aus China. Aber auch hier gibt es Qualitätsunterschiede. »Teekanne« setzt zum Beispiel auf Bio-Qualität und Vielfalt, bietet Mischungen etwa mit Rose oder Kurkuma-Zitrone an. Letztes Jahr ist der Umsatz des Grüntee-Beutelmarkts bei »Teekanne« um 11,9 Prozent gewachsen. Über die Qualität japanischen Grünen Tees entscheiden viele Details – hier ist die Leidenschaft »Kodawari« wieder zu entdecken. In manchen Teeanbauregionen werden die Teepflanzen einige Wochen vor der Ernte mit Netzen bedeckt und somit vor der Sonneneinstrahlung geschützt.

Die Teepflanzen werden tiefgrün und bilden mehr Chlorophyll sowie verschiedene Aminosäuren, die für die Umami-Aromen verantwortlich sind und unerwünschte Bitternoten verschwinden lassen. Zwei der hochwertigsten Grünen Tees, Sencha und Gyokuro, werden zwei bis drei Wochen beschattet. Das Beschatten der Teepflanzen ist ein aufwendiges Handwerk. Ähnlich wie beim Weinanbau entscheiden Details über den Geschmack.
Bei der Ernte, die im April startet, werden nur die jungen Blätter der Teepflanze gepflückt.

Während in China der Tee noch meist mit der Hand geerntet wird, setzt Japan aufgrund seines Arbeitskräftemangels auf den Einsatz von Hightech- Erntemaschinen, welche die Blätter präziser pflücken, als es eine menschliche Arbeitskraft je könnte. Das hat zur Qualität des japanischen Grüntees beigetragen. Nach der Ernte werden die Teeblätter so schnell wie möglich gedämpft, um die Fermentation zu verhindern; der Tee behält seine Frische und die grüne Farbe. Danach werden die Blätter mit rollenden Bewegungen in Nadelform gebracht. Die abfallenden Teereste galten früher als Tee zweiter Klasse, heute werden sie für Blends verwendet.

Über Qualität und Geschmack des Grünen Tees entscheiden schon kleinste Details bei Anbau und Ernte – ähnlich wie beim Wein.
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Über Qualität und Geschmack des Grünen Tees entscheiden schon kleinste Details bei Anbau und Ernte – ähnlich wie beim Wein.

Matcha wird hingegen schnell getrocknet und anschließend in einer Mühle sehr langsam gemahlen; für das Vermahlen von 30 Gramm Matcha benötigt die Mühle etwa eine Stunde. Auch Tee-Anfänger können die Qualität guten Tees leicht erkennen, sagt Thomas Grömer: »Matcha soll nicht bitter schmecken, sondern angenehm lieblich und frisch. Auch die richtige Zubereitung ist wichtig. Lieber mit ein bis zwei Gramm leicht und vorsichtig dosieren und mit mehr Milch oder Wasser aufgießen«, rät Grömer für den Matcha-Einstieg. Eine »Kissa«-Dose reicht mit dieser Dosierung und bei täglichem Konsum für gut einen Monat.

Ayumi Kondo spart bei ihrem Matcha Latte nicht mit der Dosierung, drei Gramm verwendet sie für ein Glas und gießt es mit Vanille-Sojamilch auf. Mit österreichischer Kuhmilch hat sie schlechte Erfahrungen gemacht, die schmecke zu intensiv, in Japan sei sie milder. Ebenso wie das Wasser: »Das heimische Wasser ist zu hart für japanischen Tee. Deshalb empfehle ich gefiltertes Wasser oder hochwertiges Mineralwasser mit wenig Kalzium und Magnesium.« Bei der Zubereitung kommt es schließlich auf die richtige Wassertemperatur und die Ziehzeit beim Aufguss an, die bei hochwertigem Tee auf der Verpackung vermerkt ist.

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Als Ayumi Kondo Mitte der 2000er-Jahre Japan bereiste, um die besten Produkte für ihr damals neues Lokal zu finden, erntete sie mit ihrer Frage nach Bio-Anbau Gelächter. Nur wenige Jahre später streben kleine wie große Teeproduzenten nach dem Gütesiegel, weil die Nachfrage aus Europa so groß ist. In Japan hingegen trinkt heute fast niemand mehr hochwertigen Tee, berichtet Kondo: »Tee ist in Japan zum Fast Food verkommen. Japaner trinken ihn fertig aus PET-Flaschen oder drücken ihn aus dem Automaten.« Währenddessen steigt die Beliebtheit von Tee hierzulande weiter an. Und der »Food Report 2021« prophezeit gar, dass neben einer Weinbegleitung zukünftig auch eine »exquisite Teebegleitung in der Spitzen­gastronomie zum guten Ton gehören wird«.


Tipps & Adressen

Teepapst.com
KISSA-Gründer Thomas Grömer, der sich selbstironisch »Teepapst« nennt, teilt auf seiner neuen Webseite sein Teewissen in Form eines Lexikons.
teepapst.com

Cha No Ma
Ayumi Kondos Teeladen war einer der ersten seiner Art in Europa. Hier wird bester Grüner Tee aus Japan verkauft und hervorragende Matcha-Kreationen »to go« geboten.
Online-Shop unter chanomavienna.at
Faulmanngasse 7, 1040 Wien
T: +43 1 5879406

Demmers Teehaus
Japanischer und chinesischer Grüntee in Bio-Qualität, lose und im Beutel. Alle Standorte in Wien, Niederösterreich und Franchise-Partner im Ausland sowie Online-Shop unter tee.at.

Sonnentor
Bei den Bio-Pionieren aus dem Waldviertel findet man klassischen Grüntee aus China genauso wie Sencha oder Kreationen mit Jasmin oder Zitronengras.
sonnentor.com

Meinl
Julius Meinl ist Kaffeetrinkern bestimmt ein Begriff, aber auch hochwertige Teesorten – im Beutel oder lose – finden sich im Sortiment. Etwa Bio-Sencha oder der kräftige Chun Mee aus der chinesischen Provinz Jiangxi.
meinl.com

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2021

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Julia Staller-Niederhammer
Autor
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