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Professionelles Investment: Wohnungen im Vormarsch

Wohnimmobilien als professionelles Investment? Bis vor rund zehn Jahren war das ein Tabu. Heute giert das globale Kapital nach dieser Immobilienart. Wohnen ist zur beliebtesten Assetklasse aufgestiegen.

09.04.2021 - By Heimo Rollett

Die Gänge der großen Immobilienmessen in Cannes und München, auf denen sich die größten Immo­bilieninvestoren der Welt treffen, waren früher gesäumt von Büroprojekten, Einkaufszentren und anderen Gewerbe­immobilien. Aber niemand wollte Wohnungen. Heute, eine gute Dekade später, hat sich das Blatt gewendet. Alle wollen Wohnungen. »Ausgehend von der Subprime-Krise 2007 und den gesunkenen Immobilienpreisen konnten Wohnimmobilien in Folge starke Wertzuwächse verzeichnen«, weiß Manfred Huber, Vorstandsvorsitzender der Euram Bank.

PolePosition

In einer Zeit, in der die Zinsen so niedrig sind, dass Unternehmen und Institutionelle Strafe zahlen, wenn sie das Geld auf der Bank lassen, und in der es wenig andere attraktive Investitionsmöglichkeiten gibt, steigt die Wohnim-mo-bilie zum absoluten Star auf. »Vor allem Ver-sicherungen, Pensionskassen und Fonds erwerben ganze Häuser und schätzen diese relativ konjunkturunabhängige Assetklasse, die kontinuierliche Wertsteigerungen und stabilen Cashflow auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten verspricht«, so Michael Ehlmaier, Geschäftsführer von EHL Immobilien. »Die Assetklasse Wohnen ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus institutioneller Investoren gerückt, wobei der Markt von österreichischen und deutschen Käufern dominiert wird«, meint Ehlmaier weiter.

Tatsächlich hat sich der Wohnsektor während der letzten Jahre an den anderen Assetklassen vorbeigedrängt und belegte gemessen am Transaktionsvolumen 2020 erstmals Platz eins. Über 1,3 Milliarden Euro wurden letztes Jahr in Wohnimmobilien gesteckt, analysiert Christoph Lukaschek von Otto Immobilien, das seien 50 Prozent mehr als 2019: »Das hohe Volumen ist durch das große Interesse und den starken Zufluss an institutionellem Kapital begründet, aber auch durch die Verfügbarkeit geeigneter Produkte nationaler Projektentwickler.« In anderen Assetklassen wie Büro wäre zwar auch Geld da, es fehlen aber die großvolumigen Projekte.

Die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmen­bedingungen bringen sowohl den Bau von Miet- als auch von Eigentumswohnun­gen zum Brummen. Erstere werden von De­ve­lopern entwickelt und etwa an Versicherungen und Pensionskassen als sichere Investi­tion mit Mieteinnahmen verkauft. Letztere passen sich ja der Inflation an, so nicht gerade eine Pandemie diese Gesetzmäßigkeit aus­hebelt. Der Abverkauf von Eigentumswohnungen hin­gegen bringt einen schnellen Gewinn für die Immobilienentwickler, die mit dem Ertrag wieder neue Projekte reali­sieren können. Wenn sie es können… Die Grundstücke in den Ballungsräumen werden nämlich immer knapper. »Die Akquise ist hart umkämpft. Aber wir sind zuversichtlich, weil ­wir die Liegenschaften gut identifizieren können und weil wir sowohl im Zinshaus­bereich als auch im Neubau tätig sind, das macht uns flexibler«, gibt sich Hannes Speiser von WINEGG gelassen.

Und die Krise?

Und plötzlich kam die Pandemie, und alles war anders. Nur den Immobilien war’s wurscht. Vor allem den Wohnimmobilien, sie stiegen auf der Beliebtheitsskala noch weiter nach oben: »Die Covid-Krise hat den Trend zur Veranlagung in Sachwerte – wie Aktien oder Wohnimmobilien – zusätzlich forciert. Wenn sich die Rahmenbedingungen (Zinsniveau, proaktive Stadtplanung etc.) nicht wesentlich ändern, wird sich diese Entwicklung fortsetzen, wenn auch von einer abnehmenden Preisdynamik auszugehen ist«, analysiert Euram-Chef Manfred Huber.

Auch Wolfdieter Jarisch, Vorstandsmitglied und Gesellschafter der S+B Gruppe AG, ist davon überzeugt, dass Wohnen durch die Krise sogar gewonnen hat: »Gerade durch die jetzige Situation wird allen der Wert von Wohnraum viel bewusster – bei turnenden, musizierenden und lernenden Kindern im Homeschooling-Modus sind Eltern im Homeworking-Betrieb massiv gefordert. Das Streben nach oben (Hochhäuser) ermöglicht es, den Mehrflächenbedarf abzudecken, und gleichzeitig kann durch die geringere Grundfläche mehr Raum am Boden für Frei- und Grünflächen entstehen.«

Netto-Zuwachs

Auch wenn derzeit vielleicht eine Stadtflucht prognostiziert wird, bleibt für die urbanen Metropolen ein Nettozuzug übrig. Davon würden Institutionelle weiterhin profitieren wollen, ist John Philipp Niemann, Geschäftsführer des Wiener Standorts von Engel & Völkers, überzeugt. Sie hatten bislang lediglich mitunter Probleme mit dem Marktzugang, glaubt Niemann: »Die Wohnimmobilie bedarf einer Mikroanalyse und genauer Kenntnis der Lage. Die institutionellen An-leger verlassen sich in allen anderen Assetklassen auf offen zugängliche Marktdaten und Prognosen. Im Bereich der Wohnungswirtschaft waren diese lange weder vorhanden noch zugänglich.« Mit der zunehmenden Professionalisierung der Assetklasse falle es institutionellen Investoren deutlich leichter, auch diesen Markt zu erobern.

Das Kapital ist vorhanden, der Platz nicht. Grundstücke in den Städten werden immer knapper, die Preise steigen entsprechend. Der Ausweg heißt Verdichtung – was auch im Sinne der Umwelt ist. Es soll dort gebaut werden, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist und möglichst wenig Fläche versiegelt werden muss. Demnach geht es in die Vertikale, wie etwa hier beim Projekt »The Metropolitan« beim Wiener Hauptbahnhof. 370 Wohnungen sollen bis Ende des Jahres fertiggestellt sein.

Zielgruppen kennen

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Sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen lassen sich derzeit gut realisieren. Die Zinsen sind niedrig, die Anlagealternativen schwach. Dennoch ist die Immobilienentwicklung keine »g’mahte Wiesn«. Erst muss man zu den richtigen Liegenschaften kommen – und dann zielgruppengenau entwickeln.

»Es gehört zu unserem Selbstverständnis als Wohnbauträger, die Bedürfnisse der Kunden zu hinterfragen und unsere Produkte anzupassen«, meint Hannes Speiser von WINEGG. Im Falle des Projekts »Cuvée 49« bei den Wiener Weinbergen hat WINEGG daher sogar Weinkellerabteile mit einem Verkostungsraum eingeplant.

Kapitalverwalter

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»Am Donaukai« nennt sich das Projekt am Fuße des Wiener Millennium Tower – hier entstehen gut 400 Wohnungen. Sowohl der Turm als auch das Wohnprojekt, das 2019 Premium Immobilien abgekauft wurde, gehören der deutschen Art-Invest Real Estate – ein institutioneller Investor und Projektentwickler, aktiv in Deutschland, Großbritannien und Österreich. Als Asset-Manager verwaltet die Gruppe auch das Vermögen anderer institutioneller Anleger wie Versorgungswerke und Stiftungen. Insgesamt betreut Art-Invest Real Estate derzeit ein Immobilienvermögen von rund 6 Milliarden Euro.

Wohnungsmaschine

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Die Nachfrage nach BUWOG-Wohnungen sei so hoch wie nie zuvor, bestätigt BUWOG-Geschäfts-führer Andreas Holler: »So mussten wir beispielsweise bei unserem aktuell bei Weitem größten Projekt, dem Kennedy Garden, die Voranmeldung für Miet-wohnungen sperren, weil wir wenige Wochen nach dem Vermarktungsstart so viele Anfragen hatten, dass allein damit die Vollvermietung gesichert ist.« Bei Eigentumswohnungen sei die Nachfrage tendenziell sogar noch stärker. Zum Jahreswechsel befanden sich über 2.000 Einheiten in Bau.

Immo-Business

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So sorgt die Immobilienwirtschaft für Konjunktur: Die eine Firma (in diesem Falle 6B47 Real Estate Investors) kauft eine ins Alter gekommene Büroimmobilie (am Wiener Höchstädtplatz) und führt diese einer wohnwirtschaftlichen Nutzung zu, um sie dann an ein anderes Unternehmen (S+B Gruppe) zu verkaufen. Diese adaptiert und optimiert die Pläne nochmals und baut nun Wohnungen auf einer Fläche von 22.000 Quadratmetern. In Deutschland starteten in diesem Frühjahr sogar Initiativen zur planmäßigen Umnutzung von Bürogebäuden zu Wohnhäusern.

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