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Extravaganz mit Kuschelfaktor. Was in einer puristisch geprägten Designwelt häufig nicht zusammengeht, bildet den Wesenskern der Marke Bretz. Ein Gespräch mit Norbert Bretz über Anderssein und Familienbande, Stoff-Treue und Zukunftschancen.

28.01.2020 - By Uwe Killing

Schulterlanges Haar und John-Lennon-Brille: Norbert Bretz wirkt mit 54 auf den ersten Blick noch immer wie der Student, der vor 30 Jahren vor der Entscheidung stand: den Eltern Goodbye sagen oder ihnen aus der Misere helfen? Gemeinsam mit Bruder Hartmut entschied sich Norbert Bretz fürs Anpacken. Er belebte das insolvente, 1895 im hessischen Gensingen gegründete Familienunternehmen mit radikalen Ideen neu. Es begann mit einem schrillen Zebra-Sofa. Und heute ist der regional produzierende Betrieb – 90 Mitarbeiter, hohes Qualitätslevel – erfolgreicher denn je.

LIVING: Das gute alte Sofa … Greift dieser Begriff bei Ihnen überhaupt?
Norbert Bretz: Nein, jedes Bretz-Sitzmöbel hat einen individuellen Namen – und damit fängt seine Geschichte an. Die Familie spricht nicht von ihrem Sofa, sondern von ihrem »Napali« oder ihrem »Ohlinda«. Auf unseren Möbeln sitzt man nicht nur, sondern man lebt damit. Und es lässt sich darauf auch wunderbar träumen.

Ihr Claim lautet »True Character«. In-wieweit kann ein Möbelstück eine Seele besitzen?
Ein Produkt wird zum Objekt mit Seele, wenn es den Kunden bei der ersten Begegnung zum Lächeln bringt und die Geschichte, die dem Objekt innewohnt, sich im täglichen Zusammenleben weiterentwickelt. Kunden erzählen uns von ihrem Sofa wie von einem Familienmitglied. 

Wie stillen Sie den Wunsch nach Indivi­dualität?
Wir bei Bretz machen Möbel für starke Charaktere mit Leidenschaften in jeglicher Form. Den Baukasten an Farben, Mustern und ausgefallenen Formen haben wir hierfür ständig erweitert. Und der Kunde wird selbst zum Gestalter, weil modulare Elemente unterschiedlichste Gestaltungen vom kleinen Solitär bis zur riesigen Landschaft ermöglichen.

»Wir bei Bretz fühlen ­uns jung. Und wir sind ­seit jeher immer einen Tick zu laut, extrem bunt und unglaublich emotional.«

Norbert Bretz über seine Firmenphilosophie

© Robertino Nikolic

Ihre Sofas werden oft als bunte Samt-Landschaften bezeichnet. Dabei handelt es sich um Velours, oder? 
Velours ist prägend für unsere Firmen-Entwicklung. Wir wissen genau, was dieser Stoff kann. Er ist haltbarer als Flachgewebe, viel schöner anzufassen, und er strahlt Wärme aus. Den Stoff in Bewegung zu halten, das ist bei Bretz ein essenzieller Bestandteil der Gestaltung, ob quer gesteppt wie auf den fünfeckigen Modulen von »Matilda« oder dicht an dicht kapitoniert wie bei »Cocoa Island«.

In den Sechzigerjahren trugen auch Rock-Rebellen wie Mick Jagger gerne Velours am Leib. Gefällt Ihnen dieser Retro-Bezug? 
Eigenwillige Formen, starke Farben, aufwendige Verarbeitung von Hand, Sitzkomfort plus kostbarer Velours: Alles zusammen ergibt, denke ich, das herausfordernde Bretz-Design, das uns von vielen anderen, eher der Reduktion und Repräsentation verschriebenen Marken unterscheidet. Wir brechen gerne mit Normen, und noch lieber stellen wir dem grauen Alltag das pralle, bunte Leben entgegen.

Es soll Sie in jungen Jahren eher in die Ferne als in den elterlichen Betrieb gezogen haben … 
Ja. Nach meinem Studium habe ich den Rucksack gepackt und bin ein Jahr alleine durch die halbe Welt gereist. Traveller zu sein, heißt, neugierig für all die Wunder zu sein, die einem jederzeit begegnen können. Und dabei lernt man auch sich selbst ­besser kennen – und zu vertrauen. Das empfinde ich heute als gute Basis, eine tragende Säule in einem Familienbetrieb zu sein.

»Wir stillen mit unseren eigensinnigen Produkten auch die Sehnsucht nach etwas Physischem, Unverfälschtem und Echtem.«

Norbert Bretz über die Einzigartigkeit seiner Möbelproduktion

Wie definieren Sie Familienunternehmen? 
Tradition, Leidenschaft, Wissen, Handwerk. Standorttreue, Verantwortung für die Mitarbeiter und die Familie. Nächstes Jahr werden wir 125 Jahre alt. Aber man ist ja schließlich nur so alt, wie man sich fühlt! Wir fühlen uns jung. Und so sind wir seit jeher eher immer einen Tick zu laut, extrem bunt und unglaublich emotional.

Was veränderte sich mit dem Eintritt Ihrer Nichte Carolin Kutzera in die Geschäftsführung?
Carolin ist nun bereits seit zehn Jahren im Unternehmen und hat die Marke als Creative Director bereits intensiv geprägt. Nach ihrem MBA-Studium war es für Carolin und uns der ideale Zeitpunkt, dass sie mit in die Geschäftsführung einsteigt. Mein Bruder Hartmut hat ihr den symbolischen Stab übergeben. Und sie arbeitet euphorisch daran, unseren Vertrieb mit neuen Partnerschaften und europäischen Standorten weiter zu internationalisieren und die Marke ganzheitlich erlebbar zu machen. 

Regionale Verwurzelung und Rückbesinnung aufs Handwerk: Empfinden Sie sich als Pionier eines Trend, der die gesamte Möbel­branche erfasst hat?
Carolin und ich sind uns absolut einig darin, dass in Zukunft hochwertige, hierzulande von Hand gefertigte Produkte noch stärker den Zeitgeist treffen werden. Und wir stillen in unserer schnelllebigen digitalen Welt mit unseren Produkten die Sehnsucht nach etwas Physischem. Nach besonderer Haptik. Nach etwas Unverfälschtem und Echtem – von Menschen für Menschen gemacht.

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