Wie Singapur zur nachhaltigsten Stadt werden will
Mit der Umsetzung des »Greenplans 2030« wird Singapur zur führenden nachhaltigen und dennoch wachsenden Stadt mitten in einem Garten. Kfz-Neuzulassungen gibt es schon lange nicht mehr, Hochhäuser werden neu erfunden, und sozialer Wohnbau soll für eine gerechte Verteilung sorgen.
13 . Dezember 2022 - By Heimo Rollett
Ein Glashaus mit 1,28 Hektar Fläche, zwei künstliche Riesenbiotope, in denen Pflanzen aus der ganzen Welt wachsen, die Supertrees, die Elektrizität für die Beleuchtung und Kühlung erzeugen, Wasser sammeln und an deren Stahl-Ästen seltene Flora aufgezogen wird – der Park namens »Gardens by the Bay« ist der bekannteste Teil des Stadtstaats Singapur, er ist Aushängeschild für eine hypermoderne Metropole und dann doch nur ein Puzzlestein in einer der aufregendsten Entwicklungen, die es derzeit auf diesem Planeten gibt. Nirgendwo sonst wird Nachhaltigkeit so gekonnt mit Urbanität, Modernität, Bildung, Technologie, Umwelt und Immobilien verknüpft. Ein Wasserfall inmitten einer üppig bewachsenen tropischen Riesenhalle, und das mitten am Flughafen? Willkommen in Singapur!
Der südostasiatische Stadtstaat stand vor wenigen Dekaden noch als belächeltes Entwicklungsland da. Wohnten in den 1960er-Jahren noch 1,7 Mio. Menschen in der tropischen Agglomeration, sind es heute rund 5,5 Millionen – auf nur wenigen Quadratkilometern. Die Verwaltung muss so clever mit den Ressourcen wie Land umgehen wie sonst selten wo. Es gibt einen bis ins Detail ausgearbeiteten Masterplan und sehr konkrete, strenge Vorgaben für alle Unternehmen und Immobilienentwickler. Wo nur möglich, müssen Pflanzen wachsen, begrünte Fassaden sind bei Neubauten Pflicht, der Rest muss nachgerüstet werden (Ziel: 80 Prozent der Bestandsgebäude bis 2030), schließlich tragen sie zu einem Mikroklima bei, das die Stadt um einige Grad Celsius herunterkühlt. Auch Windkorridore sind ein Tool der Stadtplanung.
Architektur-Hotspot
Die Liste beeindruckender Immobilien in Singapur ist sehr lange – die Helixbrücke und das »Marina Bay Sands Hotel« sind prominente Beispiele. Die Stadt ist aber aus vielen Gründen bei Touristen beliebt und hat daher auch den nachhaltigen Tourismus als Ziel formuliert. marinabaysands.com
Pflanzen schützen die Stadt
Eine jener Immobilien, die im Zuge der radikalen Verdichtung aus dem Herzen der Stadt in den Himmel ragen, nennt sich »Marina One«, ein gemischt genutzter Komplex mit insgesamt 400.000 Quadratmetern Fläche (zwei Bürotürme und zwei Wohntürme mit 1.042 Wohnungen und Penthäuser für rund 3.000 Einwohner). In der Mitte der Türme liegt ein sich über mehrere Ebenen erstreckender öffentlicher Gartenraum. Von ihm aus erobern 350 verschiedenen Pflanzen- und Baumarten die Vertikalen und die terrassierten Stockwerke hinauf in die Höhe. Optisch erinnert das Ganze an urbane Reis-felder. »Marina One«, geplant von Ingenhoven Architects aus Düsseldorf ist zwar speziell, dasselbe Prinzip wird aber bei vielen Skyscrapern angewandt, denn das glatte, kompakte Hochhaus, das Nord-Süd ausgerichtet ist, eignet sich nicht für tropische Klimazonen. Im Hotel »Parkroyal« verwebt sich die Natur bereits mit den Nachbargärten, zwischen den Zimmern sind immer wieder Himmelsgärten als Relax-zonen eingerichtet. Das von den Vorreiter-Architekten WOHA geplante und schon 2013 eröffnete Haus spart außerdem so viel Energie, dass davon 680 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden könnte.
Marina One 350 verschiedene Baum- und Pflanzenarten, darunter 700 Bäume finden sich auf den terrassierten und vertikalen Gärten des Marina One. Die insgesamt 37.000 Quadratmeter Grünfläche sorgt für ein intelligentes Mikroklima in der Tropenstadt. ingenhovenarchitects.com
© Ingenhoven ArchitectsSozialer Wohnbau
7.692 Einwohner wohnen durchschnittlich auf einem Quadratkilometer Singapur. Wie geht sich das aus, wie ist das leistbar? 80 Prozent der Menschen leben in sozialen Wohnungsbauten des Housing & Development Boards. Diese staatliche Organisation verkauft Wohnungen deutlich unter dem Marktpreis an Familien, die mindestens fünf Jahre die Wohnung behalten und dort leben -müssen. Das hat viele positive Effekte: Die Familien achten etwa viel mehr auf die Immo-bilien, schließlich sind sie die Besitzer, und was einem gehört, wird besser gepflegt. Wobei: Genau genommen ist es mit dem Eigentum natürlich so eine Sache. Wie in vielen anderen vor allem angloamerikanischen Ländern handelt es sich um eine Art Baurecht. Was man kauft, geht immer nach 99 Jahren zurück an die Stadt. Politisch bei uns inkorrekt und doch sehr sinnvoll ist die Art der Zuteilung der Wohnungen. Hier spielt die Ethnie eine wesentliche Rolle. Nur so kann eine gesteuerte Durchmischung -gesichert werden.
Ein anderes Problem hat die Regierung allerdings noch nicht in den Griff bekommen. Die geschäftigen Pärchen, wenn es überhaupt neben den Business-Singles welche gibt, bekommen kaum mehr Babys. Die extrem steigende Be-völ-kerungskurve hat sich in den letzten Jahren stabilisiert, mit der aktuellen Teuerung schießen die Lebenskosten weiter in die Höhe, was wohl kaum zu Familiengründungen ermuntert.