© Poliform, beigestellt

Neue Transparenz: Ankleidezimmer als kreative Rückzugsorte und persönliche Galerien

Wie Ankleidezimmer zu vorzeigbaren Protagonisten in der Wohnung werden, anstatt bloß als versteckte Stauräume zu agieren. Gerade nach dem Sommer bietet sich der Herbst zur Neuordnung und -orientierung an.

09.09.2021 - By Karin Cerny

Ludwig II., der exzentrische König von Bayern, wusste, dass ein Ankleidezimmer ein Ort zum Träumen ist. Sein Boudoir im romantischen Schloss Neuschwanstein ist in hellen Violett- und Goldtönen gehalten, das Motiv des Pfaus zieht sich auf den Wandgemälden und Stickereien durch den ganzen Raum, der mit einem Kachelofen geheizt wurde. Schließlich möchte man bei der Kleiderwahl nicht frieren. Im Erker stand ein riesiger Schmuckkasten, die Deckenmalerei erzeugt die Illusion, dass sich der Himmel öffnet und Tauben davonschweben.

Verstecken war gestern

Was Ludwigs historischen Ankleideraum nach wie vor modern macht: Es handelt sich um keinen begehbaren Kleiderschrank, den man möglichst dezent versteckt. Im Gegenteil: Der Raum lag zentral, war sowohl mit dem Schlafzimmer, dem Wohnzimmer als auch dem Oratorium, einer kleinen religiösen Andachtsstätte, verbunden – und er hatte eine bezaubernde Aussicht auf die wildromantische Berglandschaft. 

Man muss sich nicht mit einem König vergleichen, kaum jemand hat daheim so viel Platz wie in einem Schloss. Aber man kann sich trotzdem Inspiration holen. Ankleideräume waren lange eher fensterlose Kämmerchen neben dem Schlafzimmer, die sich den Augen der Öffentlichkeit entzogen haben. Der Trend geht gerade in eine andere Richtung: Als minimalistische Galerie kann der Ankleideraum auch vom Wohnzimmer aus begehbar und durchaus prominent ausgestellt sein. Als ungewöhnlicher Rückzugsort muss er nicht nur Kleidung beinhalten, sondern kann auch eine Leseecke haben, einen Schminktisch oder ein Regal mit Lieblingsobjekten. Oder sogar eine Badewanne zum Ausspannen. Kunst an den Wänden gibt ihm gleich ein anderes Flair. Aber auch eher maskulin gestaltete Ankleidezimmer, in denen die Sneakers-Sammlung glänzen kann, sind nach wie vor in Mode. Oder man setzt auf üppigen Boudoir-Stil, der etwas zeitlos Märchenhaftes in den Alltag zaubert. Boudoir bezeichnete ursprünglich einen kleinen, eleganten Raum, in den sich die Dame des Hauses zurückziehen konnte. Erst später setzte sich die Bedeutung Ankleidezimmer durch, die bis heute für viele einen magischen Klang hat. 

Mit der neuen Transparenz in der Garderobe ist es aber auch schwieriger geworden, unordentlich zu sein. »Je mehr Platz man hat, desto größer ist die Gefahr, alles vollzuräumen«, sagt die Grazer Psychologin Karin Klug, die sich mit dem Thema Minimalismus und dessen positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit beschäftigt: »Es muss nicht jeder nur mit 100 Dingen leben, aber man sollte persönliche Ziele definieren.« Eine gute Methode, sich Überblick zu verschaffen, was regelmäßig angezogen wird, ist das Umdrehen von Kleiderbügeln. Sobald man ein Kleid, ein Hemd oder einen Mantel tatsächlich getragen hat, dreht man den Bügel auf die andere Seite. Nach einer gewissen Zeit ist klar, wie viele der Kleidungsstücke nie verwendet werden. 

Gleichzeitig entwarnt die Expertin: »Man muss nicht alles weggeben, was nicht regelmäßig getragen wird. Es ist schön, bestimmte Erinnerungsstücke zu behalten.« Fatal wäre allerdings, sich selbst anzulügen: »Wenn ich plane, abzunehmen, ist es gut, mir eine Frist zu setzen. Habe ich mein Ziel danach nicht erreicht, ist es sinnvoll, Kleidung, die mir nicht mehr passt, auszusortieren. Und es gilt auch zu bedenken, dass sich der Körper verändert, selbst wenn man wieder schlanker ist, hat man nicht automatisch die gleiche Figur.«

Quellen die Regale über, sieht man gar nicht mehr, welche Schätze man besitzt. Es muss nicht so clean wie in einem Shop sein, aber befriedigend ist es doch, sich daheim wie in der Lieblingsboutique zu fühlen – wenn alles frisch, neu und perfekt wirkt und so auf einen Blick ersichtlich ist, welche Möglichkeiten für Kombinationen zur Verfügung stehen. Klug rät im Frühjahr und im Herbst Generalinventur zu machen, auch um Risse, Löcher und verlorene Knöpfe zu bemerken. »Auch da gilt: Am besten, man setzt sich eine Frist, bis wann Mängel behoben werden sollen. Was bis dahin nicht erledigt wurde, wird aussortiert.«

Neue Klarheit im Kopf

Je öffentlicher Ankleidezimmer werden, desto weniger kann man sich durchmogeln. Und gerade das kann motivierend sein. »Aufräumen entwickelt eine eigene Dynamik«, sagt Klug. »Wer erlebt, wie herrlich ein aufgeräumter Kleiderschrank ist, bekommt Lust, auch andere Bereiche besser zu strukturieren und sein Leben durchzulüften: lästige Abos zu kündigen, Versicherungen zu überprüfen, seinen Terminkalender auszumisten.« 

Sicher ist: Aufräumen sorgt für eine neue Klarheit im Kopf. Selbst teure Fehlkäufe werden über die Jahre nicht tragbarer. Schenkt man sie Freundinnen oder spendet sie, dann stellt sich zumindest ein gutes Gefühl ein. Das Ankleidezimmer sollte ein persönlicher Showroom sein: Alles ist griffbereit, alles passt wie angegossen. Die herrlichen Outfits sind nicht einfach da, weil sie vergessen wurden, sondern weil man Freude an ihnen hat. Mit ein wenig Diszi­plin ist das tatsächlich möglich.

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03