Tradition trifft Moderne. Trachtenmode von Thomas Rettl ist auch ein Statement für Individualität. 

Tradition trifft Moderne. Trachtenmode von Thomas Rettl ist auch ein Statement für Individualität. 
© Simone Attisani Photography

Alles, nur nicht kleinkariert

Thomas Rettl hat mit seinem »Kärnten Karo« und dem Kärntner Kilt die Tracht seiner Heimat modernisiert. Mit Falstaff sprach er über Tradition und Loden-Boom.

Wass ist Tracht und was nicht? Mit dieser Frage bringt man Thomas Rettl, Geschäftsführer des
Traditionsbetriebs Rettl 1868, zum Nachdenken. Natürlich gibt es Regeln, die definieren, wann sich ein Kleidungsstück Tracht nennen darf, aber von
solchen starren Vorgaben hält Rettl wenig. »Das Wort Tracht leitet sich vom Verb tragen ab«, sagt er »und ist ein Bekenntnis des Trägers zu seiner Herkunft.« Wenn es um Tracht geht, sind für Rettl dennoch zwei Dinge unentbehrlich: »Stil und Ehrlichkeit.« 

Als Thomas Rettl, ein gelernter Schneider mit internationaler Erfahrung – unter anderem in London, Schottland und Italien –, das Familienunternehmen 1991 übernahm, waren die oben genannten Schlagworte seine oberste Maxime. Dazu gesellten sich Rettls unkonventioneller Stil und eine Portion Kreativität, als er nämlich 1999 das »Kärnten Karo« und den daraus gefertigten »Kärnten Kilt« präsentierte.

Ein großer Teil der Trachten, die Thomas Rettl (r.) fertigt, sind nach wie vor maßgeschneidert.
© Simone Attisani Photography
Ein großer Teil der Trachten, die Thomas Rettl (r.) fertigt, sind nach wie vor maßgeschneidert.

Kult um den Kilt

Inspiriert von den Alpen Highland Games, bei denen sich Rettl engagiert, entwickelte er zunächst einmal das Kärnten Karo, ein »Tartan«, wie das traditionelle Karomuster bei den Schotten genannt wird. Bei der Farbgebung orientierte er sich an der Kärntner Tracht, wobei das Braun auch für die Erde, das Grün für die Wälder, das Blau für die Kärntner Seen sowie das Gelb, Rot und Weiß für die Farben der Kärntner Fahne und der Kärntner Alm-blumen stehen. Aus dem Karo-Stoff schneiderte Rettl dann den ersten Kärntner Kilt. 
Rund um das Kleidungsstück entstand bald ein Medienhype mit Schlagzeilen im In- und Ausland, den Rettl für die Weiterentwicklung seiner Unternehmensstrategie zu nutzen wusste. Vom Gegenwind, der Rettl vor allem zu Beginn des Kilt-Kults von Verfechtern der traditionellen, historischen Kärntner Tracht entgegenblies, ließ er sich nicht beirren, blieb seiner Linie und seiner Idee treu. Und es ist wohl gerade auch diese Authentizität, die den Erfolg des Kilts ein Stück weit mitgetragen hat. Heute organisiert Rettl sogar Kilt-Wanderungen und -Skitage für seine Fanschar. Unter den Kilt-Liebhabern befinden sich auch zahlreiche Prominente. »Einer der ersten Kärnten-Kilt-Träger war Franz Klammer«, erzählt Rettl, der auch Armin Assinger oder Schauspieler Cornelius Obonya einkleidet. Selbst im Kleiderschrank des Ur-Schotten Sir Sean Connery und im britischen Königshaus findet man Rettl-Designs. 

Manche Dinge überdauern Generationen. Der Kärntner Kilt zählt sicher dazu. 
© Simone Attisani Photography
Manche Dinge überdauern Generationen. Der Kärntner Kilt zählt sicher dazu. 

Tracht ist wieder in, das steht fest. Doch vom Trachten-Boom will sich Rettl distanzieren, denn dieser habe vor allem den Billig-Produzenten in die Karten gespielt. »95 Prozent der Lederhosen kommen heute aus Pakistan«, kommentiert er. Mit den heute so populären »Party-Dirndln« wolle er nichts zu tun haben. 
Individualität steht bei Rettl an erster Stelle, das sieht man auch in den Entwürfen, die er gemeinsam mit seinem Design-Team entwickelt. Dabei vertritt er die Meinung, dass Tracht zwar mit der Mode gehen sollte, aber stets nur bis zu einem gewissen Grad. »Wir schauen uns an, was früher war, und versuchen es für heutige Bedürfnisse zu adaptieren.« Schnitte werden modernisiert, bequeme Stoffe eingesetzt. »Wir machen ein regionales Qualitätsprodukt. 50 bis 60 Prozent unserer Designs sind Maßanfertigungen, die in zwei bis drei Wochen geliefert werden«, ist Rettl stolz. Und auch in Sachen Expansion zeigt sich der Villacher bodenständig: »Spannend wäre der deutsche Markt. Wir sind aber ein kleines Provinzunternehmen und wollen es auch bleiben.«

Rettl 1868 Kilts & Fashion
Freihausgasse 12, 9500 Villach 
Burggasse 8, 9020 Klagenfurt
www.rettl.com

Erschienen in
Jägerball Spezial 2018

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Marion Topitschnig
Autor
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