© C. Omar Tajmouati

Meriem Berrada: »Marrakesch ist das Tor zu Afrika«

Meriem Berrada über die boomende afrikanische Kunstszene und die vielfältigen kulturellen Einflüsse Marokkos.

10.09.2020 - By Maik Novotny

LIVING: Wie hat sich die Kunstszene in Marrakesch entwickelt?
Meriem Berrada: Sie ist ein Bild der Stadt selbst: reich, divers, im Schnittpunkt der Kulturen. Das Kulturangebot hat sich seit den späten 1990er-Jahren und dann rasant seit 2010 vervielfältigt. Heute gibt es hier zahllose Museen, Institutionen, Galerien und inter­nationale Events wie das Marrakech Film Festival, Musikfestivals und natürlich die 1-54 Contemporary African Art Fair.

In den letzten Jahren hat afrikanische Kunst enorm an Präsenz gewonnen, mit Hotspots wie Nigeria und Ghana. Welche Rolle spielt Marrakesch in der internationalen Kunstwelt?
Die Stadt ist schon rein geografisch ein prädestiniertes Tor zu Afrika. Ein sicherer und offener Ort, ein idealer Fürsprecher der afrikanischen Kunst. Leider ist der lokale Kunstmarkt noch sehr klein, die meisten Transaktionen passieren außerhalb des Kontinents. Wir müssen das kulturpolitische Ökosystem noch stärken, um Marrakesch effektiver auf der Bühne der Kunstwelt zu präsentieren. Die erste Ausgabe der Kunstmesse 1-54 im Februar 2018 war ein großer Schritt vorwärts, denn eine Messe zur afrikanischen Kunst gehört nach Afrika.

Das Programm des MACAAL ist explizit afrikanisch und zeitgenössisch. Welche Künstler sollte man als »Outsider« kennen?
Die School of Casablanca um Mohamed Melehi und Farid Belkahia, die Oshogbo School in Nigeria, die Maler aus der DR Kongo wie Chéri Samba, Chéri Chérin und Moké, ihre Nachbarn aus Kongo-Brazzaville und die südafrikanische Kunstszene mit renommierten Namen wie William Kentridge, David Goldblatt und Roger Ballen. Was Fotografie angeht, sollte man bei Malik Sidibé und Seydou Keïta anfangen, dazu gibt es junge Szenen in Südafrika, Uganda, Marokko und Côte d’Ivoire. In der Bildhauerei Ousmane Sow aus dem Senegal, bei Textilien Amina Agueznay aus Marokko und Billie Zangewa aus Malawi.

Gibt es so etwas wie ein »panafrikanisches Bewusstsein«, oder ist es eher ein Mosaik lokaler Kunstszenen?
Beides. Die globale Kunstwelt hat das prak­tische Label der Contemporary African Art etabliert – ein berechtigter, aber ein sehr vager Begriff, der die Reichhaltigkeit der 54 afrikanischen Länder, die alle eine oder mehrere Kunstszenen haben, nicht widerspiegelt.

Wie unterscheidet sich marokkanische Kunst von der in anderen Regionen?
Sie speist sich aus vielen Quellen. Wir sind historisch sowohl mit der afrikanischen als auch mit der arabischen und islamischen Welt verbunden. Auch Westafrika ist keineswegs homogen, auch wenn meistens Fran­zösisch gesprochen wird. Der Zugang zu Bildung ist mit Ausnahme von Nigeria noch schwierig, daher sind viele Künstler Auto­didakten, mit entsprechend vielfältigen Resultaten.

Was sind die zukünftigen Pläne für das noch relativ junge MACAAL?
Das MACAAL hat schon eine umfangreiche Sammlung mit 2000 Werken in allen Medien von Malerei bis zur Installation. Darunter viele etablierte Künstler aus Marokko, dem Maghreb und dem ganzen Kontinent. Unsere kommenden Ausstellungen werden sich auf die Sammlung konzentrieren, um Dialoge zwischen den Szenen zu etablieren. Parallel entwickeln wir ein Online-Programm, auch E-Workshops sind angedacht. Schließlich hoffen wir auf eine zweite Ausgabe des MACAAL Bootcamp, ein intensives Vier-Tage-Programm, mit dem wir Anfang dieses Jahres die Fähigkeiten von Kulturarbeitern der afrikanischen Kunst­szene gestärkt haben.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2020

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