© Chris Cunningham

Rahmen-Erzählungen: der Aufstieg von Amoako Boafo in der Kunstszene

Der gefeierte Maler Amoako Boafo legte einen fulminanten Aufstieg in der Kunstszene hin. Und jetzt macht Dior aus seinen Bildern auch noch Mode. Ein Über- und Ausblick auf eine der momentan spannendsten Karrieren im Kunst-Business.

27.04.2021 - By Manfred Gram

Die Story hat es in sich. Noch vor zweieinhalb Jahren war Amoako Boafo lediglich einer Handvoll eingeweihter Kunstkenner ein Begriff. Aber dann – scheinbar aus dem Nichts – nimmt die Karriere des Künstlers aus Ghana Fahrt auf. Und zwar rasant. Passiert so etwas, ist das insofern auch perfekt, da auf diese Weise gleich mehrere gute Geschichten zu erzählen sind. 

Eine davon ist jene vom hochtalentierten Maler aus Ghana, der in der Küstenhauptstadt Accra ein Kunststudium beendet. Anfang der 2010er-Jahre verschlägt es ihn nach Wien. Der Liebe wegen. Hier an der Donau inskribiert der begabte Maler an der Universität für bildende Künste und beginnt Porträts zu malen. Von Menschen mit dunkler Hautfarbe, die er in der Stadt und der Black Community trifft. »Die Hauptidee oder das Ziel meiner Arbeit ist es, Menschen zu malen, die ich mag, Menschen, die mich inspirieren, Menschen, die Freiräume und Möglichkeiten schaffen. Was ich tue, ist, die guten Menschen um mich herum zu dokumentieren«, erklärte der Künstler, der 2019 mit dem Strabag Artaward International ausgezeichnet wurde. 

»Ich lernte Amoako Boafo bald, nachdem er in Wien angekommen war, kennen«, erinnert sich etwa der Wiener Kunst-Consulter und Galerist Raimund Deininger. »Man merkte sofort: Hier ist ein großartiger Maler und Techniker am Werk, der damals noch hyperrealistische Porträts, wie man sie etwa vom amerikanischen Künstler Chuck Close kennt, malte«, schwärmt er. 

Die Stadt und ihr künstlerisches Erbe hinterlassen jedenfalls relativ schnell Spuren bei Amoako Boafo. Inspiriert von der Wiener Moderne, vor allem aber von Egon Schiele, malt der Ghanaer jetzt überlebensgroße Porträts. Unverwechselbare übrigens, denn wenn es darauf ankommt, legt Boafo den Pinsel zur Seite und malt archaisch und expressiv mit den Fingern. So bringt er Struktur und Energie in die Gesichter, die nahezu skulptural wirken. »Der Kontrollverlust beim Malen mit Fingern gibt meiner Arbeit mehr Freiheit und flüssigen Charakter«, erklärte Boafo einmal seine Technik.

Rasanter Aufstieg 

In einer vernetzten Welt, die ohnehin nicht selten am effektivsten über Bildkanäle auf Social-Media-Plattformen funktioniert, blieb das nicht lange unbemerkt. Der US-Künstler Kehinde Wiley, von Barack Obama ausgewählt, um dessen offizielles Konterfei für die National Portrait Gallery zu malen, wird auf Boafo aufmerksam, kontaktiert ihn über Instagram und empfiehlt ihn gleichzeitig einflussreichen Sammlern und Galeristen. 

Kleine Zwischenbilanz dieser »Starthilfe«: Die einflussreichen Megacollectors Mera und Don Rubell aus Miami förderten Boafo, das New Yorker Guggenheim Museum kaufte eines seiner Porträts. Und der Run geht weiter: Zwei Galerien, Robert Projects in Los Angeles und Mariane Ibrahim in Chicago vertreten den 37-Jährigen in den USA und auch die renommierte Kunstplattform Artsy wählte den Maler unter die einflussreichsten Künstler des vergangenen Jahres. 

Boafos Kunst passt genau zum Zeitgeist und zu aktuellen Markt-Tendenzen, die das Schaffen von afrikanischen Kreativen vermehrt in den Fokus rücken. Sie waren lange unterrepräsentiert, zudem wird im Zuge der »Black Lives Matter«-Bewegung und im gesellschaftspolitisch vorherrschenden Diversity-Diskurs der alte Kunstkanon gerade neu definiert. Gute Voraussetzungen also, die für den kosmopolitischen Ghanaer in einem (vorläufigen) viel beachteten Höhepunkt kulminierten: Bei einer Phillips-Auktion im Februar 2020 wurde sein Werk »The Lemon Bathing Suit« um 880.000 Dollar ersteigert. 

Die Versteigerung und der erzielte Preis waren allerdings nicht ganz unumstritten. Strohmänner kauften im Auftrag von Boafo sein eigenes Bild. Dies kann man wohl auch als legitimen Versuch, Deutungs- und Preishoheit für das eigene Werk zurück zu erlangen, sehen. Gilt doch der Künstler, der zur Zeit in Ghana weilt, auch als sehr cleverer und cooler Stratege. Trotzdem: Hat man es am Ende gar mit einer Blase zu tun? Kunstkenner und Sammler Raimund Deininger sieht das nicht so: »Natürlich muss man genau hinschauen, wenn jemand von Null auf Tausend geht. Aber ich glaube nicht, dass das, was sich gerade um Amoako Boafo abspielt, ein Hype ist. Dazu ist er zu gut. Seine Bilder werden vielleicht nicht mehr ganz so schnell steigen, aber ganz sicher nicht an Wert verlieren.«  

»Ich glaube nicht, dass die große Aufmerk­samkeit rund um Amoako Boafo nur ein Hype ist. Dazu ist er zu gut!«

Raimund Deininger, Galerist, Art-Consulter und Kunstsammler

Kunst trifft Mode

Boafo selbst nutzt die aktuelle Aufmerksamkeit, die um seine Person herrscht, mehr als geschickt. Ein perfektes Beispiel ist seine aktuelle Kooperation mit dem französischen Modehaus Dior. Boafo, der als sehr modeaffin gilt, und in seinen Porträts gerne Kleidung mit fantasievollen Mustern und Motiven erfindet, lernte vor zwei Jahren am Rande der Art Basel Miami Beach den Dior-Kreativchef Kim Jones kennen.

»Ich fühlte mich von der Intensität dieser Porträts gleich angesprochen – die Kraft der Bewegung, die Auswahl der Farben, viele Aspekte seiner Arbeit und seiner Art, die Dinge zu sehen, berühren mich«, lässt Kim Jones wissen. Man verstand sich also auf Anhieb. Vor allem beeindruckte den Dior-Kreativen das Porträt »Green Beret«, auf dem unter anderem auch ein Hemd mit feinem Efeumuster zu sehen ist, das zu einem Signal-Piece der aktuellen Dior-Männer-Kollektion wurde, die Boafos Muster, Strukturen und charaktervolle Gesichter von der Leinwand zurück ins echte Leben führt. Ein einfaches Prinzip, trotzdem aber auch ein ziemlich gewieftes Spiel mit Bedeutungsebenen, Realität und Identität. »Kunst und Mode stehen sich in vielerlei Hinsicht sehr nahe. Zum Beispiel im Schaffungsprozess. Mode ist ein Antrieb für die Kunst – und Kunst kann bei der Selbstverwirklichung helfen«, erklärte der Künstler die Kooperation mit dem Hause Dior, das übrigens eine sehr lange Tradition hat, wenn es darum geht, mit Künstlern zusammenzuarbeiten. Eine Win-Win-Situation übrigens. Denn für Boafo bringt die Dior-Kooperation zusätzliche Aufmerksamkeit – eine der härtesten Währungen, ist doch mit ihr Bekanntheit und Einfluss verbunden. Und das braucht ein Gegenwartskünstler, damit es weitere Storys über ihn gibt. 

Über Amoako Boafo

1984 in Accra, der Hauptstadt Ghanas geboren, brachte sich Amoako Boafo das Malen zunächst selbst bei. Der Arbeitgeber seiner Mutter übernahm dann die Gebühren für ein Universitätsstudium am Ghanatta College of Art and Design. Resultat des Studiums: die Auszeichnung als bester Maler des Jahres. 2013 geht Boafo nach Wien und studiert zuerst bei Ashley Hans Scheirl, danach bei Kirsi Mikkola Malerei.

In Wien verfeinert sich der Stil des exzellenten Technikers. Einflüsse von Klimt, Schiele und Lassnig sind nicht mehr zu leugnen. Seine Chicagoer Galeristin Marian Ibrahim schwärmt: »Er hat die Art und Weise, wie Porträts wahrgenommen werden, komplett verändert und erneuert.« Innerhalb kürzester Zeit avancierte Boafo zu einer der heißesten Aktien am Kunstmarkt. 

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