Der Käse-Künstler: Bernhard Gruber betreibt in der Nähe der Riegersburg in der Steiermark eine Käse-Veredelungsmanufaktur.

Der Käse-Künstler: Bernhard Gruber betreibt in der Nähe der Riegersburg in der Steiermark eine Käse-Veredelungsmanufaktur.
© Bernhard Bergmann

Affineure: Die Käse-Flüsterer

Käse-Affineure lassen nicht nur ausgesuchte Exemplare nach ganz besonderen Methoden reifen, sie veredeln die köstlichen Stinker auch mit allen möglichen Zutaten. So entstehen wahre Käsekunstwerke.

Es heißt, er habe Rohmilch im Blut. Jedenfalls gehört seine ganze Leidenschaft dem Rohmilchkäse. »Pasteurisierter Käse«, sagt er, »ist wie ein kastrierter Mann.« Und natürlich muss ein Käse perfekt gereift sein. Darum kümmert er sich tagein, tagaus. Es ist sein Beruf. Bernard Antony ist Käse-Affineur. Der aus dem Elsass stammende »Maître fromager affineur«, so der offizielle Titel, lässt fertig produzierten Käse unter verschiedensten Bedingungen weiter reifen, er veredelt Käse, steuert den Reifeprozess, macht aus ausgesuchten Basisprodukten kleine Kunstwerke, die auf der Zunge zergehen. 

Antony sucht seine Rohprodukte in ganz Frankreich, zumeist bei kleinen Bauern, deren Kühe spezielle Milch geben. Daraus lässt er dann in seinen Kellern und Hallen Käsekreationen reifen, manchmal bis zu vier Jahre lang. Antony und sein Sohn Jean-François, der sich mittlerweile hauptsächlich um das Geschäft kümmert, beliefert damit die besten Restaurants der Welt, Käse aus dem Hause Antony ist längst weltberühmt.

Dennoch ist die »Käse-Affinage« noch immer ein Spezialgebiet der Käseproduktion. Laut Schätzungen gibt es weltweit nicht viel mehr als hundert Käse-Affineure, Bernard Antony ist wohl der berühmteste.

Die Veredelung

Käse-Affineure begnügen sich nicht mit den besten Käsesorten der Welt, sie wollen mehr. Neben fachgerechter Lagerung und turnusmäßigem Wenden und Abbürsten der Laibe wird der Käse immer wieder mit dem individuellen Sud veredelt, den der Maître fromager affineur entwickelt und dessen Rezepturen er wie seinen Augapfel hütet. Denn die jeweils ausgewählte Affinage entscheidet über Komplexität, Aroma, Geschmack und die außerordentliche und besondere Qualität des vollendeten Käses.

Wichtig vor allem ist die Reifezeit: Viele Weichkäsesorten reifen über 60 Tage, dabei reifen sie von außen nach innen – dagegen gibt es Reifezeiten für Hartkäse von bis zu vier Jahren. Der Reifeprozess verläuft hier entgegengesetzt von innen nach außen. 

Erst wenn der fertige Käselaib aus dem Keller kommt, beginnt die eigentliche Veredelung. Die Bandbreite dabei ist riesig, zu den beliebtesten Kreationen gehören solche mit Pistazien, Heu, Birnenmehl, getrockneten Früchten, Sternanis, Traubenkernöl, Holzkohle und anderen, oft ausgefallenen Zutaten. Letztlich ist es eine Frage der Fantasie und Erfahrung des jeweiligen Affineurs und Veredlers.

In Österreich ist es Bernhard Gruber, der sich als Käseveredler einen Namen gemacht hat. Gruber betreibt zusammen mit seiner Frau Martina Österreichs erste »Käsekunst-Affinage«-Manufaktur. Gruber nennt sich »Cheese-Artist«, unter diesem Titel firmiert auch seine ungewöhnliche Manufaktur in der Nähe der Riegersburg im Südosten der Steiermark. Der Käsekünstler arbeitet mit österreichischen Kleinproduzenten zusammen und veredelt deren Produkte zu ganz außergewöhnlichen Käsekreationen, darunter etwa ein Schafkäse mit Goji-Beeren verfeinert, ein Mix aus Schaf- und Ziegenkäse mit Buchen­asche und Chili, ein Almkäse mit Naturschimmelrinde und Schokolade, ein Schafkäse mit kandierter Mango oder ein Hartkäse, den er flambiert, um ein ganz spezielles Aroma zu erzeugen. »Wir machen keinen Käse, wir machen einfach Käsekunst«, sagt Gruber.

© Peter M. Mayr

Der gebürtige Salzburger ist gelernter Koch und sammelte Erfahrungen in Restaurants auf der ganzen Welt. Sogar am Königshof von Bhutan kochte er. Gruber versuchte sich aber auch als Senner auf einer Schweizer Alm und absolvierte eine Ausbildung als Käsesommelier. Seither dreht sich alles in seinem Leben um Käse. »Rind schmeckt immer nach Rind«, sagt Gruber, »egal woher es kommt. Das eine ist feiner, das andere fasriger, aber es ist immer Rind. Wenn du aber heute einen bestimmten Käse isst, hat der Geschmack nichts zu tun mit dem Geschmack des gleichen Käses im nächsten Jahr. Diese Wandlungsfähigkeit fasziniert mich immer wieder aufs Neue.«

Manch ein Käse wird auf dem Weg zur Reife sogar flambiert.
© augenfutter
Manch ein Käse wird auf dem Weg zur Reife sogar flambiert.

Mekka für Käseliebhaber

Was Thomas Breckle und sein Geschäftspartner Martin Rößle machen, nennen sie »Käse-Hochleistungssport«. Thomas Breckle ist Deutschlands einziger Hartkäse-Affineur. Sein kleiner Laden »jamei Laibspeis’« in Kempten im Allgäu ist zu einem Mekka für Käseliebhaber geworden. Dort reifen in einem fast 200 Jahre alten Klostergewölbe zehn Meter unter der Erde geruchsintensive Köstlichkeiten mindestens 15 Monate, oft aber auch bis zu fünf Jahre lang. 

Breckle war früher Mitglied der Skilanglauf-Nationalmannschaft. Mit 23 hängte er seine Sportlerkarriere an den Nagel und beschloss, sich fortan dem Allgäuer Bergkäse zu widmen. In seinem Keller herrscht eine konstant niedrige Temperatur – unter zehn Grad – und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Es sind handwerklich hergestellte Jungkäse, die dort reifen und veredelt werden. Die Milch dafür muss von behornten Kühen stammen, die ohne Kraftfutter ernährt werden. Die Tiere müssen obendrein bestimmten Kuhrassen angehören. Einmal wöchentlich wird jeder Käselaib aus dem Regal geholt, auf einen Bock gelegt und die Rinde eingeschmiert. Dazu nutzen die »Käseflüsterer« Luisenhaller Salz, belebtes Wasser und einen einfachen Riesling. Alle anderen Zutaten fallen unter das Betriebsgeheimnis.

Hansi Baumgartner: Sein »Fienoso medium« wird mit Heu, Blumen und Kräutern aus dem Hochgebirge bedeckt und im Eichenfass gelagert.
Foto beigestellt
Hansi Baumgartner: Sein »Fienoso medium« wird mit Heu, Blumen und Kräutern aus dem Hochgebirge bedeckt und im Eichenfass gelagert.

Weiter im Süden, in Südtirol, wurde Hansi Baumgartner in Medien schon öfters als »Käsegott« der Region bezeichnet. Auch er ist Maître fromager affineur und kreiert seit 1994 in seinem Betrieb »Degust« in der Nähe von Brixen mit seinem Team Spezialitäten wie Gewürztraminer-Käse oder Bier-Schüttelbrot-Käse. Sein »Fienoso medium« wird mit Heu, Blumen und Kräutern aus dem Hochgebirge bedeckt und im Eichenfass gelagert. Das Heu wurde früher dazu verwendet, um die Laibe zu transportieren, ohne sie zu beschädigen. Nach der Reifung in den Fässern wird der Käse in frisches Heu gepackt – eine unvergleichliche Käsespezialität, wie sie nur selten vorkommt.

Veredelter Käse von Volker Waltmann, einem erfahrenen Käse-Affineur.
Foto beigestellt
Veredelter Käse von Volker Waltmann, einem erfahrenen Käse-Affineur.

Käse für Top-Restaurants

In Deutschland zählt auch Volker Waltmann zu den erfahrensten Käse-Affineuren. Er beliefert immerhin rund 1300 Häuser der deutschen Spitzengastronomie und affiniert seit zwei Jahrzehnten »Rohlinge«, meist von kleinbäuerlichen Betrieben aus Frankreich. »Wer glaubt, Käse sei einfach Käse, der irrt«, sagt Waltmann, »vor allem, wenn es sich um Rohmilchkäse handelt.« 

Ziegen-, Schaf- und Kuhmilchkäse, in Cidre gewaschen, in Calvados getränkt, in Champagner gewendet, gebürstet oder auf Stroh gereift, das sei die »hohe Kunst des ‚Affinierens«. Und Waltmann beherrscht diese Kunst wie nur wenige.

Was jedoch alle »Käse-Flüsterer« eint, ist die bedingungslose Leidenschaft für ihr Gewerbe, von tiefem Verständnis für das Produkt und die Regionen geprägt – und vom Ehrgeiz, etwas Gutes immer noch besser zu machen: Eine reife Leistung im wahrsten Sinn des Wortes.


Einige der besten Affineure

Fromagerie Antony

Bernard Antony gilt als der berühmteste Käse-Affineur Frankreichs. Inzwischen wird die legendäre Fromagerie aus dem Elsass von Sohn Jean-François geführt. Das Haus beliefert unzählige Spitzenrestaurants auf der ganzen Welt.
5, rue de la Montagne, F-68480 Vieux-Ferrette.
fromagerieantony.fr

The Cheese artist
Österreichische Käse-Manufaktur von
Käse-Affineur Bernhard Gruber in der Nähe der Riegersburg in der Steiermark.
Bergl 2, 8333 Riegersburg 
thecheeseartist.at​​​​​​​

jamei Laibspeis’
Deutschlands berühmteste Hartkäse-
Manufaktur im Allgäu, geführt von
Thomas Breckle und Martin Rößle. 
Hildegardplatz 3, D-87435 Kempten
​​​​​​​jamei-laibspeis.de

degust affineur 
Käse-Manufaktur des Sternekochs Hansi Baumgartner. Veredelt und affiniert werden ausgesuchte Rohmilchkäse aus Südtirol, aber auch aus anderen Regionen Italiens. 
Bsackerau 1, I-39040 Vahrn (BZ), Italien,
degust.com​​​​​​​

waltmann
Volker Waltmann, einer der wenigen
»Maître Affineure« Deutschlands hat mit
seinem Ladengeschäft in Erlangen einen wahren Käsetempel etabliert.
Friedrichstraße 10, D-91054 Erlangen
​​​​​​​waltmann.de

© Gettytt

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2021

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Herbert Hacker
Herbert Hacker
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