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Zeitgenössisches Design zum Sammeln

Das Sammeln von Mid-Century-Design ist längst im Mainstream angekommen. Zeit also, einen Schritt weiter zu gehen. Zeitgenössisches Möbeldesign, auch Functional Art genannt, erobert sich sein Terrain.

12.03.2020 - By Nicola Afchar-Negad

Anfang März war es zum dritten Mal so weit: Die Messe Collectible lockte Designer, Galeristen und Sammler nach Brüssel. Das Branchen-Gathering gilt bereits nach kurzer Zeit als etabliert, die Gründer Liv Vaisberg and Clélie Debehault haben den Nerv der Zeit getroffen. Im Gespräch mit LIVING erklären Debehault und Vaisberg, warum jetzt die Zeit für Möbeldesign des 21. Jahrhunderts angebrochen ist: »Möbel wurden – im Vergleich zur Kunst – lange Zeit als ärmlicher angesehen. Sobald Funktionalität gegeben ist, verliert ein Stück seinen Wert. Oder sagen wir ›verlor‹, denn die Wahrnehmung ändert sich!« Die Messe-Gründerinnen bringen das Revival der Handwerkskunst ins Spiel, eine Wiederbesinnung auf das Material und nicht zuletzt das große Interesse der Menschen, ein individuelles Umfeld für sich zu schaffen. »Instagram soll nicht nur das Gleiche zeigen.« Da ist sie wieder: die Plattform Instagram als Triebfeder für so vieles. Auf der Col-lectible gibt es Stücke »zwischen 500 und 100.000 Euro. Unikate, limitierte Editionen, High End und von heute – zukunftsgewandt, anstatt an der Vergangenheit orientiert«. Stühle und Lampen sind immer ein großer Hit, einfach, weil leichter zu sammeln als opulente Dinner-Tische. »Und eine hängende Lampe, zum Beispiel von DIM atelier, kann auch das dreijährige Kind, das eventuell mit im Haushalt wohnt, nicht zerstören«, lacht Debehault. Genau das gilt es zu beachten: Mit Möbeldesign lebt man im besten Fall. »Wohnst du noch oder sammelst du schon?«, könnte man sich hier sozusagen fragen.

Das junge Duo Schimmel & Schweikle experimentiert mit Volumen. Aus der Serie »Return to Default«. schimmelschweikle.com

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Das »Set No. 6« von müsing–sellés besteht aus einem Sessel (abgebildet) und einem Tisch. musing-selles.com

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Gesammelte Erfahrung

Auch Harald Bichler, der seit 19 Jahren die Galerie Rauminhalt in Wien führt, war auf der Collectible und schätzt sie sehr. »In Belgien hat man kulturell bedingt ein viel besseres Verständnis für gutes Design – und das Sammeln.« Auch die Verfügbarkeit sei eine ganz andere; die Nähe zum Meer mache einen großen Unterschied. »Bei uns hat man verlernt, was Sammeln bedeutet«, bedauert Bichler. 

»Es ist ein langwieriger Prozess, in dem man für sich selbst ein Thema aufarbeitet. Das kann und darf kompliziert sein und sollte von einem Experten begleitet werden.« Auktionsergebnisse müsse man zum Beispiel lesen können, es gehe um den Durchschnitt über jahrelange Zeiträume und nicht um einzelne Ergebnisse. Viele ließen sich hier gerne von Rekordsummen blenden. Um einen Einstieg in die Materie zu finden, sind Galerien ohne Frage die ideale Variante. Junge Designer werden gefeatured, Ausstellungen kuratiert und Kataloge erstellt. Das kostet Zeit – und zwar allen Beteiligten. Galerien leisten sozusagen die Basisarbeit. Einen interessanten Zugang hat übrigens auch die Seeds Gallery in London gefunden: Die Stücke werden hier statt im »weißen Raum« in einem bewohnten Town-House-Ambiente gezeigt.

Der Markt für Luxus-Möbel ist fraglos ein gewaltiger. Eine US-Studie (April 2019) spricht etwa von einem Marktvolumen von 25 Milliarden US-Dollar – und einem zu erwartenden Umsatz von 31 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2024. Die Zahlen, die man findet, variieren wohlgemerkt, aber alle prognostizieren ein deutliches Plus. Online-Retailer wie 1stdibs oder The Future Perfect sind hier Tempomacher und haben natürlich ebenfalls ihre Berechtigung, wenn es um Design Art geht. Aber eben mit Bedacht betrachtet. In Österreich ist Pamono eine Alternative und durchaus auch die Vienna Design Week.

Konkret Namen zu nennen, bei denen ­von einer Wertsteigerung ausgegangen werden kann, ist – kein Wunder – schwierig bis unmöglich. Wer sich in den großen Aukti­onshäusern umsieht, wird feststellen, dass ­die Koryphäen der Architektur – wie Tadao Andō oder Zaha Hadid – bei Auktionen ziehen. Ein Leuchtenentwurf von Zaha Hadid hat es beim Dorotheum in Wien 2010 etwa auf über 150.000 Euro gebracht. Ein Set aus sechs Stühlen des Österreichers Franz West ein paar Jahre später auf über 100.000 Euro. Ja, hier sind sie, die Superlative und Rekorde, die das Bild vermutlich verzerren. 

Dorotheum-Experte Mathias Harnisch ­gibt noch einen Tipp: »Gutes Design vereint mehrere Aspekte: Zum einen sind dies Objek­-te, die am ehesten dem Leitsatz »Form folgt Funktion« – bereits 1852 geprägt und später im Rahmen der Bauhaus-Philosophie in einen neuen Kontext gesetzt – entsprechen. Zum anderen sollten das Ästhetikempfinden und die eigene Sammelvorliebe neben der Qualität und Verarbeitung entscheidend sein.«

Das zeitgenössische Design hat bereits seit der Einführung der Sparte im Dorotheum im Jahr 1996 einen festen Platz eingenommen.

Mathias Harnisch, Dorotheum-Designexperte

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