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Wohnrecht und Investment: Alles, was recht ist

Verträge, Normen, Kleingedrucktes: Das Investieren in Wohnungen ist voller juristischer Fallstricke, und die Corona-Situation macht alles noch komplizierter. Immobilienanwälte helfen dabei, Licht ins Dunkel des Wohnrechts zu bringen.

09.02.2021 - By Maik Novotny

Normenflut und Regelungswahn – egal, welchen Architekten oder welchen Investoren man zuhört, irgendwann fallen diese Worte. Ob Bauablauf oder Kaufvertrag, alles wird komplizierter. Goldene Zeiten für Juristen, könnte man denken, und man liegt damit nicht falsch. Doch sehen Immobilienanwälte die Paragrafenflut durchaus kritisch: »Wir sind zwar das Kaiserreich los, nicht aber seine Bürokratie«, sagt Peter Oberlechner von der Kanzlei Wolf Theiss. »Unser Land leistet sich den Luxus von neun verschiedenen Bauordnungen und einer Flut von technischen Normen.«

AUGEN AUF BEIM KAUF

Glücklich, wer einen guten Anwalt hat, der Licht ins Dunkel bringt, sei es bei der Vertragserstellung oder bei komplexen Bauprojekten. »Grundsätzlich kann man nur davon abraten, eine Immobilie ohne rechtlichen Beistand zu erwerben oder zu verkaufen«, ­rät Anwalt Mark Krenn von Cerha Hempel. »Verglichen mit dem Kaufpreis sind die Beratungskosten vernachlässigbar. Hier wird ­oft am falschen Ort gespart. Die Fallstricke sind mannigfaltig, der Mustervertrag aus der Schublade ist eine Mär. Außerdem kann der erfahrene Immobilienanwalt auch als Branchenexperte wertvolle Tipps geben.« Gerade beim Erwerb von Zinshäusern heißt es: Augen auf, Kauf ist Kauf.

»Zu beachten sind hier insbesondere die Bestandverträge, die niedrigen Mietzinsobergrenzen und das Risiko, dass ein Mieter nach Einzug eine Herabsetzung beantragt«, erklärt Michael Holzmannhofer von der Kanzlei Schönherr. Hat man ein Auge auf den Dachausbau geworfen, ist zusätzliche Vorsicht geboten, wie Marie-Luise Pugl von der Kanzlei Dorda anmerkt: »Um einen reibungslosen Ausbau sicherzustellen, muss genau geprüft werden, ob bestehende Mieter die Dachbodenflächen nutzen dür­-fen. Solche Rechte können Ausbauprojekte erheblich verzögern oder im schlimmsten Fall sogar vereiteln.«

Gibt es mehrere Wohnungseigentümer, ­ist es ratsam, sich nicht nur die Immobilie selbst, sondern auch die Protokolle der Eigentümerversammlungen anzuschauen, rät Mark Krenn. »Befindet sich ein Störenfried in der Gemeinschaft, kann man das unter Umständen aus den Protokollen erkennen. Dann sollte man sich schon gut überlegen, ­ob man sich das antun will.«

Was nun, wen sich die Rechtslage ändert? Hier ist es sinnvoll, kommende Änderungen frühzeitig zu erspüren – sofern sie denn kommen. Den größten Reformstau, da sind sich alle Anwälte einig, gibt es beim Mietrecht. »Mehr Klarheit und Vereinfachung, ­ein fairer Ausgleich zwischen Mieter und Vermieter und vor allem eine Anpassung an das 21. Jahrhundert und Umsetzung der Digitalisierung wären sinnvoll«, so Magdalena Brandstetter von Dorda Rechtsanwälte. Hier sind die Fronten jedoch verhärtet. Zu erwarten ist allerdings eine Änderung im Maklerrecht durch die heiß diskutierte Einführung des Bestellerprinzips bei der Provision.

Auch die Corona-Pandemie hat die Immobilienwelt durchgeschüttelt. Global betrachtet scheint es, als sei die Immobilienbranche ein Krisengewinner. »Das ist aber nur die halbe Wahrheit«, so Mark Krenn. »Stark unter Druck geraten sind Büros und Handelsstandorte, während beim Wohnen der Boom sogar noch zunimmt.« Nicht nur der Run aufs Betongold sichert den Anwälten genug Arbeit, auch bei den oft verwirrenden Corona-­Verordnungen und außergewöhnlichen ­On-hold-Situationen ist juristisches Know-how gefragt, wie Michael Holzmannhofer betont: »Wir haben einen Zuwachs an Anfragen in Zusammenhang mit Mietzinsminderungsansprüchen und Kündigungsmöglichkeiten, aber auch zu Baueinstellungen und Mehrkostenforderungen.« 

Die Pandemie, so Peter Oberlechner, ha­be in der Immobilienwelt die Karten neu gemischt. »Wohnen mit Balkon und Home­office ist verstärkt ins Augenmerk gerückt. Hotels und Freizeitimmobilien sind in der Krise. ­Büros werden kleiner, und Open Space ist problematisch. Für gute Immobilienanwälte bedeutet all das interessante neue Arbeit!«

Michael Holzmannhofer, Rechtsanwaltsanwärter, Schönherr Rechtsanwälte

»Erwerber von Zinshäusern sollten insbesondere die Bestandverträge und die niedrigen Mietzinsobergrenzen beachten und in den Kaufpreis mit einfließen lassen.«

Mag. Mark Krenn, Head of CEE Real Estate Practice, Cerha Hempel Rechtsanwälte

»Verglichen mit dem Kaufpreis sind die Beratungskosten vernachlässigbar. Die Regelungsdichte ist hoch, und die Fallstricke sind mannigfaltig. Der Mustervertrag aus der Schublade ist eine Mär.«

Peter Oberlechner, Partner, Wolf Theiss Austria

»Beim Mietrecht besteht dringender Reformbedarf. Die anstehende Runderneuerung fällt jedoch immer wieder dem ideologischen Grabenkampf zum Opfer.«

Stefan Artner, Leiter des Real-Estate-Teams, Dorda Rechtsanwälte

»Betongold wird in Krisenzeiten besonders geschätzt. Daher ist das Interesse an Immobilien unverändert hoch und unser Team gerade auch in Covid-19-Zeiten gefragt.«

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