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Wie Big Data die Immobilienwelt verändert

Daten seien so wertvoll, hat es lange Zeit geheißen. Aber welche? Und was tut man damit? Mit Immobiliendaten lässt sich jedenfalls gutes Geld verdienen, voraus-gesetzt, man legt es richtig an.

11.05.2022 - By Heimo Rollett

Den richtigen Riecher hatte Roland Schmid. Wie kein anderer erkannte er, was sich in der Immobilienbranche aus Daten machen lässt. Das war 2006, damals fehlte allen anderen überhaupt eine Vorstellung, was Digitalisierung bedeuten könnte. Heute ist Schmid ein Selfmade-Millionär. Und sprudelt immer noch vor Ideen, aktuell will er etwa den Breiten- und Amateursport mittels Kamerasystemen digital vermarkten.

Veredeln statt besitzen

Durch die digitale Aufbereitung von Grundbuch- und Kaufvertragsdaten hat Schmids Unternehmen IMMOunited über die Jahre einen Industriestandard geschaffen. Fundierte Marktinformationen sind unverzichtbar für die Arbeitswelt der Immo-Player, man will wissen, was eine Immobilie wert ist, wer im Umfeld was verkauft hat, wie viel welche Ausstattung bringt etc. »Dabei ist allerdings nicht unbedingt der Besitz von Daten entscheidend. Viel eher geht es darum, aus den vorhandenen Datensätzen nützliche Informationen herauszuholen«, erzählt Schmid rückblickend. 

Wohnungsmarkt Lohnt sich das Geschäft mit gebrauchten Wohnungen? Rationale Antwort, weil daten-basiert: ja. Von 2011 bis 2020 wurden ca. 6.060 Wohnungen in den österreichischen Landeshauptstädten gekauft und mindestens einmal weiterverkauft. Die absolute Preissteigerung beim Wiederverkauf lag bei knapp 38 Prozent, die jährliche bei 23 Prozent (Quelle: IMMOunited, im Bild My Smart City Graz von Trivalue).

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Das wurde am Immobilienmarkt erstmals durch die Produkte IMMOmapping (geografische Visualisierung von Kaufverträgen) und IMMOstats (statistische Auswertung von Transaktionen) möglich. Auch mithilfe von IMMOfarming wurden die Informationen aus dem österreichischen Grundbuch zeitgemäß und übersichtlich aufbereitet. 

Für die Bewertung von Immobilien wurde zusätzlich der Service IMMOvaluation entwickelt. Und schließlich gibt es ein eigenes Modul, mit dem auch der Onlineimmobilienangebotsmarkt übersichtlich analysiert wird. Mittlerweile haben neben dem Immobilienmarkt auch andere Branchen den Vorteil von verständlich aufbereiteten Transaktionsinformationen erkannt – Banken beziehen die Daten etwa in ihre Geschäftsprozesse mit ein. Vor Kurzem kam noch eine Bauträgerdatenbank als eigenes Produkt hinzu, sie soll zeigen, welcher Bauträger wo was plant und zu welchem Preis er das verkaufen will. ­Wiederum Infos, die durch das intelligente Verwerten von Daten für viele einen hohen Nutzen haben.

Beispiel Klagenfurt Klagenfurter Wohnungen (40 bis 100 m²)kosten im Schnitt 156.800 Euro. Kommen sie vom Bauträger, zahlt man durchschnittlich 256.500 Euro. Dies ist nur eines der Ergebnisse, die sich mit den -Daten von IMMOunited analysieren lassen.

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Gratis schätzen – gratisdaten!

Gute Ideen werden natürlich gerne kopiert. Roland Schmid kann damit leben. Das Grundbuch haben auch andere Anbieter ­digitalisiert, Preisdatenbanken gibt es viele (mit unterschiedlichen Qualitäten), und Otto ­Normalverbraucher stolpert im Internet auch häufig über Angebote, die ihm eine Werteinschätzung für eine Immobilie versprechen. Dabei handelt es sich meist um ein komplett anderes Geschäftsmodell, nämlich um eine Akquiseplattform für Makler.

Da gibt unser Otto geduldig die Objektdaten ein und wird dann um persönliche Daten und E-Mail-Adresse gebeten, damit ihm die Schätzung zugestellt werden kann – und schon wissen die Betreiber, wo vielleicht bald eine Immobilie verkauft wird, und verkaufen die Daten an Makler (so nicht selbst ein Makler hinter dem rudimentären Schätzservice steht).

Während IMMOunited einer Person gehört, sind die meisten anderen Immodatenunternehmen Teil einer mitunter recht schwindeligen Start-up-Szene und der geldgetriebenen Proptech-Welt. Ob da jede Idee Sinn macht, steht nicht unbedingt im Vordergrund. Da muss man sich erst mal beweisen und sich von einer Finanzierungsrunde zur nächsten entwickeln.

»Man muss Daten nicht besitzen, es geht darum, aus den vorhandenen Datensätzen nützliche Informationen herauszuholen.« – Roland Schmid, Gründer IMMOunited und RS Group

Beispiel PriceHubble. Das Unterneh­men wurde 2016 in der Schweiz gegründet und hat letzten Sommer 34 Millionen Euro von diversen Investoren bekommen, es war eine Serie B-Finanzierung, die die weitere Expansion ermöglichen soll. Mittlerweile ist das (Jung-) Unternehmen in neun Märkten aktiv, neben Österreich auch in der Schweiz, in Frankreich, Deutschland, Japan, Belgien, den Niederlanden, der Tschechischen Republik und der Slowakei. Der Kundenstamm in Europa und Asien besteht aus mehr als 800 Unternehmen. Das ist schon was.

Alle Lösungen von PriceHubble haben mit Daten zu tun, teilweise basieren sie auch auf maschinellem Lernen. Vor allem werden Bewertungen, ­prädiktive Analysen und benutzerfreundliche Erkenntnisse, welche in einer vernünftigen Visualisierung aufbereitet werden, angeboten.

Hot Spot Berlin Berlin ist eine tolle Stadt für Immobilien-investments. Aber wo genau sollte man eine Wohnung kaufen? Daten von PriceHubble verraten, dass die Mietrendite im Ortsteil Bohnsdorf mit fünf Prozent am höchsten ist.

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PECH für die Mafia

Daten im Immo-Business sind vielfältig. Neben Marktdaten gibt der Betrieb von ­Gebäuden viel her. Mittels kostengünstiger Sensoren werden plötzlich Qualitäten wie Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt etc. messbar, mit Apps können die Nutzer angeleitet werden, das Gebäude optimal zu gebrauchen, und die Haustechnik weiß in Echtzeit, wo sie gegensteuern sollte. Hat ein Unternehmen viele Gebäude, kann es sein Portfolio anhand solcher Daten optimieren, weiß genau, welches gut und welches schlecht ist. Anderer Use Case: Mietverträge, die automatisiert mit – mehr oder weniger – künstlicher Intelligenz archiviert oder auch schon erstellt werden. Wieder andere Baustelle: die Baustelle. In Zukunft werden hier wohl Materialien erst dann geliefert, wenn sie vom digitalen Projektplan bestellt werden, dann werden sie vor Ort eingescannt und mittels eines automatisierten Vertrags verrechnet. Von den digitalen Firmen kann hier noch viel entwickelt und viel Geld verdient werden. Nur die Mafia tut sich schwer, weil sie dann nicht behaupten kann, es sei die ­doppelte Menge geliefert worden.

Erschienen im Falstaff LIVING Residences 01/2022

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