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Ökologische Baustoffe: Innovation und Zukunft

Was ist ein ökologischer Baustoff? Welche Aufgaben muss er erfüllen? Und wie kann man ihn politisch und wirtschaftlich stärken? Ein Gespräch mit Angela Köppl, Ökonomin, Umwelt- und Energieforscherin am Österreichischen Institut für ­Wirtschaftsforschung (WIFO).

22.12.2022 - By Wojciech Czaja

Residences Haben Sie einen ganz persönlichen Lieblingsbaustoff?

Angela Köppl Ganz und gar nicht. Mein Motto ist: Man soll die Baustoff und Energiesysteme verwenden, die am besten zu mir und zu meiner Bauaufgabe passen und am besten den Zweck erfüllen, den ich benötige. Es gibt für jedes Thema eine passende, ökologisch sinnvolle Lösung.

In der Geschichte wurde vor allem mit Holz, Ziegel und Stein gebaut. Heute ist das -Spektrum an Baustoffen und Bauweisen aber enorm. Wie findet man da die passende Lösung?

Ich rate jedem, sich ein paar zentrale Fragen zu stellen: Welches Bauwerk will ich errichten? Welchen Sinn soll es haben? Und vor allem: Wie kann ich sicherstellen, dass dieses Gebäude über den gesamten Lebenszyklus den geringsten Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die geringsten CO₂-Emissionen verursacht. Das wäre die ökologisch korrekte Herangehensweise.

Oft wird die Wahl der Bauweise aber emotional und imagegetrieben entschieden.

Ja, den Eindruck könnte man manchmal gewinnen, aber unsere Untersuchungen belegen: Gerade im professionellen, institutionellen Bereich nimmt das Bewusstsein, über die Investitionsphase hinauszudenken, massiv zu. Immer mehr Firmen, Bauträger und institutionelle Investor:innen verstehen, dass die materiellen und energetischen Ressourcen auf diesem Planeten nicht unendlich sind – und dass wir entsprechend verantwortungsvoll damit umgehen müssen.

Sprechen wir da ausschließlich von großen Auftraggebern? Oder auch von Häuslbauer:innen und kleinen Baufirmen?

Pionier:innen gibt es da wie dort. Und wir brauchen dringend mehr davon.

Wird die neue Taxonomieverordnung der EU diese Entwicklung beschleunigen?

Die Taxonomieverordnung – im Grunde -genommen eine von der EU verordnete Neuausrichtung der Kapitalströme hin zu nachhaltigen Investitionen – ist ein wichtiger Schritt von vielen. Begleitend dazu gibt es auch in Österreich einige Initiativen, die versuchen, das Wissen und das Bewusstsein zu stärken.

Welche Möglichkeiten zu Steuerung gibt es sonst noch?

Im Emissionshandel der EU werden bereits energieintensive Produktionen reguliert, das betrifft auch Baustoffproduzenten. Abgesehen davon kann man auch mit positiven preislichen Anreizen wie etwa Förderungen oder aber mit einer Besteuerung auf ökologisch unerwünschte Materialien in den Markt eingreifen. Eine weitere Möglichkeit sind Baugesetze und -Bauvorschriften.

Welche Rolle nimmt hier Forschung ein?

Eine sehr wichtige. Es gibt viele Start-ups, viele innovative Klein- und Mittelbetriebe und auch viele Forschungsprojekte, die das ökologische Bauen stark vorantreiben. Nur ein Beispiel: Mit innovativen Betonkonstruktionen kann man bei gleicher Funktion des Betons im Bereich von Geschoßdecken 40 bis 50 Prozent Beton einsparen. Auch das ist ein ökologischer -Beitrag!

Die Realität sieht anders aus. Gerade im
großvolumigen Wohnbau findet man meist nur massiven Stahlbetonbau mit Vollwärmeschutz aus fossilen Dämmstoffen.

Beton ist ein bekannter, bewährter und auch günstiger Baustoff. Daher greifen viele Bauträger darauf zurück. Der EU-Emissionshandel soll zwar zu einer gewissen Kostenwahrheit bei der Produktion von Beton führen, reicht aber nicht aus, um die Klimaneutralität des Baustoffs zu gewährleisten. Aber auch Beton, der eigentlich einen hohen ökologischen Fußabdruck hinterlässt, kann sinnvoll eingesetzt werden – wenn man ihn beispielsweise zur thermischen Bauteilaktivierung nutzt und ihn lang genug in Verwendung lässt.

Welche Vision haben Sie, wenn es um die
Zukunft unserer gebauten Umwelt geht?

Wir müssen wegkommen vom Fokus auf das einzelne Gebäude und viel mehr in Zusammenhängen denken – in Vierteln, Quartieren, Energieverbünden, geothermischen Netzen, Mobilitätsnetzwerken und urbanen Infrastrukturen. Nur so können wir die ökologischen und klimatischen Herausforderungen meistern.

Die Wirtschaftsforscherin Angela Köppl (62) arbeitet seit 1992 für das WIFO und ist Vizepräsidentin des Austrian Chapters of the Club of Rome. wifo.ac.at

Erschienen im Falstaff LIVING Residences 02/2022

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