Nordic by Nature: Cocktailrezepte mit Aquavit
Mit dem Siegeszug der nordischen Küche steigt auch das Interesse am Aquavit, der einiges mit Gin gemeinsam hat. Hierzulande noch ein Unbekannter, ist er weit mehr als bloß »Kümmelschnaps«.
20 . Dezember 2020 - By Roland Graf
Dass der Aquavit seinen Namen vom Lebenswasser, dem lateinischen »Aqua vitae«, ableitet, würde Halvor Heuch sofort unterschreiben. Denn der 74-jährige Norweger hat sein ganzes Berufsleben der nordischen Kümmel-spirituose gewidmet. Heute trifft man ihn in Stange nördlich von Oslo, wo der Mann mit dem weißen Vollbart aber nicht Golf spielt. Sein Reich befindet sich neben den Fairways in der Destillerie »Atlungstad«, in der er nach wie vor Aquavit erzeugt. Die 1855 gegründete Brennerei arbeitet mit Kartoffelbrand, in den dann Kümmel eingelegt wird, ehe er erneut destilliert wird. Dieses Verfahren ähnelt dem Gin, nur dass für Aquavit statt Wacholder eben Kümmel oder Dille verwendet werden muß.
Und – wenn es nach Halvor Heuch geht – ausschließlich neu-traler Erdäpfelalkohol »Kartoffeln haben die Norweger gerettet und das Destillieren hat die Kartoffeln gerettet«, macht er klar, was er von getreidebasierten Aquaviten, wie man sie etwa in Dänemark erzeugt, hält. Denn der Aquavit ist eine pan-skandinavische Spirituose. So streng wie der Gesetzgeber in Oslo, der zumindest 95 Prozent Destillate aus norwegischen (!) Kartoffeln vorschreibt, ist man anderswo allerdings nicht. Werden in Schweden zum Mittsommerfest die Flusskrebse aufgetragen, fehlt auch der Schnaps nicht.
Die Trinklieder (»snapsvisa«) tragen ihn schon im Namen. Allerdings wird hier meist mit Anis oder Fenchelsaat aromatisierter Kräuterbrand getrunken – und das eiskalt und auf »Ex!«. Norwegens Gralshüter Heuch schüttelt es bei dieser »shot«-Kultur. Denn schließlich hat seine Nation den berühmtesten aller Aquavits erfunden. Und der »Linie« verdient, wie alle fassgelagerten Spirituosen, wärmer getrunken zu werden.