Venezianisches Muranoglas
Seit dem 14. Jahrhundert ist Venedigs kleine Nachbarinsel Murano Entstehungsort bedeutender Glas-Grandezza. LIVING konnte dort den kreativen Schaffensprozess von Giberto Arrivabenes Glaskunst unter die Lupe nehmen.
10 . März 2020 - By Angelika Rosam
Das elegante Riva-Boot hält mit gurgelndem Motor am Steg. Giberto Arrivabene strafft das Seil und heißt uns erneut willkommen. Wir sind am Weg nach Murano, jener kleinen Insel im Norden Venedigs, wo seit dem 14. Jahrhundert das edelste Glas der Welt gefertigt wird. Auch der »Glas-Conte«, wie wir ihn mittlerweile nennen, arbeitet dort mit einigen Glaskünstlern an
seinen Kreationen. Für seine speziellen Projekte wie die Glasnachahmung der antiken Schönheit Paolina Borghese wurde Muranos exzentrischer Künstler Giorgio Giuman be auftragt. Mit ihm werkt der Conte bereits seit Jahren erfolgreich als gut eingespieltes Team – zwei starke Persönlichkeiten, die sich ergänzen. Arrivabene liefert das Design, Giuman führt aus. Rund hundert kleine Betriebe sind in Murano aktuell mit den Handwerksgeheimnissen der Muranoglas-Fertigung betraut. Ursprünglich wurden diese über Jahrhunderte von Vater zu Sohn weitergegeben, eine zehnjährige Lehre war dabei Voraussetzung, und nur die Besten hielten bis zum Ende durch. Die körperlichen Anstrengungen, bis man sich als Glaskünstler titulieren darf, sind immens, das Einatmen der giftigen Ausdünstungen der Brennöfen kann sich auf die Gesundheit besonders schädlich auswirken. Auch bei Giuman sind die beiden Söhne bereits in das lebensgefährliche Prozedere involviert und formen tagtäglich mit einer Selbstverständlichkeit Glasobjekte. Er-mü-dungsanzeichen? Auf keinen Fall! Denn das hübsche Resultat ist alles, was zählt.
Giberto Arrivabene führt aus: »An einem Stück arbeiten meist mehrere Männer zusammen. Sie benutzen Metallstöcke, um das flüs-sige Glas aufzunehmen, damit dieses sofort geformt werden kann. Man muss bedenken, dass die Glasstücke aus einer Vielzahl von Schichten bestehen, in denen verschiedene Farben integriert werden können. Mit jeder Glasschicht wird die Skulptur etwas mehr in Form gebracht. Ganz wichtig dabei: Das Glas muss immer wieder aufs Neue erhitzt, geformt und gekühlt werden. Sobald es aus dem Ofen kommt, bleiben den Glaskünstlern nur wenige Sekunden, um das Stück zu bearbeiten.«